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Digitaler Journalismus

Besser Online 2016

"Was Inspirierendes, bitte!"

30.09.2016

Von Kilian Haller. Die Verlage stehen unter enormen Veränderungsdruck – viele suchen ihr Heil in neuen, digitalen Produkten. Aber woher nehmen und nicht stehlen? Von alleine entsteht eine Innovationskultur jedenfalls nicht.

Von links Christian Heise, Astrid Maier, Cornelius Frey und Jana Lavrov. Foto: Wegwerth

Christian Heise ist ein Mann, der weiß, wie Innovationen in der Medienbranche aussehen können. Nicht nur, weil er mit seinem Stil mit Jackett und Turnschuhen wirkt, als wäre er im Silicon Valley zuhause. Heise ist Manager beim DNI Fund. DNI steht für “Digital News Initiative” und ist ein von Google finanzierter Innovationsfonds, der in mehreren Runden insgesamt 150 Millionen Euro für journalistische Projekte ausschüttet. Gerade ist die zweite Bewerbungsrunde abgeschlossen, 128 Projekte werden mit 27 Millionen Euro gefördert. Heise reist also gerade durch Europa und trifft sich mit Gründern und Projektmanagern in großen Verlagen und Startups; er kennt die neuesten Ideen für Virtual Reality-Projekte, 360 Grad-Anwendungen, News-Visualisierungen und personalisierte Nachrichten-Apps, die Informationen nach den Interessen des Anwenders gefiltert ausgeben. Und er muss zwischen verschiedenen Kontexten in den europäischen Ländern unterscheiden: “Ein Produkt, was in Deutschland innovativ ist, ist vielleicht in Bulgarien nicht innovativ – und umgekehrt.” Heise ist überzeugt davon, dass Google dabei nicht nur die Innovationskultur fördern möchte, sondern auch “ein großes Interesse daran hat, dass es der Verlagswelt gut geht”.

Neue Denkprozesse gestalten: Innovationen gibt es nicht auf Knopfdruck Man kann das natürlich glauben oder nicht – das Geld und die Projekte sind auf jeden Fall real. Und die Ideen entstehen nicht “auf Knopfdruck”, sagt Heise. Zustimmung kommt von Astrid Maier. Die “Ressortleiterin Innovation und Digitales” bei der Wirtschaftswoche glaubt nicht, dass es etwas bringt, Busladungen durch das Silicon Valley zu schleusen und sich dort Ideen abzuschauen. Stattdessen brauche es eine Innovationskultur: Mitarbeiter sollten Freiräume haben und den Spaß am Tüfteln nicht verlieren. Eine Voraussetzung: Von ganz oben im Unternehmen müsse Unterstützung für Innovationen kommen.

Ein wichtiger Ansatz für die ehemalige Stanford-Stipendiatin ist “Design Thinking”. Dabei wird versucht, die Anwendersicht nachzuvollziehen – ein Bottom-Up-Prozess, bei dem Maier gezielte und tiefgreifende Interviews mit Nutzern einsetzt. Die zentrale Frage ist, welche Bedürfnisse die Nutzer eigentlich haben, und für Astrid Maier sind das vor allem spezielle Bedürfnisse: “Ich bin überzeugt davon, dass die Reise im digitalen Journalismus in die Nische geht”. Zugeknöpfter wird sie auf die Frage, an welchen Produkten ihr Innovations-Labor denn eigentlich gerade konkret arbeitet. Darunter ist aber mit einem bezahlpflichtigen Newsletter ein Projekt, das auch vom DNI Fund gefördert wird.

Platz für Innovationen lassen, wenn die Zukunft geplant wird Für Cornelius Frey ist es besonders wichtig, schnell reagieren zu können und zu experimentieren. Frey spricht aus der Sicht eines Gründers: Er hat seinen Job bei McKinsey aufgegeben, um zusammen mit seiner Schwester eine Idee zu verwirklichen. “Opinary” heißt die Firma, die den Meinungsaustausch im Netz unter anderem durch Visualisierungen wie den “Pressekompass” vereinfachen und fördern soll. Ihr Produkt hätten sie nebenbei entwickelt und dabei gemerkt, dass der Anwendungsbereich viel größer sei als ursprünglich gedacht, sagt Frey. Innovationen müssen aus seiner Sicht “produktgetrieben” sein und immer den Nutzer im Blick haben. Und Unternehmen müssten flexibel sein: Wenn eine gute Idee auftaucht, dürfe es nicht heißen, “das ist ja ganz nett, aber unsere Roadmap ist gerade voll”. Als Moderatorin Jana Lavrov (SEO-Journalistin bei Zeit Online) mit den Worten “Was Inspirierendes, bitte” die Schlussfrage stellt, welche Wünsche vom Journalismus die Diskussionsteilnehmer hätten, wird Frey leidenschaftlich: “Ich wünsche mir mehr Selbstbewusstsein und Optimismus. Die Leute konsumieren heute viel mehr Nachrichten, und wir sind die Leute mit der Kernkompetenz, tolle Geschichten zu erzählen – und dabei können wir auch unglaublich viele technische Möglichkeiten nutzen.”

Das Wichtigste ist immer noch, ein guter Journalist zu sein Christian Heise wünscht sich, dass Unternehmen sich mit einem Projekt bei ihm bewerben, das sie sonst nicht machen würden. Und auch er macht Hoffnung: “Viele Projekte kommen zu uns sagen: Wir sehen 1000 Möglichkeiten zur Refinanzierung, aber wir wissen noch nicht, welche die richtige ist und wollen das herausfinden. Das finde ich vollkommen legitim.” Die Möglichkeiten seien schließlich immens: “Da kommt noch total viel. Startups verdienen Milliarden mit Online-Spielen, während manche Nachrichten-Seiten noch nicht mal responsive (das heißt auch für die Darstellung auf Mobil- und Tabletgeräten optimiert, Anm. des Autors) sind.” Produkte, die aus einem journalistischen Kontext heraus entwickelt würden, könnten umgekehrt auch ganz anderen Branchen zugute kommen, sagt Heise mit einem Seitenblick auf Frey, dem mit Opinary genau das gelungen ist. Das Wichtigste am Job sei aber immer noch, ein “guter Journalist” zu sein, glaubt Astrid Maier: Zuerst komme die Story, “dann kann ich überlegen, wie ich sie erzählen und vermarkten kann”. Bei Hypes wie der App “Snapchat” dürfe man sich durchaus zurücklehnen und erst einmal beobachten. Links zum Thema: www.digitalnewsinitiative.com: Hier kann man sich für den DNI Fund bewerben und sehen, welche Projekte von Google gefördert werden opinary.com: Das Meinungstool von Cornelius Frey, das unter anderem bei “Die Welt”, “Wirtschaftswoche” und “Spiegel Online” zum Einsatz kommt.
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