Deutscher Journalisten-Verband Gewerkschaft der Journalistinnen und Journalisten

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Ibiza-Video

Feuchte Autokratenträume

03.09.2020

Jetzt kam heraus, dass der damalige österreichische Vizekanzler Heinz-Christian Strache in dem Ibiza-Video auch über das Mediensystem schwadroniert hat, das er sich für die Alpenrepublik wünschte: so autokratisch wie in Ungarn, nur mit Bergen.

Ibiza-Video: "Rolle so wie Orban". Screenshot: DJV

Mehr als sieben Stunden lang ist das Filmmaterial, das unter dem Namen "Ibiza-Video" weltweit für Aufsehen sorgte, Österreichs Politik erschütterte, die FPÖ aus der Regierungsverantwortung und Heinz-Christian Strache ins politische Aus katapultierte. Nur ein Teil davon wurde veröffentlicht - mit den bekannten Folgen. Die österreichische Zeitung Kurier hat jetzt das komplette Material gesichtet und weitere Details enthüllt. "Ich will so eine Rolle wie Orban. Wir wollen eine Medienlandschaft ähnlich wie der Orban aufbauen", hat Strache laut Kurier gesagt.
Keine Frage: Schon vor dem Ibiza-Video hatten FPÖ-Politiker ihre Probleme mit kritischen Journalisten. Dass bei ihnen die Nerven blank lagen, zeigte FPÖ-Generalsekretär Harald Vilimsky überdeutlich, als ORF-Moderator Armin Wolf ihn mit kritischen Fragen konfrontierte und er sich in wilde Drohungen verstieg - live. Und Heinz-Christian Strache konnte sich auch nicht gerade über eine gute Presse freuen.
Mit seiner Vorliebe für autoritäres Regierungshandeln auch gegen die Medien steht Strache nicht allein. In dem Ibiza-Video drückt er das aus, was Populisten in aller Welt eint: Wer nicht für uns ist, ist gegen uns. Das gilt nicht nur in Parlamenten, sondern auch in der Öffentlichkeit. Kritik wird zur Attacke umgedeutet, Journalisten zu "Feinden des Volkes" erklärt, wie es der US-Präsident bereits mehr als einmal ausgedrückt hat.
Das Ibiza-Video hat Strache zu Fall gebracht, seiner Partei aber wohl nicht dauerhaft geschadet. Straches Vorbild Orban sitzt in Ungarn fest im Sattel. Andere Medienfeinde in höchsten Staatsämtern erfreuen sich nach wie vor großer Beliebtheit. Es braucht schon mehr als alkoholgeschwängerte Phrasen über die Einführung von Zensur, damit es richtig bebt. Leider - schließlich steht nichts Geringeres als die Meinungsfreiheit auf dem Spiel.
Ein Kommentar von Hendrik Zörner

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