Deutscher Journalisten-Verband Gewerkschaft der Journalistinnen und Journalisten

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Julian Assange

Kampagne überschätzt

25.10.2022

Wenn die Medien, mit denen Wikileaks zusammengearbeitet hat, eine Kampagne für die Freilassung von Julian Assange starten würden, käme er ganz schnell aus dem Gefängnis frei. Das glaubt Assanges Halbbruder Gabriel Shipton. Als ob das so einfach wäre.

Screenshot: Das Erste

Gabriel Shipton ist verzweifelt. Er kämpft mit aller Macht für die Freilassung von Julian Assange aus britischer Haft und für die Einstellung der Anklage wegen Spionage in den USA. Zum Beispiel mit dem Film Ithaka, der auf dem Human Rights Film Festival in Berlin gerade seine Premiere hatte. Dem Tagesspiegel gab Shipton jetzt ein langes Interview. Shiptons Hauptargument: Auf britische Gerichte kann man nicht vertrauen, auf einflussreiche Politikerinnen wie Annalena Baerbock auch nicht. Freiheit für seinen Bruder gibt es nur, wenn weltweit Millionen von Menschen für ihn aufbegehren.
Und mehr noch: Wenn die Medien, mit denen Wikileaks bei der Veröffentlichung des Materials über amerikanische Kriegsverbrechen zusammengearbeitet hat, jetzt eine Kampagne für Julian Assange starten würden, glaubt Shipton, wäre er ganz schnell in Freiheit. Immerhin hätten die Medien dank Wikileaks "Millionen von Zeitungen verkauft, ihre Websites wurden millionenfach gelesen". Als Beispiel für die Macht der Medien führt er den Kimawandel an, über den permanent berichtet würde.
Richtig ist, dass Julian Assange in der Berichterstattung keine große Rolle spielt. Das ist nicht nur für ihn persönlich schlimm, sondern spielt auch die Bedeutung herunter, die die Veröffentlichungen von Wikileaks hatten. Und richtig ist auch, dass über den Klimawandel fortlaufend berichtet wird. Aber ändert sich dadurch von einem Tag auf den anderen etwas an der Klimapolitik? Wohl kaum. Und was heißt in dem Zusammenhang Medienkampagne? Keine Redaktion würde über Tage hinweg Überschriften von der Größe einer bekannten deutschen Boulevardzeitung drucken und politische Forderungen erheben, statt journalistisch zu berichten. Und selbst wenn Medien das täten, wäre der Erfolg höchst zweifelhaft.
Klar ist: Julian Assange gehört auf freien Fuß. Aber die Entscheidung treffen Gerichte. Und die beugen sich in der Regel nicht Kampagnen.
Ein Kommentar von Hendrik Zörner

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