Deutscher Journalisten-Verband Gewerkschaft der Journalistinnen und Journalisten

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Urheberrecht

„Die freien Journalisten wollen doch nur Kohle!“

20.06.2013

Über die Vorstellungen der Verlage



Dieses Bild durfte der DJV den Verlagsvertretern per Powerpoint servieren



„Die Freien meinen, wenn sie vom Urheberrecht reden, doch nur, dass sie mehr Geld wollen“, so lautet die (vornehme) Übersetzung der Wortmeldung einer Verlagsvertreterin auf einer gerade stattgefundenen juristischen Fachtagung eines (sic!) Verlagshauses.

Diese Aussage war als Vorwurf gemeint. Was die Verlagsvertreterin sagen wollte: Die Freien (und ihre Verbandsvertreter) sollten aufhören, mit Urheberrecht und Nutzungsrechten zu argumentieren, das seien nur juristische Winkelzüge, in Wirklichkeit wollten die Freien nur (mehr) Geld, das allerdings nicht da sei.

Urheberrecht und Nutzungsrechte als juristischer Winkelzug ist natürlich aus dem Munde einer Juristin ein interessanter „Vorwurf“. So gesehen, könnte man schlichtweg alle Rechtsansprüche zu Winkelzügen erklären.

Richtig spannend ist allerdings, dass es offensichtlich Leute gibt, die der Meinung sind, die Berufung auf Urheberrecht und Nutzungsrechte sei eine unberechtigte Positionierung der Freien.

Ein anderer Verlegervertreter brachte es auf der gleichen Tagung wie folgt auf den Punkt: Die Freien müssten einfach die gleichen Nutzungsrechte wie die Redakteure einräumen, also (seiner Meinung nach) einfach alle für einen pauschalen Preis. Alles andere sei „zu kompliziert“ und kein Mensch (in den Verlagen) würde andere Regelungen überhaupt nur verstehen können.

Der Vergleich mit einem anderen Wirtschaftsbereich kann vielleicht besser illustrieren, was die deutschen Verlagsvertreter da für eine bizarre Meinung vertreten:

Nehmen wir an, der Verlegerverband würde seine Jahrestagung in einem Hotel durchführen, mit der notwendigen Buchung von Tagungssaal, zusätzlichen Tagungsräumen für parallel tagende Fachgremien sowie das Restaurant und für den weiteren Abend die Bar.

Stellen wir uns das Preisgespräch vor:

Hotelreservierung: „Saal macht 2.000 Euro, fünf Räume à 500 Euro macht 2.500 Euro, Bewirtung im Restaurant 120 mal 40 Euro macht 4.800 Euro, Bar wird einzeln mit den Gästen abgerechnet.“

Verlagsvertreter: „Wie? Sie wollen nach einzelnen Räumlichkeiten und Essen abrechnen? Das ist ja ungeheuerlich. Wir zahlen Ihnen einen Pauschalpreis! Sagen wir, 5.000 Euro!“

Hotelreservierung: „Wenn wir einzeln abrechnen, liegen wir bei 9.300 Euro. Wir können Ihnen einen Rabatt einräumen, aber unter 7.000 Euro geht es wirklich nicht!“

Verlagsvertreter: „5.000 Euro ist vollkommen angemessen. Ihr Rabatt ist gar kein Rabatt, weil Ihr Preis von 9.300 Euro auf einer willkürlichen Bemessungsgrundlage berechnet wurde!“

Hotelreservierung: „Wir berechnen Ihnen nichts willkürlich. Wir haben eine klare Preisliste, was Räumlichkeiten und Essen kosten! Davon ausgehend, können wir in der Sonderfällen rabattieren.“

Verlagsvertreter: „Ihre Preisliste ist willkürlich. Räume und Essen haben keine statischen Preise und auch keinen absoluten Wert. Ihr Hotel ist vermutlich schon bei der Bank abbezahlt. Alles, was jetzt in Ihrem Hotel stattfindet, ist Gewinn für den Hotelbesitzer. Daher orientieren wir uns nicht an Ihren Preisen, Räumen und Essen, sondern bieten Ihnen eine Pauschale. Wir können ja auch woanders tagen!“

Hotelreservierung: „Wir können hier in der Hotelreservierung die Preise nicht aus dem Nichts schöpfen. Wir arbeiten immer auf Grundlage von gebuchten Räumen und Speisen!“

Verlegervertreter: „Und was ist, wenn fünf Leute mehr kommen und wir vielleicht noch in einen sechsten und siebten Tagungsraum ausweichen müssen?“

Hotelreservierung: „Dann melden Sie uns das und wir berechnen Ihnen das anteilig hinzu!“

Verlegervertreter: „Das ist ja ungeheuerlich. Eine solche Bürokratie! Damit ist ja eine Tagung für uns bei Ihnen praktisch gar nicht durchführbar, wenn wir uns permanent mit Ihnen abstimmen müssen!“

Hotelreservierung: Legt auf.

Langer Geschichte kurzer Sinn: Wenn Freie mit Nutzungsrechten arbeiten als Argument und im Extremfall auch vor Gericht, dann liegt das daran, dass sie genau wie das oben dargestellte Hotel eine Berechnungsgrundlage benötigen. Die Preisschöpfung aus dem „Nichts“ ist ihnen nicht möglich, es würde sie rechtlos stellen.

Hinzu kommt: Für Freie ist die Möglichkeit der Mehrfachverwertung eines Beitrags eine wichtige Grundlage für die Preiskalkulation. Ein schlechtes Honorar bei einem ersten Abnehmer kann gerade noch hinnehmbar sein, wenn das Bild noch parallel am gleichen Tag oder in den nächsten Tagen, vielleicht auch noch die nächsten Jahrzehnte verwertet werden kann. Die Frage, wie Nutzungsrechte „konfiguriert“ sind, also dem Abnehmer nur für einmalige oder aber ausschließliche Nutzung zustehen, ist daher ein wichtiger Punkt bei den Absprachen mit Medien und anderen Nutzern.

Natürlich könnte der Preis der Arbeit anders bemessen werden, beispielsweise nach Stundenaufwand, Tages- oder Monatspauschale. Nur: Die meisten Auftraggeber wollen diese Abrechnung nicht, weil ihnen der Aufwand für die Beiträge der Freien egal ist oder sie diesen nicht kontrollieren wollen oder können. Dort, wo eine (vor allem Monats-)Pauschale gezahlt wird, ist sie übrigens auch im Regelfall viel zu niedrig. Und auch bei der Bemessung einer solchen Pauschale ist wiederum entscheidend, welche Nutzungsrechte dem Freien verbleiben.

In Frankreich gibt es seit den siebziger Jahren das „Cressard-Gesetz“ (Loi Cressard). Dieses Gesetz sieht (in der Tat) vor, dass Freie wie Redakteure zu behandeln sind. Das heißt aber auch, dass sie, wenn sie einen Tag arbeiten für die Redaktion, ein Fünftel des anteiligen Tagesgehalts eines Redakteurs erhalten plus die entsprechenden tariflichen und gesetzlichen Sonderleistungen wie etwa anteiliges Urlaubsentgelt. Das würde dann vermutlich für Deutschland heißen, dass Freie pro Tag rund 350 Euro Tag Honorar erhalten müssten, ein Monatspauschalist sicherlich rund 6.000 Euro.

Darüber könnte man sprechen. Aber auch bei einer solchen Abwägung und Diskussion über pauschale Honorare wäre immer noch zu klären, ob Nutzungsrechte wirklich für alle Zeiten an den Verlag übergehen, wenn er viele Rechte nicht braucht.

Der Verlegerverband kann sich ja schließlich auch keinem Hotel der Welt zeitlich unbegrenztes Tagungskontingent anmieten - jedenfalls bei seinen bekannten Preisvorstellungen.

Am Ende erinnert die Argumentation der Verlagsvertreter oft nur an die der Piratenpartei: Nutzungsrechte braucht kein Mensch mehr, Flatrate oder gar nichts zahlen. Offizielle Gegner im Meinungskampf, sind sie doch Brüder im Geiste.



Michael Hirschler, hir@djv.de





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