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Flaggenstreit

Einfach mal raushauen

26.07.2022

Ein Journalist unterstellt dem ZDF in einem Tweet Bildmanipulation und lockt damit die Trolle aus ihren Löchern. Als die dpa als Urheberin dementiert, löscht er seinen Tweet - und haut den nächsten heraus. Geht's noch?

Stein des Anstoßes: Physik oder Photoshop? Foto: dpa picture alliance

Was den Kollegen geritten hat, dem ZDF Bildmanipulation zu unterstellen, ohne vorher mal zu recherchieren, weiß wahrscheinlich nur er selbst. Vielleicht war es die Hitzewelle? Jedenfalls wunderte er sich über ein Foto vom Berliner Kanzleramt. Es zeigte drei Fahnen: die Deutschland-, die Europa- und die Regenbogenflagge, die anlässlich des Christopher Street Day gehisst war. Sie war vom Wind kräftig aufgebläht, die beiden anderen Flaggen in der Nähe hingen schlaff herunter. Das konnte nicht mit rechten Dingen zugehen, meinte der Journalist, der im Hauptberuf über das Wirtschaftsgeschehen in London schreibt. Auf Twitter fragte er: "Physikalisches Wunder oder Photoshop?", und lockte damit alle User aus den Löchern, die im öffentlich-rechtlichen Rundfunk sowieso den Vorhof der Hölle sehen. Der Shitstorm war gewaltig.
Daran änderte auch das Dementi der Deutschen Presse-Agentur nichts, von der das Foto stammte. dpa-Mann Froben Homburger twitterte: "Es wäre schön, wenn Sie den durch Ihren zweiteiligen Thread entstandenen falschen Eindruck transparent korrigieren könnten." Der Tweet wird jedenfalls anschließend gelöscht. Statt sich zu entschuldigen und den eigenen Fehler einzuräumen, setzt der Journalist noch mal nach und schreibt, keine Fälschung behauptet zu haben. Und dann kommt's: "Beim ÖRR gab es allerdings schon mehrfach Fälle von Photoshop, daher ist deren Empörung etwas künstlich."
Welche Fälle? Bei welchen Sendern des öffentlich-rechtlichen Rundfunks? Ist das nur ein billiges Rückzugsgefecht eines Mannes, der das Wort Entschuldigung nicht über die Lippen bringt? Oder kündigt er damit die ultimative Enthüllungsstory über fortlaufende Bildmanipulationen der Öffentlich-Rechtlichen an? Wir sind gespannt - auch darauf, wie das Medienressort der Zeitung, für die der Journalist arbeitet, mit dem Thema umgeht. Dort reagiert man in der Regel sehr kritisch auf Fake News.
Ein Kommentar von Hendrik Zörner

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