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Medienförderung

Google-T(r)opf oder besser eine Bank für die Medien?

04.05.2015

Google will europäischen Medien 150 Millionen Euro zur Verfügung stellen. Große Medienhäuser arbeiten bereits an Googles "Digital News Initiative" mit, auch wenn noch unklar ist, nach welchen genauen Kriterien das Geld verteilt wird.

Bekommen in erster Linie die großen Medien Unterstützung für Projekte, gibt es eine umsatzorientierte Staffelung von Zahlungen? Oder werden besonders Startups aus dem Medienbereich, unabhängig von der Finanzausstattung der Gründer beteiligt? Was gilt für Genossenschaften oder auch gänzlich freie Journalisten, die ambitionierte Medienprojekte planen? Müssen diese zusehen, wie die ohnehin finanzstarken Medienhäuser mit Mitteln von Google ihre Marktmacht weiter zementieren? Wie neutral wird die Initiative gegenüber freien Medienprojekten sein können, wenn in ihr Google und die traditionelle Verlagswirtschaft das Sagen haben?

Die Pressemitteilung von Google verspricht sehr blumig etwas für alle. Medienhäuser, Startups, alle, die im Online-Nachrichtenumfeld arbeiten, sollen etwas bekommen. Und wer es nicht tut, bekommt dennoch Geld, denn Google verspricht neben Stipendienprogrammen für Journalisten auch neue "Tools" für Journalisten.

Dennoch gibt es viele Fragen. Dazu gehört auch die Überlegung, wie erbärmlich es eigentlich für die europäische Medienwirtschaft ist, wenn sie sich bereitwillig von einer Firma Geld schenken, geben oder leihen lässt, die nicht einfach nur irgendeine Technikfirma ist, die viel Geld hat. Google ist schließlich, auch wenn manche Medienleute das bis heute nicht zugeben wollen, die größte Medienfirma der Welt. Die Suchmaschine Google ist längst nicht mehr nur ein technisches Angebot, sondern mit den vielen damit verbundenen Angeboten von Google News über Google Books bis zu YouTube für viele Menschen dasjenige Medium, das sie am häufigsten nutzen.

Seit wann sollte es wirklich sinnvoll sein, sich vom größten Wettbewerber fördern zu lassen? Vor allem, wenn ein Teil des Angebotes darin besteht, neue Projekte mit Hilfe von Google zu betreiben? Sinnvoll für Google ist die Initiative natürlich - auf diese Weise erfährt die Firma direkt alles über innovative Geschäftsideen und erhält dabei unter Umständen auch die Daten von Medienbetrieben quasi frei Haus. Es fällt schwer, hier nicht an ein Danaergeschenk, vulgo: ein trojanisches Pferd zu denken.

Auch die Umstände der Schenkung/Stiftung sind eher peinlich. Kaum lässt die Europäische Kommission vermelden, dass sie die Marktmacht von Google kritisch überprüfen will und nationale Urheberrechtsregelungen wie das Geoblocking durchaus anerkennt, da teilt Google Geld an Medien aus. In anderen Fällen würde man diese Geldspende unter solchen Umständen, käme das Geld beispielsweise von Gasprom oder der Russischen Föderation, kritisch als PR-getriebene "Umfeldpflege" bezeichnen und zurückweisen. Doch Stolz und Streben nach Unabhängigkeit scheinen einige Verlage nicht zu kennen, wenn es um Geld geht.

Schließlich sind der Geldbetrag, um den es geht, und die Form, in der es irgendwie verteilt werden soll, letztlich nur als jämmerlich zu bezeichnen. 150 Millionen Euro einmalig und für ganz Europa, das hört sich für manchen freien Medienmacher, der es nicht einmal schafft, für sein Projekt 3.000 Euro im Monat von Abonnenten zusammenzukratzen, enorm an. Für die Firma Google ist es eine kleine Summe, die unter dem Posten "Gelungene Public Relations" verbucht werden kann. Für eine nachhaltig arbeitende Medienindustrie genügt ein solcher Einmalbeitrag natürlich in keiner Weise, wenn es um wirkliche Modernisierungen ginge.

Doch nicht nur die Höhe, sondern auch die Form ist eher peinlich: Eine Einrichtung von Google entscheidet über die Geldverteilung. Wenn eine echte Förderung der Medienindustrie beabsichtigt wäre, dann würden 150 Millionen Euro nicht einfach durch eine Stiftung verteilt werden, sondern sie würden als Teil der Grundfinanzierung einer Kreditbank verwendet werden, einer regelrechten "Kreditanstalt für den Wiederaufbau der Medienlandschaft".

Natürlich dürfte das Geld für eine solche Bank nicht allein und auch nicht überwiegend ausgerechnet von Google kommen, sondern die öffentliche Hand und/oder andere, verlagsunabhängige Investoren müssten das Mehrheitskapital mobilisieren. Ausgestattet mit einem Grundkapital von einer halben Milliarde Euro könnte eine solche Kreditbank dann schon einiges bewegen. Zusammen mit Garantien der Europäischen Kommission, des Bundes und der Länder könnte diese Medienbank Milliardensummen bewegen und solche Projekte befördern, die echten Wettbewerb in den Medien (wieder) möglich machen, an Stelle des jetzt geplanten Google-T(r)opfs.

Natürlich könnte man sich überlegen, ob die Gründung einer solchen Spezialbank überhaupt erforderlich ist, schließlich gibt es in Deutschland schon eine Kreditanstalt für Wiederaufbau, die KfW-Bankengruppe. Dort existieren schon heute zahlreiche Kreditprogramme, mit denen einiges an Gründerideen finanzierbar ist. Das gilt auch für die Ideen freier Journalisten.

Eine Bank als Lösung für die Strukturkrise der Medien? Hier wird der Einwand kommen, dass hier die Kreditfalle droht. Etwa nach dem Muster der einstmals populären Mikrokredite des Wirtschaftswissenschaftlers Muhammad Yunus, der international Ideengeber für Kleinstkreditprogramme war. Seine Kleinstkredite sollen nach Medienberichten in den letzten Jahren zahlreiche der Kreditnehmer in Indien und anderswo in den Selbstmord getrieben haben, weil sie auch diese scheinbaren Kleinstbeträge nicht zurückzahlen konnten. Würde eine Kreditfinanzierung von Medien nicht das gleiche Risiko bedeuten? Die Medienbank als Selbstmordmaschine? Wäre da die Stiftung, die Geld verschenkt, nicht besser?

Doch wer kann andererseits ernsthaft dafür eintreten, dass Medienprojekte gefördert werden, für die offenbar niemand etwas zahlen will? Ist es nicht auch ein guter Ansporn, wenn Medienmacher sich überlegen müssen, worin der Mehrwert ihrer Publikation liegt? Sollte nicht am Anfang einer Geschäftsidee die Überlegung stehen, warum jemand hierfür Geld hinlegen würde?

Eine Bank für die Medien hätte den Vorteil, dass von vornherein nur solche Projekte an den Start gehen, die eine hinlängliche Erfolgswahrscheinlichkeit hätten. Denn auch für Gründer ist es wenig hilfreich, wenn Geld für Projekte bekommen, von denen jeder hinter vorgehaltener Hand sich erzählt, dass es nicht funktionieren kann. Eine Stiftungsindustrie, die Medien erzeugt, die niemand haben will, verschwendet auch wertvolle Lebenszeit von Gründern, - unter Umständen sogar kalkuliert, damit sich die Stiftungsgeber als Mäzene darstellen und zugleich echte Konkurrenz vom Leib halten können.

Wenn eine Medienbank gegründet würde, wäre sicherlich einiges zu überlegen. Etwa Regelungen, mit denen Haftungsfreistellungen für Gründer ohne Kapital angeboten werden, beispielsweise im Austausch gegen Minderheitsbeteiligungen an den Gründungen, eine der Möglichkeiten, eine Yunus-Kreditkatastrophe zu verhindern. Die Verpflichtung, einen bestimmten Teil des Umsatzes in langfristige Beteiligungsprojekte zu investieren, ohne kurzfristigen Gewinnerwartungen entsprechen zu müssen. Zu klären wäre am Ende auch die Frage, wie Aufsichtsgremien und Abteilungen personell so besetzt sind, dass die Kreditvergabe den Interessen der gesamten Gesellschaft und Wirtschaft dient und nicht nur der traditionellen Verlagsbranche oder wiederum von Firmen wie Google & Co. Eines scheint in jedem Fall klar: Mit Stiftungen, die am Tropf großer Medienunternehmen hängen, werden wirklich erfolgreiche alternative Projekte und eine echte Medienfreiheit nicht gelingen.

Die Schlussfrage ist allerdings, wie viele der traditionellen Medienfirmen wirklich innovative Projekte betreiben wollen. So unbefangen, wie sie sich an Googles Manna bedienen, scheinen sie eher ein gemütliches Rentnerdasein anzustreben. Konzerne wie Google, Facebook, Apple und Amazon schaffen so gesehen aktiv die neue Medienwelt, die Alt-Medien bleiben passiv, lassen sich Alibi-Modernisierungen durch die Newcomer bezahlen und kassieren über gesetzliche Abgaberegelungen wie das Leistungsschutzrecht (ein wenig) ab. Wenn das vielleicht am Ende die wahre Mentalität der Verlagshäuser ist, kann auch eine aufwändig gegründete Medienbank nicht helfen. Angesichts dieser und anderer Geschichten mag sich da mancher nur noch ratlos abwenden und leise murmeln: Seattle, übernehmen Sie.


M. Hirschler (hir@djv.de)
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