Deutscher Journalisten-Verband Gewerkschaft der Journalistinnen und Journalisten

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Corona-Krise

Brauchen wir ein deutsches "Federal Writers Project" zur Finanzierung des Journalismus?

26.08.2020

Foto: Dorothea Lange, 1936 / Library of Congress

"Ich wechsele die Branche, der Journalismus bietet Corona-Zeiten keine Perspektiven", diese Aussage ist von freien Journalistinnen und Journalisten in den letzten Wochen zunehmend zu hören. Einige hatten diese Entscheidung noch eine Weile vor sich hergeschoben, weil sie dachten, dass sich die Dinge doch bald wieder normalisieren würden. Doch mit der Verstetigung der Krise vom Mehrmonatszeitraum zum drohenden ein- oder sogar mehrjährigen Dauerzustand zieht ein Teil der Freien jetzt die Konsequenz: in anderen Berufen fehlen Kräfte, und die meist akademisch gebildeten und umtriebigen Freien erfüllen die Kriterien oft punktgenau. Sei es in der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, im Marketing, im Vertrieb, in der Verwaltung oder Firmenführung: hier läuft die Wirtschaft teilweise wieder ordentlich, und Geld ist pünktlich auf dem Konto.

Für die Gesellschaft ist die Abwanderung der Freien aus dem Berufsfeld aber fatal. Das Verstummen von Teilen der Publizistik erscheint als großes Problem, für das es eine Lösung braucht. Ganz neu ist das Problem nicht, und im Ausland gab es schon vor langer Zeit brauchbare Lösungen: bereits in der Großen Depression kam die Administration des Präsidenten Roosevelt auf die Idee, ein umfangreiches Beschäftigungsprogramm für Personen in Publizistik und Kunst zu schaffen: Das Federal Writers Project und das Federal Art Project. Die Programme, die bis 1943 liefen, förderten publizistische und künstlerische Projekte von Personen, die ansonsten das Berufsfeld hätten verlassen müssen.

Auch die Gesellschaft profitierte von den Fördermaßnahmen. So entstanden beispielsweise Fotoaufnahmen, die bis heute als "Ikonen" der Fotografie gelten, etwa die Fotografien von Dorothea Lange. Schon im April 2020 machte Kito Nedo in einem Beitrag in der Süddeutschen Zeitung auf diesen Ansatz aufmerksam und stellte die Frage: "Könnten auch heute öffentliche Kunstprogramme der Kultur durch die Krise helfen?".

Von der Bundes- und Landespolitik gibt es dazu derzeit kaum Ansätze. Über die Staatsministerin für Kultur und Medien wurde etwas Geld für Projektförderungen an bestimmte Künstlerfonds verteilt. In Hessen gibt es Arbeitsstipendien in Höhe von - allerdings einmalig - 2.000 Euro. Das war es damit eigentlich schon. Die sonstigen Programme von Bund und Ländern gehen an den Bedürftigen oft vorbei. Die "Soforthilfen" zielten auf die Finanzierung von Betriebsausgaben, die aber bei vielen Kreativen nur dann entstehen, wenn sie Aufträge haben. Die "Corona-Grundsicherung", also Hartz-IV-Arbeitslosengeld II unter etwas erleichterten Bedingungen, entfällt wiederum dann, wenn Freie zusammen mit anderen Personen in so genannten "Bedarfsgemeinschaften" leben. Dann wird von ihnen verlangt, dass sie ihren Partnerinnen und Partnerinnen so lange auf der Tasche liegen, bis sie zusammengerechnet unter das Grundsicherungsniveau rutschen, erst dann gibt es staatliche Unterstützung.

Der DJV-Bundesvorsitzende hat angesichts der fortdauernden Krise im Berufsfeld die Bundesregierung jetzt dazu aufgefordert, sich mit der alten Idee von Beschäftigungsprogrammen in Publizistik und Kunst noch einmal neu zu beschäftigten. Ob es etwas bringt?


Michael Hirschler, hir@djv.de

 

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