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Fotografen - digitale Speicherstelle für polizeiliche Ermittlungen?

25.05.2016

Kommen die Ermittler nicht weiter, wenden sie sich den Pressefotografen zu. Rechtliche Grundlagen und Probleme.

Der Fotojournalist Po Ming Cheung machte am 19. Mai 2016 unangenehme Erfahrungen mit der deutschen Staatsgewalt. Sturmklingeln und heftiges Trommeln an der Wohnungstür morgens um sechs Uhr, anschließend wird seine Festplatte mit Fotos und zahlreichen anderen privaten Daten konfisziert. Grund: Nicht etwa ein Vorwurf gegen ihn selbst, sondern die Polizei möchte Bilder finden. Fotos von Demonstranten, die Polizisten angreifen. Die Durchsuchung und Beschlagnahme fand in Berlin statt, auf Antrag der Staatsanwaltschaft Frankfurt.

Da der Fotograf das gewünschte Fotomaterial nicht einfach heraussuchte, wurde die gesamte passwortgeschützte Festplatte beschlagnahmt und mitgenommen.

Po Ming Cheung ist Fotojournalist mit einem Schwerpunkt in der Dokumentation sozialer Konflikte und hat besonders viel Erfahrung in der Berichterstattung über politische Demonstrationen. Es ist daher vollkommen logisch, dass vor seine Linse immer wieder Aktionen von Demonstranten geraten, die sich in strafrechtlich relevanter Weise verhalten.

Rechtlich gesehen haben Journalisten ein Zeugnisverweigerungsrecht, die von ihnen aufgenommenen Fotos unterliegen daher grundsätzlich einem Beschlagnahmeverbot, soweit das Zeugnisverweigerungsrecht reicht. Genau hier liegt aber das Problem: Das Zeugnisverweigerungsrecht gilt nicht, wenn der Vorwurf eines Verbrechens und bestimmter anderer schwerer Straftaten im Raum steht. So will es der § 53 der Strafprozessordnung. Dort steht:

Die Berechtigung zur Zeugnisverweigerung der in Absatz 1 Satz 1 Nr. 5 Genannten über den Inhalt selbst erarbeiteter Materialien und den Gegenstand entsprechender Wahrnehmungen entfällt, wenn die Aussage zur Aufklärung eines Verbrechens beitragen soll oder wenn Gegenstand der Untersuchung

1. eine Straftat des Friedensverrats und der Gefährdung des demokratischen Rechtsstaats oder des Landesverrats und der Gefährdung der äußeren Sicherheit (§§ 80a, 85, 87, 88, 95, auch in Verbindung mit § 97b, §§ 97a, 98 bis 100a des Strafgesetzbuches),

2. eine Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung nach den §§ 174 bis 176, 179 des Strafgesetzbuches oder

3. eine Geldwäsche, eine Verschleierung unrechtmäßig erlangter Vermögenswerte nach § 261 Abs. 1 bis 4 des Strafgesetzbuches

ist und die Erforschung des Sachverhalts oder die Ermittlung des Aufenthaltsortes des Beschuldigten auf andere Weise aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre.

Im konkreten Fall ermittelt die Staatsanwaltschaft Frankfurt gegen einen Demonstranten wegen versuchten Totschlags. Mit der Durchsuchung des Bildmaterials bei Fotografen will sie Bilder finden, die den Vorgang dokumentieren. Auch bei einem anderen Fotografen sollte Bildmaterial gefunden werden, allerdings war er bereits aus der Wohnung ausgezogen, vor der die Polizei stand.

Problematisch für den Betroffenen und andere Fotografen: Wenn sie von der Polizei als Ermittlungsstelle eingesetzt werden, wird ihre Akzeptanz unter Demoteilnehmern stark vermindert. Schon in der Vergangenheit musste ein Hamburger Fotograf einmal erleben, dass ihm vermutlich politisch linke Demonstranten das gesamte Equipment abnahmen, weil sie offenbar annahmen, dass das Material in die Presse oder zumindest mittelbar an die Polizei geraten würde.

Was können Pressefotografen machen? Rechtlich gesehen haben sie wenige Möglichkeiten, in solchen Fällen gegen die Beschlagnahme vorzugehen. Die Verschlüsselung von Festplatten mag eine Möglichkeit sein, führt dann aber im Regelfall zur Mitnahme durch die Polizei, die dann ihre Experten daran setzt. Wie das Beispiel von FBI versus Apple in den USA gezeigt hat, können die Ermittler auch in geschützte Datenträger hineinkommen. In früheren Fällen haben Fotografen ohnehin dem Druck der Ermittler auch schon nachgegeben und Material auch herausgesucht, um die Datenträger zu behalten.

Praktisch gesehen muss sich jeder, der Straftaten der oben erwähnten Kategorien fotografisch erfasst, auf einen Besuch der Polizei einrichten. Ob das dazu führt, dass Bilder gar nicht mehr aufgenommen werden, ob sie nach der Erstellung wieder vernichtet oder in Zukunft bei Verwandten oder ganz anderen Personen versteckt werden, ist wahrscheinlich. Ebenso möglich ist damit aber auch, dass engere Bekannte, Verwandte und Organisationen, in denen der Fotograf verkehrt, dann in Zukunft im Rahmen der Ermittlungen gleich mit aufgesucht werden.

Wie Fotografen auf diese Szenarien reagieren werden, wird am besten gar nicht mehr schriftlich oder sonstwie öffentlich diskutiert. Vermutlich werden sie versuchen, sichere Alternativen zu finden. In jedem Fall erscheint die Strategie der Staatsanwaltschaft, Fotografen als Ermittlungsreserve zu nutzen, als höchst problematisch, da sie die praktische Arbeit der Berufsgruppe in Frage stellt.

Der DJV berät seine Mitglieder in Fragen des Bildrechts.


MH

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