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Was sind Fake News und wie gehe ich als Journalist*in damit um?

08.04.2019

Fake News par excellence: Hitlers Tagebücher – und wie wir heute gegen Falschnachrichten vorgehen können Isa von Heyl (Head of Video & Audio stern) und Swen Thissen (Head of Social Media stern)

Bei dem zweiteiligen Workshop Fake News par excellence wurde die Produktionsgeschichte des Podcasts Faking Hitler von Isa von Heyl im Detail dargestellt. Beim zweiten Teil beschäftigte sich Swen Thissen mit dem Phänomen Fake News und ihren verschiedenen Erscheinungsformen. Dabei wurden inspirierende und von Stern produzierte Formate und Artikel vorgestellt, die über bestehende Falschnachrichten Bewusstsein schaffen. Faking Hitler: die wahre Geschichte der gefälschten Hitler-Tagebücher erzählt die Entstehungsgeschichte der gefälschten Hitler-Tagebücher anhand der Originaltonbandaufnahmen aus den 80er Jahren zwischen dem Journalisten Gerd Heidemann und dem Fälscher Konrad Kujau. „Die Aufnahmen, die als 'Dokumente der Zeitgeschichte' betrachtet werden, wurden innerhalb von drei bis vier Monaten in Echtzeit digitalisiert.“  „Es war schwierig, die Tonbänder von Herr Heidemann zu bekommen. Er ist zu Recht ein misstrauischer Mensch, ein gebranntes Kind - selber schuld müsste man sagen. Er fand es am Anfang nicht gut, dass wir die Tonbänder veröffentlichen wollen. Er hat aber ein Interesse gehabt, seine Geschichte zu erzählen, weil ihm so lange aus seiner Sicht keiner zuhörte.“ Nach dem Erhalt der Zusage von Heidemann sowie der Chefredaktion beschäftigte sich Isa von Heyl mit dem Format Podcast. Sie lässt sich unter anderen von amerikanischen Podcast-Serien wie Dirty John oder von deutschsprachigen Serien wie Dunkle Heimat inspirieren: „...ein Podcast von Antenne Bayern, den ich wirklich empfehlen kann. Das war der erste Podcast, der eine True-Crime-Geschichte hier in Deutschland erzählte.“ Anschließend lernen sich die Macher der True-Crime-Serie Dunkle Heimat und Isa von Heyl kennen. Isa stellt das Projekt vor und sie schließen sich gerne an. Heute stellt sich das Team als „die Köpfe hinter dem Podcast Faking Hitler vor: Isa von Heyl, Malte Herwig, Nilz Bokelberg, Maria Lorenz und Frida Morische. Die Entscheidung, die Serie in 10 Folgen und wöchentlich herauszubringen, wurde nach der Teambildung getroffen. Die Macher entschieden sich auch dafür, die Geschichte der Fälschung chronologisch zu erzählen. „Es war nie seine Absicht, betrügerisch vorzugehen.” So ergänzte Swen Thissen die Aussagen seiner Kollegin Isa von Heyl über den Journalisten Gerd Heidemann. „Er dachte, er hätte die größte Geschichte des deutschen Journalismus aller Zeiten schreiben können, wenn es keine Fälschung gegeben hätte. Der Workshop wurde mit einem sogenannten Deepfake-Video von BuzzFeed weitergeführt. Der US-amerikanische Ex-Präsident Barack Obama warnt über die Zeiten des Internets, wo man ihn Dinge sagen lassen kann, die er nie sagen würde. Anhand eines Split-Screen-Effekts erfahren wir, dass der Schauspieler und Regisseur Jordan Peele eigentlich gerade mit uns redet. Im zweiten Teil des Workshops wurde das Phänomen Fake News auseinandergenommen. „Was sind eigentlich Fake News und wie wollen wir als Journalist*innen damit umgehen?” Swen Thissen warf diese Frage zu Beginn seiner Präsentation auf. „Grundsätzlich sind Fake News gefälschte Informationen.” Thissen zitierte die Stiftung Neue Verantwortung, die zwischen vier Erscheinungsformen der Fake News unterscheidet. Als erstes sind Falschnachrichten Nachrichten, die komplett erfunden sind. „Diese Art der Fake News sind simpel zu erklären. Da stimmt von vorne bis hinten gar nichts. Deutlich komplexer sind aber im Detail manipulierte Inhalte. Zum Beispiel haben wir einen Bericht, der zu 98 Prozent korrekt ist. In diesem Bericht wurde aber ein zentrales Zitat eines Politikers frei erfunden, was für Leser aber auch für Journalist*innen schwer zu erkennen ist.” Die Falschnachrichten erscheinen auch als bewusst missinterpretierte Inhalte. „Bis vor zwei Jahren konnte jeder die Headlines bei jedem Facebook-Posting ändern. Das heißt, ich konnte bewusst einen falschen Titel für einen Spiegel-Artikel erfinden und den Link posten. Man konnte den richtigen Titel lesen, erst wenn man den Link geöffnet hätte. Mittlerweile hat Facebook diese Funktion abgestellt. Noch möglich ist aber die Funktion, dass ich zum Beispiel einen Artikel zusammen mit einem bewusst missinterpretieren Inhalt im Teaser-Text poste.” Satirische Inhalte lassen sich als vierte Form erscheinen. „… Was ist mit normalen Lesern, wenn es schon vorgekommen ist, dass Journalist*innen auf Satire reingefallen sind. Es kann passieren, dass die Satire für voll genommen wird.” In diesem Fall verwandelt sich die Satire zu einer Art der Fake News. Anhand verschiedener Beispiele aus dem Netz wurde das Phänomen Fake News im weiteren Verlauf des Workshops erörtert. Es wurde versucht, durch detaillierte Untersuchungen einiger online abrufbaren Artikel und Videos, Prozesse zu schaffen, die die Identifizierung der Falschnachrichten für Journalist*innen und Leser*innen erleichtern. Eines der hervorstechenden Beispiele war der Artikel von Stern über das Jagdszenen-Video und die Legitimität der Aussage von Hans-Georg Maaßen, der davon ausging, dass es sich dabei um eine „gezielte Falschinformation” handelt. Daniel Wüstenberg, der Nachrichtenredakteur von Stern beschäftigte sich im Detail mit dieser Handyaufnahme. Er überprüft verschiedene Elemente, die im Bild zu sehen sind. Anhand der Screenshots wird überprüft, ob die Werbetafeln die gleiche Werbung zeigen, die sie am selben Tag am selben Platz in Chemnitz gezeigt haben. Lichtverhältnisse im Vergleich zur angegeben Tageszeit, Abdrücke der T-Shirts und Überprüfung der Gebäude und Hausnummern sind einige prüfbare Elemente, die die Richtigkeit eines Bildes bzw. eines Videos beweisen können. Es wird einfacher und zugänglicher, ein Video oder ein Bild zu manipulieren. Jeder Mensch ist einen Klick entfernt von der Veröffentlichung und der Verbreitung eines Textes, Tweets, oder Blogposts. Es ist deshalb keine Überraschung, dass das bekannte Zitat von Rosa Luxemburg heute sogar relevanter ist als je zuvor. „Zu Sagen was ist, bleibt die revolutionärste Tat.” Von Hesam Misaghi
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