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"Lügenpresse"?

Journalisten diskutieren mit Pegida-Sympathisanten

30.01.2015

Mit der Veranstaltung „Was ist dran am Vorwurf der Lügenpresse?“ wollte das Institut für Kommunikationswissenschaft (IfK) der TU Dresden eine Brücke zwischen den Medien und der Bevölkerung bauen.

Foto: Jörn Wolf

Das Interesse der Dresdner Bürger war groß: Über 400 Gäste waren bei der Diskussion im Saal des Centrum Theaters, 250 mussten wegen Überfüllung draußen bleiben. Auf dem Podium: DJV-Bundesvorsitzender Michael Konken, Dirk Birgel von den Dresdner Neuesten Nachrichten, Uwe Vetterick, Sächsische Zeitung, und Sandro Viroli vom MDR-Sachsen.  Die TU-Professoren Wolfgang Donsbach und Lutz Hagen vom IfK führten in das Thema ein.


"Lügenpresse" — ein Stimmungsbild von beiden Seiten
In der anschließenden Diskussion mit dem Publikum meldeten sich mehrheitlich Sympathisanten der Pegida zu Wort. Ein – wenig überraschendes – Stimmungsbild zeigte, dass ihrer Ansicht nach nicht wahrheitsgemäß und sachlich über die islamkritische Bewegung berichtet wurde. So sagte eine aufgebrachte Frau, bei der Demo vor Ort sei überhaupt nichts von Fremdenfeindlichkeit zu hören gewesen, die Presse hätte aber am nächsten Tag so berichtet. „Ich habe nicht mit den Medien geredet, weil ich Angst hatte, dass ich dann öffentlich als Nazi dargestellt werde.“ Ein anderer erzählte, er habe der ARD und dem MDR gegenüber Statements gegeben. „Aber die haben das dann nicht gesendet, weil ich nicht gepöbelt habe.“ Ein Beweis für tendenziöse Berichterstattung? Mitnichten. Man muss kein Experte sein, um zu wissen, dass das Gros des Materials aus Zeitgründen nicht gesendet wird.
Ein weiterer Sympathisant beschwerte sich über einen „MDR um 4”-Beitrag in dem es hieß, der ermordete eritreische Flüchtling Khaled sei am Abend nach einer Pegida-Demonstration gefunden worden. Das sei eine Lüge; erst am Morgen danach hätte die Polizeit den Toten geborgen. Die ursprüngliche Meldung sei aus einem anderen MDR-Beitrag angeblich herausgeschnitten worden. „Der Tod des Asylbewerbers war für mich der Tiefpunkt des Journalismus.“ Eine (ungewollt ?) zynisch klingende Schlussfolgerung. Spätere Ermittlungen ergaben, dass der Mord entgegen erster Vermutungen nicht im Zusammenhang mit Pegida stand.
Ein Physiker sagte, er lehne Berichterstattung mit "vorgefertigter Meinung" ab. Medien hätten ja doch nur die Aufgabe, "bestimmte Machtzyklen zu schützen", behauptete er.

Alle anwesenden Dresdner Journalisten berichteten unterdessen von einem angespannten Verhältnis mit den Pegida-Demonstranten. So beschrieb DNN-Chefredakteur Birgel, dass die Journalisten völlig geschockt über die Beschimpfungen von den ersten Demos wieder gekommen wären. „Die Stimmung bei Pegida ist aggressiv, die Haltung nationalistisch und fremdenfeindlich. Da bleibe ich dabei.“ Auch Viroli beschrieb offene Anfeindungen der MDR-Kollegen. Schon bei der zweiten Demo seien die Mikros weggedrückt worden, danach habe es immer wieder Angriffe auf Reporter gegeben. Fernsehteams seien leicht zu erkennen, das erschwere eine Berichterstattung noch. Vetterick von der SZ sagte, es sei schwer, Anhänger zu finden, die ihren Namen in der Zeitung lesen wollten.

(Nicht nur) Pegida-Anhänger — das verlorene Publikum? Konken wies darauf hin, dass Journalisten selbstkritisch hinterfragen müssten, ob und was in der Berichterstattung schief gelaufen sei. Transparenz und gegenseitige Kontrolle der Medien seien essentiell und würden seiner Boeobachtung nach einen Bedeutungszuwachs erfahren. So hätten die umstrittenen ARD-Bilder von den Staatschefs bei der Pariser Solidaritätsdemo für "Charlie Hebdo" vor ein paar Jahren noch niemanden gestört, sagte Konken. Das sei heute anders: „Es hätte nicht wehgetan, die Inszenierung als solche zu kennzeichnen.“ Verschwörungstheoretische Vorstellungen wie die einer "gleichgeschalteten Staatspresse" seien indessen kompletter Unfug, stellte Konken klar. „Wer glaubt, alle deutschen Redaktionsleiter sitzen morgens um 10 Uhr zusammen und empfangen Weisungen, der glaubt auch, die Erde sei eine Scheibe.“

MDR-Mann Viroli kritisierte die Selbstreferentialität innerhalb der Medienbranche. "Journalisten müssen wieder näher ran an die Menschen“, sagte er. Konken unterstützte diese Einschätzung, sieht das Kernproblem aber in der erodierenden Medienkompetenz. Gerade jüngere Leute seien durch die zunehmende Medienvielfalt überfordert und würden sich nur noch häppchenweise über Online-Kanäle informieren. Kommunikationsprofessor Donsbach hielt abschließend fest: "Eine gute Demokratie braucht gute Medien. Aber die müssen auch nachgefragt werden.“ Anna-Maria Wagner

Mehr zu den Anfeindungen gegen Journalisten ist hier und hier nachzulesen.

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