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Auslandsberichterstattung

Tod eines Bildreporters - wie grausam sind die Medien?

26.02.2013

In Frankreich tobt eine Debatte über die Verantwortungslosigkeit in der Branche.


Hat die Nachrichtenagentur AFP eine Mitverantwortung oder gar eine Mitschuld am Tod eines Bildreporters? In Frankreich tobt nach dem Tod des Bildjournalisten Olivier Voisin in Syrien eine heftige Debatte. Schon melden sich Verteidiger zu Gunsten von AFP zu Wort.

Erst Ende letzter Woche hatten verschiedene britische Medien einen Boykott von Material aus Syrien angekündigt, angeblich, um freie Journalisten damit von gefährlichen Einsätzen abzuhalten.

Gegen zu viel Naserümpfen gegenüber jungen Kollegen, die in Krisengebiete ziehen, wehren sich allerdings auch schon die nächsten, - Venetia Rainey, eine freie Journalistin, die viel in Nahost gearbeitet hat.

Hier die deutliche Stellungnahme einer der beiden französischen Journalistengewerkschaften, der SNJ-CGT:

„Der Bildreporter Olivier Voisin, schwer verletzt in Syrien, ist in der Türkei verstorben, wohin er transportiert worden war. Sein Tod verlängert die zu lange Liste von Journalisten, die gestorben sind, weil sie informieren wollten; insbesondere in Konfliktzonen.

Aber jenseits der tiefen Emotion, die durch den Verlust eines Kollegen hervorgerufen wurde,  der sich bemühte, möglichst nah an die Wirklichkeit heranzugehen um umfassend zu informieren, muss man sich nicht doch fragen nach den Arbeitsbedingungen des Berufs, vor allem in Kriegszonen.

In der Tat war Olivier Voisin freier Journalist. Warum? Weil die Verlage keine ständigen Bildreporter mehr anstellen, stattdessen immer mehr auf so genannte freie Journalisten zurückgreifen, weil die Arbeitgeber sich weigern ihren Status anzuerkennen (…).

Die Reduzierung der Redaktionskosten und damit die Vermehrung der Gewinne sind der Preis. Die Versicherung und der Kauf von immer besserer (und damit teurer) Ausrüstung, finanziert vom Reporter, dagegen eine immer schlechtere Bezahlung für das veröffentlichte Foto, soziale Arbeitgeberpflichten, die nicht eingehalten werden, weil der Reporter nicht als Angestellter anerkannt wurde, aber unglaubliche Forderungen hinsichtlich der Lieferung von Bildern großer Qualität und nach Belieben und so weiter, kurz, das Tagesgeschäft der Bildreporter wird immer prekärer.

Auch um zu gewährleisten, dass seine „Kunden“ Fotos abnehmen, wird der Journalist dazu verleitet, immer mehr Risiken einzugehen; er geht nicht nur dahin, wohin sein berufliches Gewissen ihm diktiert zu gehen, um die Information zu erhalten: Er überschreitet oft die Grenzen.

Die letzte E-Mail von Olivier Voisin an eine italienische Freundin erhebt in dieser Hinsicht eine fürchterliche Anklage. Er schreibt: „Ich mache Bilder und bin nicht einmal sicher, ob AFP sie nimmt.“ Dann fügt er hinzu: „Ich bin nichts als der kleine Olivier, der mit ihnen, den Aufständischen hungert und der sie belästigt, weil die direkten Kämpfe auf sich warten lassen. Das Problem ist, was AFP verlangt. Je weniger ich davon mache, desto weniger verdiene auch ich, und was ich verdiene ist schon nicht gerade umwerfend, und je mehr Tage vergehen, um so mehr wächst die Zahl der Fotos, die man von mir verlangt und die ich doch nicht mache.“(…)

Um ihm und anderen ein ehrendes Gedenken zu wahren, wird die SNJ-CGT weiterhin daran arbeiten, die Prekarität zu bekämpfen, um die Anwendung rechtlicher Vorschriften auf alle Journalisten durchzusetzen.“

In diesem Zusammenhang ist auch auf der Fall von Lucas Mebrouk zu erwähnen, einem deutsch-französischen Bildjournalisten, der im arabischen Frühling in Tunsien durch eine aus nächster Nähe abgefeuerte Tränengasgranate ums Leben kam. Beauftragt worden war Mebrouk vom Pariser Büro der deutschen Bildagentur EPA.

Bisher soll sich die EPA allerdings gegen Ansprüche der Hinterbliebenen gewehrt haben mit dem Argument, die Firma hafte nicht für freiberufliche Mitarbeiter. Die Hinterbliebenen mussten die deutsche Firma verklagen, über ein positives Ergebnis ist bisher nichts bekannt. Auch das ist sicherlich deutliche Verantwortungslosigkeit.

In den USA
haben - auch vor dem Hintergrund der Todesfälle in Syrien - einflussreiche Medienmacher rund um Getty Images und die New York Times eine Initiative gegründet, die für mehr Bewusstsein für die Gefahren des journalistischen Berufs werben soll. Die genauen Ziele der Macher der Initiative "A day without news" (www.adaywithoutnews.com) dürften allerdings noch zu klären sein.
Laut der Webseite besteht das Ziel darin,

- die Aufmerksamkeit auf die Zahl getöteter Journalisten zu erhöhen, - wirksame Maßnahmen zu ergreifen, um das zu bekämpfen, - Beweise zu sammeln, um verfolgbare Fälle aufzuklären und bestrafen zu können.

So wenig solche Punkte allgemein kritisiert werden können, so sehr stellt sich doch die Frage,  ob der dritte Punkt die Präsenz von Journalisten in Krisen- und Kriegsgebieten nicht noch schwieriger machen würde. Wenn Kriegsparteien annehmen müssen, dass der Tod eines Kriegsberichterstatters die Landung von UN-Sonderermittlern zur Folge haben kann, wird ihnen der Zutritt in umkämpfte Gebiete möglicherweise noch seltener gewährt werden.
Und nicht nur das: Wenn der Todesfall von Journalisten humanitäre oder UN-staatsanwaltliche Interventionen rechtfertigt, werden sich Kriegsparteien möglicherweise geradezu darum reißen, Todesfälle zu Lasten der jeweils anderen Seite zu inszenieren. Insofern gilt es, so positiv die Initiative auf den ersten Blick scheint, vielleicht erst noch einmal hinsichtlich Punkt 3 gründlich nachzudenken. Michael Hirschler, hir@djv.de

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