Deutscher Journalisten-Verband Gewerkschaft der Journalistinnen und Journalisten

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Rechte Gewalt

Systematisch unterschätzt

08.12.2022

Nach den Razzien gegen Reichsbürger gibt sich die Öffentlichkeit erstaunt: Wie konnten potentielle Umstürzler so lange unerkannt unter uns leben? Während der Staat gegen sie endlich vorgeht, greift die rechte Alltagsgewalt weiter um sich.

Gewalt: nicht nur Reichsbürger. Foto: Bernd März Imago

Nancy Faeser gab gestern mehrere Interviews, in denen sie ihre Entschlossenheit betonte, den Worten vom Kampf gegen den Rechtsextremismus Taten folgen zu lassen. Diese Taten konnten sich sehen lassen: bundesweite Razzien bei Reichsbürgern und zahlreiche Festnahmen, darunter eine ehemalige AfD-Bundestagsabgeordnete. Mit dem Lesen von Lageberichten dürfte die Innenministerin vollauf beschäftigt gewesen sein. Sonst hätte sie vielleicht Zeit gefunden, die ausführliche Geschichte auf Stern plus zu lesen: "Wie Rechtsextreme und Wutbürger in Ostdeutschland Geflüchtete und Journalisten bedrohen". Aus Sachsen und Thüringen wird da berichtet, dass es längst normal ist, Journalisten zu verfolgen und anzugreifen. Ein Reporter, der anonym bleibt, spricht von der Unmöglichkeit, "in der sächsischen Provinz gefahrlos von rechten Demos zu berichten". Sein Fazit: "So viele Krisen - davon träumen Umstürzler."
Die Stern-Geschichte schildert auch, dass die Appelle an die Polizei, Journalisten zu schützen und die Pressefreiheit durchzusetzen, offenbar wenig gebracht haben. In einem Fall wurde gegen Journalisten ein Ermittlungsverfahren eingeleitet, weil sie sich mit Pfefferspray gegen Angreifer verteidigt hatten.
Die Reichsbürger sind beileibe nicht die einzige Gefährdergruppe, auf die der Staat achten muss. Es sind, zumindest im Osten, immer mehr "ganz normale" Bürgerinnen und Bürger, die ihren Frust über steigende Preise und Energiekosten an Journalisten auslassen. Dass die Kollegen nicht mehr berichten wollen, ist verständlich, kann aber nicht die Lösung des Problems sein. Es bleibt viel zu tun, Frau Faeser.
Ein Kommentar von Hendrik Zörner

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