Deutscher Journalisten-Verband Gewerkschaft der Journalistinnen und Journalisten

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Michael Wendler

Aufschrei der Anständigen

16.03.2023

Der öffentliche Druck von so vielen hat gewirkt: Ein Aufschrei der Anständigen hat dazu beigetragen, dass Schwurbler Michael Wendler nun doch keine eigene TV-Show bekommt.

Michael Wendler bekommt keine neue TV-Show. Foto: picture alliance/dpa, Rolf Vennenbernd

Ausschlaggebend waren wohl ausgerechnet Äußerungen des Trash-TV-Ehepaars Geiss, das seinem korrekt funktionierenden moralischen Kompass folgte. Dass RTL Zwei seine irren Pläne gestoppt hat, dem Verschwörungsideologen Michael Wendler eine Bühne zu bieten, ist aber kein Grund zur Freude. Die fadenscheinige Äußerung der Senderverantwortlichen ist alles andere als eine Entschuldigung. Im Gegenteil: Sie lässt keine Einsicht erkennen -  Wiederholungsgefahr nicht ausgeschlossen.

Der 50-jährige Schlagersänger und seine 28 Jahre jüngere Frau sollten eine Reality-Show beim Sender RTL Zwei erhalten. Ein bizarrer Fehlgriff: Wendler war mit Beginn der Corona-Pandemie als Corona-Leugner aufgefallen und etablierte sich neben anderen Promis aus dem Show-Geschäft wie Xavier Naidoo oder Attila Hildmann mit dem Teilen von Verschwörungserzählungen, antisemitischen Mythen, Holocaust-Relativierung und Vorwürfen der „Gleichschaltung“ und politischen Steuerung an deutsche Medien. Dazu benutzte er vor allem die bei Verschwörungsideologen, Querdenkern und Impfgegnern beliebte Plattform Telegram.

Der Sender RTL Zwei fand es offenbar eine gute Idee, Schwurbler Wendler eine Sendung anzubieten. Ausgerechnet einem Verschwörungsideologen, der mit seinen Äußerungen ein Klima von Hass, Hetze und Häme während der Corona-Pandemie anheizte. Dass der Sender gleichzeitig eine Kampagne „Hass hat Hausverbot“ betreibt, bei der eine Zunahme von „Hassrede, beleidigenden oder verleumderischen Posts und Kommentare im Netz“ beklagt wurde, scheinen die Sender-Bosse entweder vergessen zu haben – oder es war ihnen schlicht egal, angesichts der Aussicht mit Wendler Kasse machen zu können.  

Mit massivem Widerstand aus der Zivilgesellschaft hatten sie offenbar nicht gerechnet. Doch der Gegenwind blies hart und kalt. „Nach seiner Schwurbelei von Gleichschaltung der Medien und einem abstrusen KZ-Vergleich war Michael Wendler zwei Jahre lang aus dem Fernsehen verschwunden. Doch jetzt ist RTL Zwei verzweifelt genug, um ihn zurückzuholen. Das geht gar nicht“, kommentierte Alexander Krei bei Deutschlandfunk Medien. Viele andere Journalist:innen schlossen sich der Kritik an, auch andere aus der Zivilgesellschaft äußerten sich – auch vom DJV.

Doch ausgerechnet das Trash-TV-Paar Geiss zeigte sich äußerst stabil. „Wir distanzieren uns aufs schärfste von Corona-Leugnern und Menschen die Deutschland als ,KZ` bezeichnen. Verschwörungsideologische Aussagen sind nicht unser Stil“, schreiben Carmen und Robert Geiss – dass sie ihre äußerst erfolgreiche Show bei RTL Zwei verlieren könnten, nehmen sie in Kauf.

Doch das war den Sender-Bossen offenbar nicht geheuer – „die Geissens“ sind schließlich eines ihrer Zugpferde. Mit einer klassischen „Nopology“ - einer Entschuldigung, die keine ist - versuchten sie sich aus der Affäre zu ziehen. „Wir haben die Vehemenz der Reaktionen wahrgenommen und nehmen die Stimmen unseres Publikums ernst. Wir bitten um Entschuldigung, sollten wir hier Gefühle verletzt haben“, schreibt das Unternehmen. Doch das zeigt: Verstanden haben die Senderbosse nichts. Es geht nicht um verletzte Gefühle. Es geht darum, dass es falsch ist, Verschwörungsideologen eine Bühne zu bieten. Ausgerechnet jemanden, der deutsche Medien als „gleichgeschaltet“ und „politisch gesteuert“ bezeichnet, der spalterische und hetzende Desinformation betreibt, der antisemitische Mythen erzählt, eine Bühne zu bieten, ist das Gegenteil von Journalismus. Denn Journalismus entlarvt solche Schwurbler, ordnet ihre Ideologie ein – und verteidigt die Pressefreiheit, statt sich über sie lustig zu machen. Das zu verstehen, sollte für Sender-Verantwortliche eine Selbstverständlichkeit sein – und nicht der Belehrung eines Trash-TV-Ehepaars bedürfen.

Ein Kommentar von Mika Beuster

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