Deutscher Journalisten-Verband Gewerkschaft der Journalistinnen und Journalisten

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Auskunftsrechte

Kein Anspruch auf Einsicht in Aufsichtsratsprotokolle

20.11.2013

Das Verwaltungsgericht Berlin weist Klage eines Journalisten ab

Journalisten haben keinen Anspruch auf Einblick in Aufsichtsratsprotokolle einer Aktiengesellschaft, auch wenn diese in öffentlicher Hand ist. Die im Aktiengesetz geregelte Verschwiegenheitspflicht der Aufsichtsratsmitglieder gilt auch hier. Ein Anspruch auf die Protokolle ergibt sich weder aus den Informationsfreiheitsgesetzen noch aus dem Berliner Pressegesetz - und auch nicht aus dem Grundrecht auf Pressefreiheit. Wer sich spezifisch auf das Presseauskunftsrecht beruft, muss seine Anfragen sehr präzise fassen, die allgemeine Forderung nach Einsicht in Protokolle genügt hierfür nicht. Das hat das Verwaltungsgericht Berlin am 13. November 2013 entschieden.

Das Verwaltungsgericht setzt damit eine Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte fort, die Beratungsprotokolle geschlossen tagender Gremien im Regelfall von der Einsichtnahme von Journalisten ausnimmt und die Art und Weise der Antwort auf presserechtlich begründete Auskunftsfragen weitgehend in das Ermessen der Behörden stellt. So kann etwa eine mündliche Information des Pressesprechers unter Umständen als ausreichend gelten, obwohl der Journalist eigentlich einen Aktenauszug sehen wollte. Nur in Ausnahmefällen können Journalisten das Recht auf eine bestimmte Form der Auskunft auf presserechtlicher Grundlage durchsetzen.

Dennoch ließ das Gericht "wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Angelegenheit" die Berufung an das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg zu.

Weil die Flughafen Berlin Brandenburg GmbH (FBB) von den Bundesländern Berlin und Brandenburg sowie der Bundesrepublik Deutschland gehalten wird (Berlin und Brandenburg je 37 Prozent, Bundesrepublik Deutschland 26 Prozent), hatte sich der Kläger vor dem VG Berlin auf einen ganzen Reigen von Anspruchsgrundlagen berufen:

- das Informationsfreiheitsgesetz des Bundes, da es um Auskünfte (auch) gegen den Bund ging,
- das Informationsfreiheitsgesetz des Landes Berlin, weil das Land Berlin Gesellschafter ist,
- das Berliner Pressegesetz, weil es Journalisten ein Auskunftsrecht gegenüber Landesbehörden gibt,
- das Grundrecht auf Pressefreiheit, um das journalistische Auskunftsrecht gegenüber dem Bund geltend zu machen, weil seit einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgericht Anfang 2013 das Landespressegesetz keine Rechtsgrundlage mehr für Anfragen bei Bundesbehörden sind, sondern laut Bundesverwaltungsgericht bei solchen Auskunftsbegehren nur das Grundrecht auf Pressefreiheit als Rechtsgrundlage in Anspruch kommen soll.

Zwar genügt es normalerweise für Journalisten, sich auf das presserechtliche Auskunftsrecht zu berufen. Vorteil hier: Die Auskünfte sind kostenlos abzugeben und können, falls erforderlich, auch "über Nacht" im Eilverfahren durchgesetzt werden.

Nachteil allerdings: Die Behörden können die Art und Weise der Auskunft selbst festlegen, können also selbst entscheiden, ob sie Dokumente herausgeben oder nur daraus (ggf. auch nur mündlich) informieren. Gleichzeitig können sie aber auch "als Bürger" Auskünfte auf Grundlage der Informationsfreiheitsgesetze verlangen. Vorteil der IFG-Anfragen: Hier kann die Art und Weise der Auskunft vom Anfragenden weitgehend selbst festgelegt werden, d.h. es kann ein konkretes Dokument verlangt werden.  Nachteil: IFG-Anfragen sind im Regelfall kostenpflichtig und können damit unter Umständen sehr teuer werden.

Wie der konkrete Fall zeigt, gibt es aber manches Mal sowohl auf presserechtlicher als auch IFG-Grundlage einfach keine Informationen.


Michael Hirschler, hir@djv.de (@freie)


Zu den weiteren Details informiert die Pressemitteilung des VG Berlin:

"Ein Anspruch auf Akteneinsicht nach den Informationsfreiheitsgesetzen des Bundes und des Landes Berlin ist ausgeschlossen, wenn die Information einer gesetzlich geregelten Geheimhaltungs- oder Vertraulichkeitspflicht unterliegt. Das hat das Verwaltungsgericht Berlin entschieden.

Der Kläger, ein Journalist, begehrte von der Bundesrepublik Deutschland und dem Land Berlin Zugang zu schriftlichen Informationen über die Verschiebung der für den 3. Juni 2012 geplanten Inbetriebnahme des Flughafens Berlin-Brandenburg. Diese Informationen liegen den Beklagten insbesondere wegen der von ihnen in den Aufsichtsrat der Flughafen Berlin Brandenburg (FBB) GmbH entsandten Mitglieder vor. Die Beklagten lehnten den Informationszugang auf der Grundlage der Informationsfreiheitsgesetze des Bundes und des Landes Berlin mit der Begründung ab, Aufsichtsratsprotokolle unterlägen einer gesetzlichen Verschwiegenheitspflicht. Der Kläger meinte, die Vorschriften zum Schutz vom Privatunternehmen könnten hier nicht durchgreifen, weil die FBB GmbH für eine öffentliche Aufgabe errichtet und damit wie eine Behörde zu behandeln sei. Jedenfalls stehe ihm als Vertreter der Presse ein Anspruch aus seinen Grundrechten zu.

Die 2. Kammer des Verwaltungsgerichts wies die Klagen ab. Nach beiden Informationsfreiheitsgesetzen bestehe kein Anspruch, wenn die Information nach anderen Gesetzen geheim zu halten seien. Dies sei hier der Fall. Nach den einschlägigen Regelungen des Aktiengesetzes seien die Sitzungen des Aufsichtsrats nicht öffentlich und dessen Mitglieder zur Verschwiegenheit verpflichtet. Daher sei der Informationszugang zu Sitzungsprotokollen und Vorbereitungsunterlagen für die Aufsichtsratssitzungen ausgeschlossen. Dies gelte nach dem Aktiengesetz auch für Aufsichtsratsmitglieder, die – wie hier – auf Veranlassung einer Gebietskörperschaft in den Aufsichtsrat entsandt seien. Das Berliner Pressegesetz gebe grundsätzlich nur einen Anspruch auf Beantwortung konkreter Fragen; das Grundrecht auf Pressefreiheit gehe nicht darüber hinaus.

Die Kammer hat wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache die Berufung an das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg zugelassen.

Urteil vom 13. November 2013, VG 2 K 293.12 und VG 2 K 41.13. "




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