Deutscher Journalisten-Verband Gewerkschaft der Journalistinnen und Journalisten

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Grille des Tages

Autorenjournalismus geht (noch) nicht

25.11.2012

Eine Branche, die permanent Debatten über Sinn und Notwendigkeit der eigenen Existenz führt, hat möglicherweise den Begriff von sich selbst verloren.


In der heutigen Sonntags-F.A.Z. (Ausgabe vom 25.11.) widmet sich Mitherausgeber Frank Schirrmacher der (Dauer-)Debatte über die Zukunft des Journalismus.

Der unausgesprochene Anlass für seinen Beitrag ist natürlich die Schließung der Financial Times Deutschland, durch die das Wörtchen Medienkrise wieder aktuell geworden ist, auch wenn der Totensonntag ebenfalls als Anlass für einen Artikel über (Qualitäts-)Journalismus dienen könnte.*

Im Beitrag, der - wie üblich - irgendwie alles auf einmal sagen will und - wie so oft - zugleich vieles nicht zur Sprache bringt, wird die Existenz einer Medienkrise als Medien-Hype abgetan, weil die FTD eben noch nie Geld verdient habe.

Zentral steht die These, dass das eigentliche Problem darin liege, dass die Medien mit dem Internet nicht fertig werden. Dort machten nur die Großunternehmen der Netzwirtschaft das Geschäft. Tragfähige Modelle für Internetautoren, aber auch Verlagsunternehmen seien nicht in Sicht. Wer im Internet als Autor durch eigene Plattformen bzw. Dienste Geld verdienen will, praktiziert demnach Selbstausbeutung ohne Zukunftsaussichten. Der Journalismus ist demnach in akuter Gefahr. Die Netzunternehmen manipulieren die Wahrheit und würden – Beispiel Apple im iBook-Store – sogar Buchtitel wie „Vagina“ zensieren.

Dabei gibt Schirrmacher in seinem Beitrag nicht gerade das beste Beispíel für Qualitätsjournalismus ab: Er bezeichnet die kanadische Globalisierungskritikerin Naomi Klein als Autorin von „Vagina“, dabei war es die New Yorker Feministin Naomi Wolf. Es darf geschmunzelt werden: Die Verwechslung, eine Folge von zuviel Multitasking im Feuilleton?

In diesem Zusammenhang der Rat für alle Autoren: Wenn in Zukunft das Thema auf eine Autorin mit Vornamen Naomi kommt, bitte immer Fact-Checking machen. Die Autorin Naomi Klein ist schon leidgeprüft in dieser Hinsicht, der Herausgeber aus Frankfurt bei weitem nicht der erste, der sich bei der Namenswahl vergriff.


Jenseits grober Schnitzer bei Autorennamen stellt sich auch noch die Frage, ob der Autor nicht ein wenig zu sehr dem Untergang des publizistischen Abendlandes frönt. Denn in der Netzwirtschaft gibt es neben den Mastodonten wie Google und Facebook durchaus einige Modelle, wie Autoren Geld verdienen können. Dabei ist nicht die Rede von dem halben Dutzend Internetverkäufern und Regionalbloggern, die jedes zweite Podium der Medienwirtschaft besetzen und mehr reden als Geld verdienen (wobei allerdings auch mit solchen Auftritten Geld verdient werden kann…), sondern von Medienmachern, die jeden Tag Onlinemedien im Lokalen, in ihren Fachgebieten betreiben, oft verbunden mit kostenlosen Newslettern oder auch kostenpflichtigen Intranet- und Mailservice-Angeboten. Diese – oft unauffälligen, leisen, weil vielbeschäftigten – Medienprofis haben im Kleinen neue, kreative Angebote eingerichtet, die sich über Anzeigen und/oder Abonnenten finanzieren. Und nicht jede Online-Abteilung von Medienunternehmen ist noch in roten Zahlen.

Zukunft des Journalismus? Schon heute gibt es viele Bürger, die sich die wirklich relevanten Informationen aus dem Internet ziehen müssen. Sei es, weil die Zeitungen sich die Investition in Beiträge freier Journalisten sparen (nachzulesen beispielsweise im Kiek An, dem Magazin des DJV MeckPomm, in dem das Leiden eines Freien im Norden geschildert wird), sei es, weil die Redaktionen auf Anweisung ihrer Geschäftsführung kontroverse Themen nicht anpacken. Das Beispiel einer Lokalredakteurin in Süddeutschland, der gekündigt wurde, weil sie über eine Betriebsratsgründung bei Lidl schrieb, ist noch in Erinnerung. Über Lidl-Betriebsräte schreibt die Zeitung nicht, denn Lidl ist doch ein unverzichtbarer Anzeigenkunde, schaltet oft ganzseitig Werbung.

Das Lidl-Prinzip ist bei manchen Verlagen bekanntlich sogar arbeitsvertraglich fixiert. Der Axel Springer Verlag hat sogar die Freundschaft mit ganzen Staaten im Arbeitsvertrag untergebracht, und die Rechtsprechung der Arbeitsgerichte erlaubt die Kündigung von Redakteuren wegen Verstoß gegen die Tendenz von Medienhäusern. Kein Wunder, dass sich der informierte Bürger da gerne noch einmal im Internet abgleicht, wo sich nicht selten der eigentliche Hintergrund von politischen Ereignissen findet. Das Netz ist heute der Hort der Meinungsfreiheit, kein Wunder, dass es freiheitsfeindliche Regimes in den Fokus nehmen. Zeitungen und oder Rundfunkmedien kann man kaufen, das Internet dagegen muss zensiert werden.

Weil es im Netz noch mehr Freiheit gibt, auch Freiheit für Spezialinteressen, und Freiheit für guten Journalismus, ist es damit auch ein potenzielles Geschäftsmodell. Viele freie Medienmacher sind schon unterwegs, und was sie brauchen, sind ganz bestimmt keine Untergangsszenarien. Michael Hirschler, hir@djv.de



*Der Beitrag könnte allerdings auch als Apologie des Leistungsschutzrechts der Verleger gemeint sein
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