Deutscher Journalisten-Verband Gewerkschaft der Journalistinnen und Journalisten

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Woher der Wind weht

17.08.2022

Die Polizei ist keine unabhängige Informationsstelle, deren Meldungen Journalisten ungeprüft übernehmen können. Was wie eine Selbstverständlichkeit klingt, sieht in der Praxis oft anders aus.

Bei Protesten von Klimaaktivisten kam es am vergangenen Wochenende in Hamburg zu Zusammenstößen mit der Polizei. Die Auseinandersetzungen wurden so heftig, dass Pfefferspray zum Einsatz kam. Auf Twitter meldete die Hamburger Polizei: "Nachdem die Kräfte auch mit Pfefferspray angegriffen und ca. 15 Polizeibeamte leicht verletzt wurden, wurde die Versammlung aufgelöst." Damit war klar: Die Demonstranten griffen zum Pfefferspray. Die Bild-Zeitung machte daraus eine knallige Überschrift. Und auch wer sich nicht auf BILD verlässt, musste zu dem Schluss kommen: Die Klimaaktivisten sind nicht so friedlich, wie sie immer tun.
Doch es war ganz anders: Ein Reporter von Spiegel Online schilderte, dass das Pfefferspray von der Polizei eingesetzt wurde und nicht von den Klimaaktivisten. Weil der Wind ungünstig stand, traf der Reizstoff vornehmlich die Polizisten.
Die Episode zeigt deutlich, dass Meldungen, Berichte und Postings der Polizei keine unabhängigen Informationen sind. Die Sicherheitskräfte sind nie unparteiische Beobachter, sondern spielen bei Demonstrationen oder anderen Ereignissen eine Rolle. Weder BILD noch andere Medien dürfen deshalb auf die Informationen der Polizei vertrauen, sondern haben die journalistische Pflicht zur Recherche. Das sagt auch der Pressekodex: "Recherche ist unverzichtbares Instrument journalistischer Sorgfalt. Zur Veröffentlichung bestimmte Informationen in Wort, Bild und Grafik sind mit der nach den Umständen gebotenen Sorgfalt auf ihren Wahrheitsgehalt zu prüfen und wahrheitsgetreu wiederzugeben."
Eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Warum nur wusste das in Hamburg außer dem Spiegel-Reporter niemand?
Ein Kommentar von Hendrik Zörner

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