Deutscher Journalisten-Verband Gewerkschaft der Journalistinnen und Journalisten

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Huffington Post

1.000 verlorene Seelen warten auf ihre Chance

29.04.2013

Alles wird gut, denn endlich gibt es eine neue Internet-Plattform für die Elite.


In fünfzehn Minuten berühmt zu werden, ist nach wie vor Traum vieler Bürger. Trotz Abi, Studienabschluss und sonstiger endloser Bemühungen, irgendwo geistige Anerkennung zu finden, finden sich die meisten Bürger in Beschäftigungen wieder, die zwar hochkompliziert, aber eben das Gegenteil von kommunikativ sind. Der Geist ist drin, jetzt kann er nicht raus!

So wissen fürchterlich viele Leute also unheimliche Mengen von Zeug, nur los werden sie es nicht, denn nach Dienstschluss heißt es Einkaufen, Essen und ab ins Kino und all so ein Kram. In den Menschen der Spaßgesellschaft entsteht also eine Art intellektueller Überdruck.

Kein Wunder also, dass mit dem Internet und einfach zu erstellenden Blogs eine Art Ventil geschaffen wurde: Endlich können die Millionen mühsam ausgebildeter Menschen ihr Wissen vermitteln, direkt ins Internet, wo heutzutage (fast) alle sind.

Doch schnell stellt sich das nächste Problem: Trotz wunderbarster Texte schaut niemand vorbei. Es stellt sich also die Frage danach, doch irgendeine Plattform zu finden. Manche suchen ihr Heil auf Wikipedia und anderen kollaborativen Plattformen, bis sie auch dort von irgendwelchen mit besonderen Redaktionsrechten ausgestatteten Hypermenschen abgestellt werden. So geht die Suche weiter.

Kein Wunder also, dass Plattformen aus dem "Die Geschäftsidee"-Verlag für die Deutsche Wirtschaft, experto.de, florieren. Hier können Experten (ohne Honorar) auftreten und dabei hoffen, irgendwie bei irgendwem bekannt zu werden.

Aber es kommt noch dicker. Noch im Jahr 2013 will die Huffington Post auch in Deutschland starten. Schon aus den USA ist bekannt, dass sie kein Honorar zu zahlen pflegt. Geld bekommen allenfalls die Redakteure, die (Werbe-)Manager und der Eigentümer AOL. Schon unken einige, die HuffPo Deutschland werde die notwendigen 1.000 Blogger nicht finden, die kostenlos für HuffPo arbeiten müssten.

Weit gefehlt. Wir vom Amt für verlorene Seelen wissen, dass es überhaupt kein Problem sein wird. Nicht tausende, sondern Millionen intellektuell Überbedrückter warten auf ihre Chance, endlich (kostenlos) schreiben zu dürfen. Denn unter einem so starken Banner wie AOL (und dann im Grunde auch noch mit Stars and Stripes) aufzutreten, mit der ganzen Power der Noch-Weltmacht Nr.1, was könnte es Schöneres geben? Ohnehin, mit der klitzekleinen Hoffnung, irgendwann doch noch "entdeckt" zu werden, so als Ersatz für Frank Schirrmacher oder Helmut Karasek. Manche würden sogar noch dafür zahlen, keine Frage.

Was die Feuerwehrleute und andere Rettungskräfte können, also während der Arbeit noch "was mit Medien" zu machen und Bilder ab in die Redaktionen zu beamen, warum sollten das nicht die Abermillionen schreibkundiger Menschen tun? Zum Rettungsknipser, den wir schon haben, gesellt sich so der Bloggerbeamte. Oder Beamtenblogger. Beziehungsweise Rettungsblogger. Hauptberufliche freie Wortjournalisten, die vom Schreiben leben wollen - was für Dinosaurier! (Gleichwohl irgendwie sympathisch, wie die Dinos halt eben, mit Ausnahme Tyrannosaurus Rex)

1.000? Warum nicht gleich Millionen Bundesbürger, die für die HuffPo kostenlos arbeiten? Es muss sich bei den (bloß) 1.000 eher um die Planung einer Elite handeln. Wir werden schon bald Vorwürfe über Diskriminierung hören. Kritisiert werden wird die willkürliche Auswahl, nicht dagegen, dass kostenfrei zu bloggen wäre.

Aber ohnehin gilt für jeden schreibenden Menschen: "Man verdirbt sich die Seele allein von der Berührung mit Geld."

Meint jedenfalls Ihr

Alexander Alexandrowitsch Blog


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