Deutscher Journalisten-Verband Gewerkschaft der Journalistinnen und Journalisten
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30 Jahre Gladbeck

Ein Drama und seine Folgen

16.08.2018

Heute vor 30 Jahren begann das Geiseldrama von Gladbeck, bei dem einige Journalisten jegliche Distanz zu den Tätern verloren. Die Folgen für den Journalismus dauern an.

Medienereignis Geiselnahme: Distanz verloren. Foto: DLF

Zwei bewaffnete Gangster hielten im August 1988 für mehrere Tage die alte Bundesrepublik in Atem. Scheinbar ziellos kurvten sie durch die Republik, begleitet von Geiseln, die um ihr Leben fürchteten. Als sie die Kölner Innenstadt ansteuerten, waren die Gangster die Helden der Fußgängerzone. Journalisten gaben sie bereitwillig Interviews, posierten vor Kameras mit ihren Waffen. Ein Journalist setzte sich gar zu ihnen ins Auto und wies ihnen den Weg aus der Kölner City. Noch während der laufenden Geiselnahme setzte bereits die Medienkritik ein. Zahlreiche Journalisten waren empört darüber, dass in Köln einige Kollegen scheinbar gemeinsame Sache mit den Verbrechern machten. Hitzige Diskussionen über zu viel Nähe im Journalismus zogen sich über Monate hin. Mit zwei Folgen: Die "Helden der Stunde", die ganz nah an den Gangstern dran gewesen waren, wurden in ihren Redaktionen eher gemieden als auf den Schreibtisch gehoben. Die andere Folge lässt sich noch heute nachlesen: im Pressekodex des Deutschen Presserates. Dessen Abschnitt zur Berichterstattung über Gewaltverbrechern wurde nach Gladbeck erweitert. Dort heißt es seitdem: Die Presse "lässt sich aber dabei nicht zum Werkzeug von Verbrechern machen. Sie unternimmt keine eigenmächtigen Vermittlungsversuche zwischen Verbrechern und Polizei. Interviews mit Tätern während des Tatgeschehens darf es nicht geben." Das war die richtige und einzig mögliche Reaktion. Und heute? Gladbeck könnte sich so nicht wiederholen. Bei einem ähnlichen Verbrechen von Tätern, die bewusst die Öffentlichkeit suchen und sich selbst inszenieren wollen, wären unzählige Bürger mit ihren Smartphones vor Ort und würden Videos in Echtzeit streamen. Auf die Journalisten käme es gar nicht an. Ein Kommentar von Hendrik Zörner
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