Deutscher Journalisten-Verband Gewerkschaft der Journalistinnen und Journalisten

Aktuelles

Kundgebung für Meinungsfreiheit

Rede von Frank Überall

04.01.2020

DJV-Bundesvorsitzender Frank Überall hat am 4. Januar 2020 auf der Kundgebung für Meinungsfreiheit in Köln gesprochen. Hier seine Rede:

Frank Überall.

Ja, ich bin eine Umwelt-Sau. Manchmal jedenfalls. Im Sommer bin ich mit dem Flugzeug in den Urlaub nach Mallorca geflogen. Und heute habe ich einen Urlaub in der Eifel abgebrochen – die rund 100 Kilometer bin ich mit dem Auto gefahren. Ich rauche, ich kaufe manchmal Billigfleisch, ich verwende zu viele Plastikverpackungen. Deshalb bezeichnete ich mich selbstkritisch gerne als Umwelt-Sau. Ich empfinde das auch gar nicht als Schimpfwort, gerade wenn es als Satire daherkommt. Denn diese journalistische Stilform ist es doch, die uns alle zum Nachdenken anregen soll. Und in der Tat: Ich versuche mich – wie viele junge und alte Menschen – immer umweltfreundlicher zu verhalten. Das machen auch Großmütter, Omas. Manche von ihnen gehen sogar als „Grannys For Future“ für eine nachhaltige Umweltpolitik zum Demonstrieren auf die Straße. Manche engagieren sich in lokalen Umweltgruppen. Das wussten und wissen auch die Autorinnen und Autoren der Satire, die sich über ältere Umwelt-Säue lustig gemacht haben. Insofern ist die Ansicht schon mehr als schräg, hier sei eine Bevölkerungsgruppe – unsere Omas – pauschal beleidigt worden seien. Leute, das ist Unsinn! Was wir rund um den Jahreswechsel erlebt haben, war eine krude Mischung: Auf der einen Seite berechtigte, kritische Meinungsäußerung zur „Umwelt-Sau“-Satire des WDR. Natürlich darf man über jede Satire unterschiedliche Meinungen haben – das ist ja der Sinn der Sache. Wenn etwas humoristisch zugespitzt wird, gefällt das immer irgendwelchen Menschen nicht. Ich erinnere mich noch gut an die Mohammed-Karikaturen, die sogar zu Gewaltakten in aller Welt geführt haben. Da haben wir uns gefragt, wie können sich Emotionen angesichts einer solchen Satire hochschaukeln? Wie können sich Menschen so sehr ärgern, dass sie bereit sind, mit Terror zu antworten? Hass hat sie dazu getrieben. Und Hass wird jetzt auch im Internet gegen den WDR, gegen öffentlich-rechtliche Sender, gegen uns Journalistinnen und Journalisten geschürt und liebevoll befeuert. Indem Grundrechte wie Presse-, Meinungs- und Kunstfreiheit in Frage gestellt werden, wird Hass befördert. Hass auf wesentliche Werte, die unsere Verfassung ausmachen. Ich bin ja nicht nur Vorsitzender des Deutschen Journalisten-Verbands, ich bin auch Journalist. Freier, bei unserem WDR. Ich sage bewusst: Unserem WDR. Denn wir alle hier in Köln, alle in der ganzen Republik bezahlen nicht nur das Programm, das wir hier machen. Wir wissen in der ganz großen Mehrheit auch, für welche gesellschaftlichen Werte unserer öffentlich-rechtlicher Rundfunk steht: Professionelle Berichterstattung und Information – und Einordnung. Und diese Einordnung gibt`s auch mal in der zuspitzenden Stilform der Satire. Das macht ein gutes Programm aus. Und sei es ein umgetextetes Kinderlied. Ganz gleich, ob einem der Song von der „Umwelt-Sau“ gefällt oder nicht. Er verletzt keine Rechte, er war und ist nicht verletzend gemeint, er verrät keine Werte. Deshalb muss man so ein satirisches Lied auszuhalten: Übrigens auch wenn man Intendant ist. Gerade dann sollte man nicht öffentlich rumpoltern, es sei falsch gewesen, das überhaupt zu senden. Muss ich als freier WDR-Journalist denn jetzt Angst haben bei jedem Kommentar, jeder Glosse, jedem satirischen Format, das ich auf Sendung bringe? Schwingt sich jetzt jedes Mal ein übler Shitstorm auf, bringt sich jetzt jedes Mal der Intendant als überredaktioneller Oberrichter öffentlich in Stellung? Gegen meine Kolleginnen und Kollegen, gegen mich? Dieser Eindruck ist entstanden, und das ist genau das, was diejenigen wollen, die uns besonders hart kritisieren, beschimpfen und bedrohen. Die Hass säen. Denen geht es nicht um eine öffentliche Diskussion, nicht darum, Fakten und Argumente auszutauschen. Denen geht es darum, das System zu zerstören. Das von ihnen ungeliebte System von Demokratie, Diskurs Menschenrechten, Pressefreiheit, Kunstfreiheit. Wer hier und heute mit Rechtsextremen gemeinsam gegen den WDR auf die Straße geht, bewegt sich auf gemeingefährlichem Terrain. Wut und Hass dürfen nicht das Klima in unserer Gesellschaft zerstören. Viele, viele von denen, die da heute demonstrieren, sind im Kern nicht nur gegen den WDR, gegen die öffentlich-rechtliche Sender, gegen unabhängigen Journalismus. Sie demonstrieren heute gegen das Grundgesetz! Sie demonstrieren gegen die darin beschriebenen Grundrechte! Sie wollen nicht das öffentlich-rechtliche Rundfunksystem zerstören, sie wollen die Demokratie zerstören! Darum geht es. Und darüber müssen wir alle wachsam sein. Journalismus ist und bleibt eine wichtige Stütze unserer demokratischen Gesellschaft. Wir Journalistinnen und Journalisten lassen uns nicht einschüchtern. Aber wir lassen uns nicht „jagen“. Wir verteidigen die Freiheit von Presse, Meinung und Kunst. Wir diskutieren gerne, auch über gelungene oder misslungene Satiren. Aber wenn, dann bitteschön zivilisiert und auf der Basis von Fakten, nicht der bösartigen Unterstellungen. Oder wollen wir in Köln auf Druck mancher, verbal-randalierender Randgruppen bald auch darüber diskutieren, ob und wie wir noch Karneval feiern dürfen? Sind Büttenreden nicht oft beleidigend? Sind Motivwagen im Rosenmontagszug nicht oft persönlich herabsetzend? Ist die Machtübernahme des Dreigestirns im Rathaus nicht anmaßend und verletzend? Und wenn ja, für wen? Kann man alles diskutieren, muss man aber nicht. Genauso wenig wie über die „Umwelt-Sau“-Satire, die im WDR gelaufen ist. Wer sich eine Alternative zur Demokratie wünscht, soll ruhig weiter gegen gesellschaftliche Institutionen wie den WDR demonstrieren. Alle anderen sollten vielleicht noch mal über etwas Sinnvolles nachdenken: Darüber, wie sie vielleicht saumäßig die Umwelt schädigen. Darüber, ob und wie sie das künftig ändern wollen. Und darüber, ob man nicht doch zuverlässige Berichterstattung und Einordnung durch Journalismus braucht. Und manche eben auch darüber, wofür oder wogegen sie manchmal eigentlich demonstrieren. Denen, die hier bewusst die Presse-, Meinungs- und Kunstfreiheit beschneiden wollen, kann ich deshalb nur klar antworten: Ihr steht nicht auf dem Boden des Grundgesetzes, ihr tretet Grundrechte mit Füßen!
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