Deutscher Journalisten-Verband Gewerkschaft der Journalistinnen und Journalisten

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Weißrussland

Worin der Sinn von Strafen für Medienarbeit liegt

12.06.2015

Unser Stammautor Alexander A. Blog entpuppt sich als Kultur-Coach


Kürzlich traf ich meinen alten Freund Konstantin, mit dem ich seinerzeit Journalismus studiert hatte. Wir beide sind schon eine besondere Art von Herumtreibern. Mich hat es seit jenen Tagen unserer Jugend in die preußische Sandwüste, oder klarer gesagt, nach Berlin verschlagen, er dagegen sitzt weiter östlich im Sumpfland, will sagen, Weißrussland, beziehungsweise Belarus, wenn wir mal ganz korrekt formulieren wollen.

Nun, kürzlich begegnete ich ihm zufälligerweise am Alexanderplatz hier in Berlin. „Konstantin“, rief ich, wie läuft´s bei Dir mit dem Journalismus in Belarus?“ (Ich plaudere stets ohne Umschweife über die Arbeit - sie müssen wissen: so als Mann hat man grundsätzlich ein Problem damit, über irgendetwas Persönliches zu sprechen, und als Journalist interessiert man sich ohnehin im Leben nur für den Journalismus).

„Alexander, es sieht ganz übel aus!“ beklagte sich Konstantin. „Wir müssen neuerdings ständig dafür zahlen, wenn wir als freie Journalisten arbeiten wollen!“

„Wie, zahlen?“

„Es ist die neue Mode. Immer, wenn Du für einen Sender arbeitest, den die Regierung nicht mag, wirst Du angeklagt und zahlst dann umgerechnet bis zu 1.000 Euro. Wer nicht für ein zugelassenes Medium arbeitet, beteiligt sich an unerlaubter Produktion von Massenmedien und wird bestraft!“

Ich war überrascht: „Es gibt in Belarus noch unerlaubte Massenmedien? Wer hat das denn erlaubt?“

Konstantin konnte nicht lachen: „Zum Beispiel der Fernsehsender Belarus. Der sitzt in Polen, da kommen sie nicht dran. Und dann natürlich Leute, die Websites betreiben. Alles illegal, für die zu arbeiten!“

Nun, ich dachte nach. Ich versuchte, ihn zu trösten: „Konstantin, vielleicht ist das gar nicht so unvernünftig gemeint!“

„Wie, nicht unvernünftig?“ fragte Konstantin erstaunt.

„Nun, ich kann mir eigentlich nicht vorstellen, dass das wirklich böse gemeint ist. Ich meine, Euer Präsident, der Herr Lukaschenko, der ist doch eigentlich so ein ganz jovialer, großväterlicher Typ, der alles mit großer Ruhe macht und immer so zwischen Ost und West hin und her laviert. Also ganz anders als Herr Putin, dem man eigentlich ständig den Handkantenschlag zutraut und der einen sofort auf den Boden wirft, wenn man ihm den Rücken zuwendet.“

„Worauf willst Du hinaus, Alexander?“

„Nun, vielleicht will der Präsident Euch nur schützen, Euch Freie!“

„Wie, schützen?“

„Nun, sieh es einmal so. Überall in Europa haben die freien Journalisten Riesenprobleme. Sie verdienen nur Hungerhonorare, haben keinen sozialen Schutz und auch immer weniger Auftraggeber. Da kommt der Herr Lukaschenko und sagt: Geht ja gar nicht. Also, geht ja gar nicht, das mit dem freien Journalismus. Das verbieten wir also einfach!“

„Alexander, das ist absurd, wem würde denn auf so eine Argumentation einfallen?“

„Dem Präsidenten, das ist doch klar! Er sorgt sich um die Journalisten und tut alles dafür, dass erst gar kein Prekariat entstehen kann, und auch keine verhungernde digitale Medien-Bohème!“

„Aber Alexander, das würde ja heißen, entweder ich muss eine Anstellung bei einem staatlichen Medium erhalten oder aber den Journalismus einstellen!“

„Es gibt eine dritte Option!“

„Was für eine dritte Option?“

„Du wanderst aus!“

„Alexander, Du empfiehlst mir, auszuwandern? Alle freien Journalisten sollen auswandern?“

„Nun, Konstantin“, gab ich zu bedenken, „es wandern doch sowieso so viele Menschen aus. Warum also sollten gerade die freien Journalisten zu fein dazu sein, wenn sie schon nicht angestellt arbeiten wollen, eben auszuwandern?“

„Aber wohin auswandern? In ganz Europa gibt es doch auch Probleme mit der Arbeit, und Du sagst ja selbst, bei den freien Journalisten ist es sogar noch am schlimmsten!“

„Wenn alle Auswanderer so ein Sicherheitsdenken wie Du hätten“, belehrte ich Konstantin vorwurfsvoll, „dann gäbe es heute weder die USA, noch Australien oder Brasilien! Außerdem sind freie Journalisten doch Unternehmer, und mit Unternehmungsgeist wird das schon gelingen!“ 
 
„Das ist für mich ausgeschlossen, ich laufe nicht einfach weg!“ protestierte Konstantin hartnäckig.

„Auch gut! Dann musst Du in die geistige Welt auswandern!“

„Wie bitte?“

„Übe Deinen freien Journalismus einfach im Kopf aus! Erstell Deine eigene unabhängige Zeitung in den Gedanken, oder schreib über die Erscheinungen der Wirklichkeit um Dich herum einen Roman oder auch ganz viele Kurzgeschichten!“

„Das hört sich bizarr an, Alexander!“

„Die Emigration in die Kultur ist doch nichts Neues, Konstantin! Seit Jahrtausenden sind die großen Kunstwerke von Menschen erzeugt worden, die in Politik und Gesellschaft nichts zu sagen hatten! Aus Frustration flüchteten sie in Literatur, Karikatur und Malerei, wo sie die berühmtesten Werke schufen. Das ist auch Deine Chance!“

„Du meinst, wir freien Journalisten in Belarus werden einfach alle bald große Künstler sein?“

„Richtig. Ihr müsst nur aufhören zu versuchen, Journalismus in der Außenwelt zu betreiben. Geht in die Innenwelt, macht einfach Kunst!“

Konstantin dachte angestrengt nach. Dann löste er sich: „Alexander, Du bist genial. Du hast mir die Augen geöffnet, wohin ich mich orientieren muss!“ Er strahlte jetzt, lud mich zu einem Umtrunk in einem Café ein, und bald verabschiedeten wir uns in bestem Einvernehmen.

Nun, ich erlaube mir zu sagen, dass ich es eigentlich verdient hätte, mit einem Art Kulturpreis bedacht zu werden. Ich motiviere die Menschen um mich herum, sich ganz dem Kunstschaffen zu widmen! Vielleicht werde ich mich demnächst sogar ganz offiziell als eine Art Kultur-Coach selbständig machen. Denn ganz unter uns: Das mit dem freien Journalismus, das läuft ja auch hierzulande nicht so umwerfend, dass eine erwachsende Person das dauerhaft machen könnte.

Deswegen meine Devise: Verzweifeln wir nicht am Journalismus, sondern leben ihn träumerisch, in der Fantasie, der wahren Welt!


Alexander A. Blog


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