Deutscher Journalisten-Verband Gewerkschaft der Journalistinnen und Journalisten
Mehr zum Thema

Bildjournalisten

Bildjournalismus

Die (Un-)Kultur der Jedermannsfotografie-Ausbildung

16.05.2013

Nicht nur das scharfe Bild, sondern auch der scharfe Text und Film könnten in Zukunft vermehrt Themen der Fortbildung werden


Für erheblichen Wirbel sorgt unter Bildjournalisten das aktuelle Seminarangebot eines rührigen Ortsvereines einer bekannten Journalistengewerkschaft. Eine theoretische und praktische Einführung in das gelungene Digitalfoto, durchgeführt  durch einen ortsansässigen Fotostudio-Besitzer, alles an einem summa summarum halben Tag.

Zielgruppe: Der klassische Textjournalist, der nunmehr auch Bilder von der Reportage mitbringen will oder muss. Nicht wirklich die erste Veranstaltung ihrer Art: Schon früher sorgten vergleichbare Veranstaltungen in München oder Hamburg für Verdruss bei Teilen der Berufsgruppe. Wobei als Referenten  dann mitunter auch einmal gestandene Bildjournalisten auftraten.

Handelt es sich bei der Kritik nur um einen Beißreflex von Besitzstandsverteidigern, die ihr schon allzu sehr gerupftes Territorium gegen die Invasion der eigenen Berufskollegen, der Textfraktion, schützen wollen? Geht es darum, dass zumindest die eigene Berufsorganisation die  Aufgabe des eigenständigen Berufsbilds nicht vorantreiben sollte? Oder geht es darum, dass die Bildjournalisten wissen, dass eine solche Ausbildung an einem halben Tag nicht zu schaffen ist - und Bildqualität eben nicht einfach von Textern eben mal   von Einsätzen "irgendwie mitgebracht" werden kann?

Gleichzeitig melden sich freie Rundfunkjournalisten und beschweren sich: Sie sollen von Einsätzen jetzt Bilder mitbringen, die dann pauschal mit 20 oder 25  Euro extra vergütet werden. Vom Bayerischen Rundfunk ist zu hören, dass dort aktuell versucht wird, die Lieferung von vier Bildern pro Dreh zur vertraglichen Pflicht zu machen, weil Bilder für Online gebraucht werden. Und an anderen Sendern berichten Freie, dass sie von ihren Auslandsreportagen zusätzlich zum Material für Hörfunk und Fernsehen auch noch eine Bildergalerie für Online mitbringen, und das für schlappe 100 Euro extra. Auf die Kritik an dieser Honorierung wägt dann der eine oder andere sogar ab und meint nachdenklich, im Rahmen der Gesamthonorierung sei die "nebenbei" fotografierte Bildergalerie doch "schon okay". Womit das nächste Thema angeschnitten wäre, das im Rundfunk immer virulenter wird, das der Pauschalhonorierung für Multimedia-Material oder -Fertigproduktionen. Hiergegen wendet sich der Protest von vielen "Rundfunk-Freien", denen bisher die genaue Abrechnung nach Werk und Leistung rationaler erschien.

Wer sich in Fotografenkreisen (die manchmal, aber nicht immer Wert auf die Abgrenzung zwischen Bildjournalisten und Fotografen legen) umhört, erfährt wiederum Erstaunliches. Da gibt es erfolgreiche Bildjournalisten, die als Fotografenmeister gestartet sind und manchmal immer noch das Fotostudio vor Ort betreiben. Umgekehrt das Fotostudio vor Ort, dessen Besitzer ganz selbstverständlich - und um das Salär aufzubessern - als Bildjournalist arbeitet. Als zusätzliches Einkommen bieten beide "Parteien" ganz selbstverständlich Kurse für Foto-Amateure an, in der Erwartung natürlich, dass diese Schulungen allenfalls - wenn überhaupt - zu besseren Privatfotos führen, nicht aber Konkurrenz heranzüchten. Mit dem gleichen Bewusstsein wiederum bieten manche Bildjournalisten auch ihren Textkollegen Schulungen an, weil sie annehmen, dass diese Kurzkurse eher Unterhaltungs-Charakter haben, nicht aber wirkliche Qualitätskonkurrenz hervorbringen können.

Womit wir wieder beim Thema wären: Ist die Ausbildung von Amateuren eine Gefahr fürs Bild? Oder ist sie wiederum so lächerlich, dass ein Berufsverband die Finger davon lassen sollte?

"Ich bin Ihnen in den letzten Monaten untreu gewesen, und jetzt kehre ich reumütig zurück", berichten einige Kunden, die versucht haben, aus Kostengründen ohne professionelle Bildjournalisten bzw. Fotografen zu arbeiten. "Die Bilder, die mir geliefert wurden, waren katastrophal. Jetzt möchte ich wieder zu Ihnen zurück!" Das hört man gerne, allerdings viel zu selten, weil viele Redaktionen glauben, dass Bilder keinen eigenen Informationswert haben, sondern im Zweifel in jeder Qualitätsstufe ins Blatt dürfen.

Wer professionelle Bilder haben will, Redaktionen von Zeitungen und Rundfunkanstalten, sollte nicht auf das "eben mal mitgebrachte" Bild setzen, sondern Profis beauftragen, die wissen, wie ein gutes Bild angefertigt wird.

Ansonsten stellt sich die Frage, ob man nicht auch Seminare anbieten sollte, die in etwa heißen "Der scharfe Text", in dem ein Deutschlehrer interessierten Bildjournalisten in zwei, drei Stunden Reportagejournalismus beibringt. Damit das Portfolio komplett wird, wäre dann noch das Seminar "Der scharfe Film" fällig, bei dem jemand vom lokalen Programmkino erläutert, wie erfolgreiche Dokumentarfilme anzufertigen sind.

Die Gefahr allerdings besteht, dass dieses Seminarangebot gut ankäme - und die daraus gefertigten Produkte auch noch die Zustimmung qualitätsnivellierter Redaktionen finden würden. Insofern kann es sein, dass das Thema der "Ad-hoc-Journalismusausbildung" in den nächsten Jahren noch richtig Karriere machen wird.

Etwa mit dem Kurs "Unter Drei", was in jenen, kommenden Jahren konkret heißen wird: "Lerne Journalismus in unter drei Stunden".


Michael Hirschler, hir@djv.de

News-Übersicht für Bildjournalisten

Katie Melua-Konzerte

Knebelverträge stoppen

21.04.23

Der Deutsche Journalisten-Verband ruft das Management der Künstlerin Katie Melua zu fairen Akkreditierungsbedingungen für Pressefotografinnen und -fotografen auf.

dpa-Fotografen

Faire Honorare gefordert

13.02.23

Der Deutsche Journalisten-Verband unterstützt Aktivitäten von freien Fotografinnen und Fotografen der Deutschen Presse-Agentur, mit denen sie für höhere Honorare bei der dpa kämpfen.

Neue Regeln bei der Künstlersozialkasse

Mehr Zuverdienst möglich, Zuschüsse für freiwillig Versicherte

03.01.23

Neue Regeln bei der Künstlersozialkasse beim Zuverdienst und bei der freiwilligen Krankenversicherung: ein DJV-Tipps für Freie informiert über Änderungen (Download hier).

Klambt-Gruppe

Vertragsbedingungen unfair für Freie

22.12.22

"Aus unserer Sicht existenzgefährdend", kritisiert ein freier Journalist im Namen einer ganzen Gruppe von Freien die neuen Vertragsbedingungen der Klambt-Gruppe, die am 16. Dezember 2022 an frei Mitarbeitende der Mediengruppe...

Bild TV

Auch Bildjournalisten betroffen

30.11.22

Nicht nur die Arbeitsverträge von 80 Journalisten werden jetzt auslaufen, wenn BILD TV sein Programm reduziert. Auch viele freie Fotografen und Fotografinnen haben unter den Folgen der Einstellung von Sendungen zu leiden. Diese...

Fotoinstitut

Nicht ohne Pressefotografie

17.11.22

Der Deutsche Journalisten-Verband fordert die Berücksichtigung der Pressefotografie beim Aufbau des Deutschen Fotoinstituts.

EuGH-Urteil zur Datenspeicherung

Sieg für Informantenschutz

20.09.22

Der Deutsche Journalisten-Verband sieht in dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs zur Vorratsdatenspeicherung einen Sieg für die Pressefreiheit und den Informantenschutz.

Transformation

Medienarbeitgeber in der Pflicht

21.07.22

Der Deutsche Journalisten-Verband sieht die Medienarbeitgeber in der Pflicht, mehr für die Journalistinnen und Journalisten zu tun, die bei ihnen angestellt oder als freie Mitarbeiter tätig sind.

ADAC-Fotos

Konkurrenz für Freie

07.06.22

Der Deutsche Journalisten-Verband sieht in der Vermarktung von Fotos der ADAC Luftrettung eine unzulässige Konkurrenz mit freien Bildjournalisten.

News 10 bis 18 von 402
Newsletter

Cookie Einstellungen