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Bildjournalisten

Interview

Wieso zahlt eine Redaktion Ihnen etwas für die App-Nutzung, Herr Bischoff?

27.07.2012

Peter Bischoff ist unter Bildjournalisten kein Unbekannter. Streitlustig und fotografisch immer unterwegs. Wir fragten ihn, wie er den Beruf noch aushält, was für die Berufsgruppe getan werden kann und wie er es schaffte, für die Nutzung seiner Bilder in einer App extra Geld zu bekommen.



Peter Bischoff. Foto: Björn Bischoff
bildjournalisten: Herr Bischoff - Sie sind DJV-Mitglied seit 47 Jahren und berichten, dass BILD (und der Springer-Verlag) Honorare für die zusätzliche App-Nutzung von Fotos und Texten zahlt und dafür sogar eine eigeneneue Redaktion eingerichtet hat. Können Sie konkret schildern, bei welchem Medium das bisher bei Ihnen der Fall war?

Bischoff: Bisher betrifft das die "Bild"-Zeitung, die jetzt diverse APP-Nutzungs-Rechnungenbezahlte - bei der "Bild am Sonntag" und vielen anderen Redaktionen gibt es noch Diskussionen, während die Frankfurter Rundschau und "Der Spiegel" von alleine 10% (bzw. 5%) vom Print-Honorar anwiesen.

bildjournalisten: Wie sind Sie zu dieser Extra-Honorierung gekommen? Auf den Tisch schlagen nach Lieferung, konkrete Forderung vor Lieferung oder generelles Insistieren?

Bischoff: Da "Bild" sehr viel Reklame für den Verkauf der "Bild"-Apps machte (die pro Tag mehr Kosten als die Print-Ausgabe) und in diversen Pressemitteilungen tolle Verkaufsergebnisse meldet, habe ich für diese zusätzliche Nutzung meiner Fotos, die vertraglich vorher nicht abgedeckt war, meine Rechnungen geschrieben, die aber - ohne jegliche Bezahlung und Reaktion - monatelang (trotz diverser Mahnungen) in Berlin auf "Eis lagen" - wie früher beim Start vom Online-Geschäft, bei dem ich mein Honorar (20 % Aufschlag aufs Print-Honorar) mit 5 Jahren Verspätung (!!) ausgezahlt bekam. Inzwischen gibt es bei "Bild" aber sogar eine eigene Abteilung für App-Honorare (Redaktion "Bild iPAD").

bildjournalisten: Was ist das beste, überzeugende Argument?

Bischoff: Wenn die Verlage damit gutes Geld verdienen sollten die Urheber in angemessener Form an den Erlösen beteiligt werden (so steht es übrigens auch in § 32a des Urhebergesetzes).

bildjournalisten: Glauben Sie, dass das jeder durchsetzen kann oder geht das nur mit besonderer Erfahrung oder Verhandlungstaktik?

Bischoff: Es geht nicht um Durchsetzungsvermögen - sondern jeder hat ein Recht auf diese Bezahlung.

bildjournalisten: Was würden Sie anderen Kollegen raten, angesichts der Sorge, Aufträge nicht zu erhalten, wenn sie auf einer Extrahonorierung bestehen?

Bischoff: Dies ist kein (almosenhaft zu gewährendes) Sonderhonorar, sondern eine einklagbare Vergütung. Was hier fehlt, ist leider wieder mal eine klare schriftliche gemeinsame Stellungnahme der Interessenverbände der Fotografen und Journalisten (DJV, Verdi, Freelens und BVPA) an alle Verlage. Es kann hier nicht um Verhandlungstaktiken gehen - denn auf dieses zusätzliche App-Honorar (für eine zusätzliche - für Verlag - gewinnbringende - Nutzung) hat jeder einen Rechtsanspruch. Dass einzelne "Vorkämpfer" für dieses Recht den Verlust der Zusammenarbeit riskieren müssen, spricht leider nicht für die Interessenverbände (DJV, Verdi, Freelens, BVPA), die sich nach meiner Meinung häufig nur als "Verein zum Gedankenaustausch" sehen, statt vehement für die - immer größer werdenden - Probleme ihrer Mitglieder aktiv zu kämpfen.

bildjournalisten: Was kritisieren Sie in dem Zusammenhang an den Verbänden? Was müssten die mehr tun?

Bischoff: Viele bei DJV, Verdi, Freelens und BVPA "kochen aus falscher Eitelkeit oder Ehrgeiz nur ihr eigenes Vereins-Süppchen" statt in gemeinsamen Aktionen auf die Probleme öffentlich aufmerksam zu machen. Das "beste" (bzw. schlechteste) Beispiel ist die Tatsache, dass der DJV 8 Jahre benötigte, um gemeinsame Vergütungsregeln für schreibende freie Journalisten an Tageszeitungen durchzusetzen, die diese trotzdem - ohne jede wirkungsvolle Gegenwehr vom DJV - ignorieren -- ohne jegliches Ergebnis für freie Fotografen! Nach einer weiteren (gescheiterten) Verhandlungsrunde mit dem BDVZ (29.09.2011) kündigte der DJV an, die Schlichtungsstelle anzurufen - Dr. Melicher (Ex-VG-Wort) soll das richten  - passiert ist aber nach meinen Informationen bis heute nichts! Beschämend!"

Meine Kritik: Der DJV schafft zwar Solidarstreiks in ganz Deutschland, wenn es um die Durchsetzung von Tarifgehältern von Redakteuren bei Zeitungen unter 5.000 Auflage geht - im Kampf für angemessene Honorare für freie Fotografen, versagt aus meiner Sicht der DJV etc. leider seit Jahren!


bildjournalisten: Sind Extrahonorare im Zeitalter der Piraten nicht ungewöhnlich? Was sagen Sie überhaupt zu Forderungen nach der Einschränkung des Urheberrechts zu Gunsten der Nutzer?

Bischoff: Verleger sind hoffentlich keine "Piraten", die Urheber "beklauen" und auch noch glauben, dass das in Ordnung sei und keine Skrupel haben, mit dieser kostenfreien Nutzung von Texten und Fotos von Urhebern - unerlaubt - Geld zu verdienen. Diese "stehlenden Piraten" machen das ja zum größten Teil nicht aus privatem Hobby, sondern verdienen mit den Leistungen anderer ihr Geld, ohne die Urheber dafür entlohnen zu wollen - eine Frechheit!

bildjournalisten: Geht der Fotografenmarkt nicht generell den Bach runter? Würden Sie heute noch jemanden raten, Bildjournalist/in zu werden?

Bischoff: Da ist leider was dran - aber Schuld haben wir (und unsere passiven Interessenverbände) selber, weil wir es nicht schaffen, uns gegen die Ausbeuterei der Verlage zur Wehr zu setzen.

Alle Bittbriefe, Anrufe, Apelle an DJV, Freelens etc., eine gemeinsame Verbandsklage einzureichen, um eine nach § 32a Urhebergesetz vorgeschriebene angemessene Beteiligung an den Erlösen per Gericht durchzusetzen, werden seit Jahren mit fadenscheinigen Argumenten abgewimmelt.

Ein weiteres Beispiel für die fatale finanzielle Situation am Bildermarkt: Der BVPA - ursprünglich als Interessenverbandvon Fotoagenturen und Fotografen für faire und angemessene Honorare gegründet, zu deren Durchsetzung sich lt. Satzung alle Mitglieder per Ehrenkodex verpflichtet fühlen sollten - wählte die Geschäftsführerin der DPA-Picture-Alliance zur Bundesvorsitzenden und machte damit den "Bock zum Gärtner", denn die DPA-Picture-Alliance liefert sich mit Getty, DAPD, Corbis und Action-Press einen erbarmungslosen Prestige- und Preiskampf um die Marktführerschafft und alle akzeptieren Jahres-Rahmenverträge mit Dumping-Preisen der großen Verlage (die sich dabei ins Fäustchen lachen), die zu einem totalen Preisverfall für Einzelhonorare der freien Fotografen führten.

Getty und Corbis zahlen solche Kampf-Aktionen aus der "Portokasse" - DPA (als durch die Verleger vertraglich festgelegte Non-Profit-Agentur) muss auch keine Gewinne erwirtschaften (im Gegensatz zu den Fotografen) - Ergebnis: Die Honorare der freien Einzel-Fotografen sind dadurch auf dem absoluten Tiefpunkt und betragen bei vielen Illustrierten heute 1/3 von 1990 gezahlten Minimumhonoraren!

Einen Roy Black-Kalender mit 13 Exklusiv-Fotos, für den ich 10 Jahre lang 3.000 Euro pro Kalender bekam, bot DPA für 800 Euro an - dreimal darf man raten, wer den neuen Auftrag bekam ...!

Der neueste "Coup" (lt. DJV-Verbandsorgan "journalist"): Die Agentur "AP" bietet über seine neugegründete Celebrity-Agentur "Invision" Fotos der Eventfotografie als Mikrostock-Agentur zum Spottpreis - zur zigfachen Nutzung -an (ab 1 € pro Foto!!).

Damit sind die seit Jahren sowieso schon stagnierenden MFM-Honorare nur noch ein Stück Toilettpapier! Deshalb bin ich sehr traurig, meinem Sohn Björn (46) als meinem Nachfolger in meiner Agentur nach seinem fertigen Studium als Diplom-Ökonom vor 23 Jahren geraten zu haben, auch Bildjournalist zu werden
.

bildjournalisten: Ihr Tipp für Kollegen, die vor der Aufgabe des Berufs stehen - was sollen die tun?

Bischoff: Sich solidarisieren und kämpfen, denn Aufgeben ist feige. Fotos sind keine "Ramschware" sondern einhochwertiges Markenprodukt.

bildjournalisten: Rückblick und Blick nach vorn: Würden Sie noch mal - und heute - Bildjournalist werden?

Bischoff: Beim Blick nach vorne: Wenn ich die Marktsituation richtig einschätze: NEIN- im Rückblick: Ein 100%-iges Ja, denn der Beruf (als Prominenten-Fotograf und Journalist) hat mich 100x um die Welt geführt und ich durfte Menschen kennenlernen (als man noch nicht auf den "Roten Teppichen" durch Absperrgitter und Security-Wichtigtuern an der Arbeit gehindert wurde), mit denen mich noch heute tolle Freundschaften verbinden.


Kurz-Biografie von Peter Bischoff (70), in seinen eigenen Worten:

Meine journalistische Laufbahn begann 1965 als Volontär und danach als politischer Redakteur bei der Bremer Tageszeitung "Weser Kurier".

Danach arbeitete ich als Büroleiter Norddeutschland für die "Hamburger Morgenpost" in Bremen. 1968 machte ich mich selbstständig und baute nach und nach eine der bekanntesten Show-Fotoagenturen auf. Als Reporter und Fotograf berichtete ich u.a. fast 30 Jahre aus über 130 Ländern über die Dreharbeiten von fast allen Folgen der ZDF-Produktion "Das Traumschiff", "Glückliche Reise" (Pro7) - 29 Folgen aus 29 Ländern - etc., etc.

Inzwischen habe ich über 600.000 digitalisierte Bilder im System und über eine Million Negative, Dias und Fotos analog im Archiv.


Das Interview wurde von Michael Hirschler für bildjournalisten per E-Mail geführt.

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