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Urheberrecht

Google und die Verlage: Propaganda ohne Grenzen?

28.11.2012

Showdown ohne Gnade in Sachen Leistungsschutzrecht

Das Bild zeigt die Startseite von Google mit einem Link auf die Google-Kampagne gegen das deutsche Gesetz zum Leistungsschutzrecht

Mal keine Werbung für Android oder Telefone, sondern eine Anti-Kampagne auf Google


Auf der besten Position der Startseite der Print-FAZ, in der linken Spalte ganz oben, findet sich am heutigen Mittwoch, 28. November, Kritik an Google: Der Vorwurf lautet, Google platziere seine Kampagne gegen ein Leistungsschutzrecht auf der Startseite der Google-Suche und missbrauche seine marktbeherrschende Stellung damit für seine Ziele. Die Überschrift hat es dabei in sich: Google mache Propaganda, wird getitelt unter Bezugnahme auf eine entsprechende Pressemitteilung der Verlegerverbände.

Der Leser reibt sich die Augen. Google = Goebbels? Oder wie anders sollte das doch etwas belastete Wort Propaganda gemeint sein? Propaganda,  weil die Firma ihre eigenen Interessen zentral bekannt macht? Da stellt sich durchaus die Frage, wie denn dann die jahrelange Kampagne der Verleger pro Leistungsschutzrecht zu bewerten wäre, die besonders intensiv mittels F.A.Z. und diversen Blättern des Axel-Springer-Verlags geführt wurde. Veröffentlichungen von Verlegerjuristen ohne jede kritische - journalistische - Rückfrage oder Kommentierung, Übernahmen von Pressemitteilungen von BDZV und VDZ ohne jede Einholung von Gegenpositionen, was war denn das?

Beide Seiten schenken sich im Endkampf um die Einführung eines Leistungsschutzrechts rein gar nichts. Zwei große Gruppen von Marktmonopolisten im Showdown, begleitet von kleinen, direkt und indirekt finanzierten publizistischen Beibooten und jeder Menge Claqueuren.

Anlass für die extreme Verschärfung des Tons der jahrelangen Auseinandersetzung ist die erste Lesung des Gesetzentwurfs über ein Leistungsschutzrecht am 29. November im Bundestag

Einigen Netzpublizisten, die es eigentlich besser wissen müssten, werden nach wie vor (und nicht nur) die Augen feucht, wenn auch nur der Name Google fällt. Teilweise wegen des Stockholm-Syndroms: Sie schreiben oder reden als Netzpublizisten regelmäßig über neue "tolle Service-Angebote" von Google wie Google Plus, Google Mail, das sie zudem selbst oft und gerne kostenlos nutzen. Wie könnte Google da böse sein, zumal wenn die Verlage mangels vernünftiger Honorarpolitik als Auftraggeber für freie Autoren zunehmend ausfallen?

Was Google auf seiner Startseite macht, ist freilich nichts Neues. Machtmissbrauch ohne Grenzen - das zeigt sich schon, wenn auf der Suchmaschine das eigene Betriebssystem Android oder ein Google-Telefon zentral beworben wird, setzt sich aber in vielen Facetten fort. Mit wenigen Änderungen in der Suche kann Google ganze Firmen vernichten, wissen Internetvermarktungsexperten. Faire Suche ist etwas anderes. Erstaunlich, dass dies den deutschen Verlagen erst jetzt auffällt, wo die eigenen Interessen auf dem Spiel stehen.

Google ist böse, aber jeder, der den miserablen Umgang deutscher Verlage mit seinen Autoren, vor allen den freien Journalisten kennt, sagt Gleiches über die deutsche Verlagswirtschaft. Das Niveau der Auseinandersetzung zeigt das Profil beider Seiten: Im Kampf ums Geld und Positionen in der Politik geht es um die Existenz. Google will die absolute Macht, die Verlage wollen sie.

Was Google macht: billige Tricks. Nicht nur mit Platzierungen von Themen auf der Startseite, sondern auch mit der Finanzierung des Google-Instituts in Berlin, diversen Internetbuden und reisenden Lobbyisten rund um die Lobbyseite IGEL. Das ist alles sehr billig mit sehr viel Geld gemacht, aber hier den historisch belasteten Begriff Propaganda zu verwenden, geht sicherlich zu weit.

Die Politik sollte sich angesichts des Kampfes zweier großer Wirtschaftsgruppen vielleicht besser auf eine neutralere Seite stellen: die der Urheber. Würde die Geltendmachung eines Leistungsschutzrechts in die Zuständigkeit einer Einrichtung fallen, bei der die Urheber zumindest paritätisch vertreten wären, würde die Verlagsmacht nicht so dramatisch wachsen, wie es bei einer direkten Zuordnung der Rechte an die Verlage der Fall wäre. Eine einseitige Gesetzgebung zugunsten von Verlagskolossen nützt niemanden.


Michael Hirschler, hir@djv.de



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