Deutscher Journalisten-Verband Gewerkschaft der Journalistinnen und Journalisten

DJV Blog

#allesaufdentisch

Unappetitliches aufgetischt

30.09.2021

Nach der Aktion #allesdichtmachen von verschiedenen Prominenten kommt jetzt #allesaufdentisch. Was da serviert wird, ist teilweise schwer verdaulich.

Videos im YouTube-Kanal von #allesaufdentisch. Screenshot: DJV.

Mehr oder weniger prominente Schauspieler, Musiker und andere Künstler interviewen in der Reihe #allesaufdentisch über 50 zum Teil ausgewiesene, teils aber auch eher fragwürdige Experten aus verschiedensten Fachrichtungen. Die daraus entstandenen Videos teilen sie auf YouTube. Die Aktion erinnert an #allesdichtmachen von Ende April. Damals veröffentlichten Prominente Videos, die sich kritisch und angeblich ironisch mit den Corona-Maßnahmen der Regierung auseinandersetzten. Wie jetzt war auch damals Schauspieler Volker Bruch dabei.

Zum Thema "Faktenchecker" interviewte Bruch für #allesaufdentisch den Kommunikationswissenschaftler Prof. Dr. Michael Meyen von der LMU München. Der nannte den Verschwörungsideologen Ken Jebsen übrigens mal einen "professionellen Journalisten". Meyens Einlassungen sind dann auch nicht ganz das, was man von einem seriösen Experten zu dem Thema vielleicht erwarten würde. Unter anderem behauptet er, es gäbe ein internationales Netzwerk besagter Faktenchecker – ohne Belege dafür zu präsentieren. Als "Klartext" unter dem Video steht zusammengefasst:

"Faktenchecker sind Propagandamaschinen, die sich als Journalismus verkleiden. Das gilt auch für den Faktenfuchs des Bayerischen Rundfunks oder den Faktenfinder der Tagesschau, die es nur gibt, weil der öffentlich-rechtliche Rundfunk nicht den Pluralismus liefert, für den wir ihn eigentlich bezahlen."

Kleiner Faktencheck: Das ist natürlich ziemlicher Blödsinn. Gerade in der Corona-Pandemie haben die Faktenchecker von Faktenfuchs, Faktenfinder, Correctiv und anderen wichtige und großartige journalistische Arbeit geleistet.

Mit der Meinungsfreiheit beschäftigt sich das Video von Schauspieler Wotan Wilke Möhring und Rechtsanwalt und Publizist Joachim Steinhöfel. Laut Text unter dem Video glaube die Mehrheit der Deutschen, die Meinungsfreiheit in Deutschland sei in Gefahr. "Konformitätsdruck, soziale Ächtung, berufliche Risiken, Kontokündigungen wenn man den Mund aufmacht" [sic], heißt es da. Selbst ganz große Kaliber werden aufgefahren, wenn die "digitale Massenvernichtung freier Rede" beschworen wird.

Den Gegenbeweis liefern die Macher der Aktion gleich mit. Als Meinung können Meyen, Bruch, Möhring, Steinhöfel und die anderen das alles selbstverständlich verbreiten: Anders als in Ländern, in denen die Presse- und Meinungsfreiheit tatsächlich bedroht ist, verfolgt sie hierzulande niemand dafür, niemand verhaftet oder bedroht sie, niemand verbietet es – offensichtlich nicht mal der gesunde Menschenverstand. Es lebe also die Meinungsfreiheit! Die gilt aber umgekehrt ebenso für scharfe Kritik an solchen Äußerungen. Meinungsfreiheit bedeutete noch nie die Freiheit von Gegenrede – ganz im Gegenteil.

Ein Kommentar von Paul Eschenhagen


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