News für Freie
Acht gesetzliche Kriterien für die Scheinselbständigkeit
Und doch wird alles bleiben, wie es ist
Die Bundesregierung will die Frage der Scheinselbständigkeit durch acht gesetzliche Kriterien klären. Im Referentenentwurf, der noch innerhalb der Bundesregierung abgestimmt werden muss, ist zudem ein Informationsrecht des Betriebsrats hinsichtlich von Personen vorgesehen, die als selbständige Werkvertragsunternehmer tätig sind. Damit kann der Betriebsrat Informationen bekommen, die für ein Eingruppierungsverfahren erforderlich sind. Mit Eingruppierungsverfahren können Scheinselbständige auf Initiative des Betriebsrats mit Arbeitsverträgen ausgestattet werden, auch gegen den Willen des Arbeitgebers.
Die acht Kriterien entsprechen generell den Grundsätzen der bereits bestehenden Rechtsprechung der Arbeitsgerichte. Auch das Informationsrecht des Betriebsrats ist bereits vor Jahren durch die Arbeitsgerichtsbarkeit festgestellt worden. Insofern wird eine "gefestigte Rechtsprechung" jetzt nur in Gesetzestext verwandelt.
Konkret ist nach den acht Kriterien Arbeitnehmer, wer:
1) nicht frei darin ist, seine Arbeitszeit oder die geschuldete Leistung zu gestalten oder seinen Arbeitsort zu bestimmen,
2) die geschuldete Leistung überwiegend in Räumen eines anderen erbringt,
3) zur Erbringung der geschuldeten Leistung regelmäßig Mittel eines anderen nutzt,
4) die geschuldete Leistung in Zusammenarbeit mit Personen erbringt, die von einem anderen eingesetzt oder beauftragt sind,
5) ausschließlich oder überwiegend für einen anderen tätig ist,
6) keine eigene betriebliche Organisation unterhält, um die geschuldete Leistung zu erbringen,
7) Leistungen erbringt, die nicht auf die Herstellung oder Erreichung eines bestimmten Arbeitsergebnisses oder eines bestimmten Arbeitserfolges gerichtet sind,
8) für das Ergebnis seiner Tätigkeit keine Gewähr bietet.
Es ist davon auszugehen, dass sich durch die "neuen" Kriterien an der Wirklichkeit in den Medienbetrieben nicht viel ändern wird. Denn diese Kriterien entsprechen der jahrzehntealten Rechtsprechung der Arbeitsgerichte zum Arbeitnehmerstatus. Trotz dieser Rechtsprechung und dem Vorhandensein von Prüfdiensten der Sozialversicherung und der Finanzämter verweigern viele Medienbetriebe ihren Beschäftigten Arbeitsverträge und grenzen sie auf diese Weise von der "Stammbelegschaft" aus. Die zuständigen Behörden und Prüfdienste ignorieren das Problem häufig genug.
Die eigentlich für die Bekämpfung solcher Scheinselbständigkeit ebenfalls zuständigen Betriebsräte wiederum schrecken oft vor der Einleitung von Eingruppierungsverfahren zurück, da viele der betroffenen Freien das gar nicht wünschen, weil sie oft genug die Sorge äußern, im Rahmen einer solchen Maßnahme von ihrem Auftraggeber/Arbeitgeber als Problemkandidat eingestuft und alsbald freigesetzt zu werden. Hinzu kommt der Umstand, dass die Einleitung von Eingruppierungsverfahren von Geschäftsführungen als Kampfansage verstanden wird und der Betriebsrat mit erheblicher Gegenwehr der Firmenleitungen rechnen muss, wodurch die alltägliche Arbeit für die regulären Arbeitnehmer erheblich belastet wird.
Wirksame Maßnahmen gegen die Scheinselbständigkeit und für die Rechte von Beschäftigten würden freilich anders aussehen. Hier wären beispielsweise neue Zuständigkeiten für die Arbeitsschutzämter zu schaffen, damit diese den fehlenden Arbeitnehmerstatus im Rahmen einer Prüfung feststellen könnten. Schnellverfahren vor den Arbeits- und Sozialgerichten zur Feststellung eines Arbeitnehmerstatus wären eine andere Maßnahme. Doch die Bundesregierung will solche Ansätze gar nicht erst andenken.
Es ist daher unwahrscheinlich, dass sich im Alltag der Medienbetriebe viel ändern wird. In den Interessensverbänden der Wirtschaft sind dennoch bereits Warnungen vor den neuen Kriterien zu hören. Klar ist, dass die Beschäftigung rechtlich ungeschützter Mitarbeiter auf freier Basis für Unternehmen oft genug die kostengünstigste Lösung ist und daher jede gesetzliche Maßnahme abgelehnt wird, wenn sie auch nur die kleinste Auswirkung haben könnte. Diejenigen freien Journalisten, die tatsächlich selbständig sind, sollten sich von der abzusehenden Hysterie der Wirtschaft wegen dieser Gesetzgebung daher nicht beeindrucken lassen. Natürlich ist Selbständigkeit weiterhin möglich. DJV-Mitglieder können sich bei Rückfragen zum Thema durch das DJV-Referat Freie Journalisten (hir@djv.de) beraten lassen.
Michael Hirschler, hir@djv.de
News für Freie
Drei Fotojournalismus-Events mit dem DJV in dieser Woche
Praxis-Tipps zur Verwertungsgesellschaft Bild-Kunst per Webinar am 18. April, das DJV-Bildportal auf Besuch bei der PICTA-Bildagenturmesse in Berlin (ebenfalls am 18. April; ganztags) und am 19. April ein Webinar zum Thema...
Was kostet Journalismus
Was kostet Journalismus - unter dieser Frage wollen wir mit Dir und anderen darüber diskutieren, wie die Honorarstrukturen für Arbeit für Textbeiträge in den verschiedenen Medienbereichen aussehen. Print, Online, Rundfunk,...
Serbische Journalisten suchen Schutz im Ausland
"Die Bedrohungen gegenüber meiner Person haben ein unerträgliches Maß erreicht", berichtete eine Journalistin aus Serbien am 18. März auf einer Onlineveranstaltung der Europäischen Journalisten-Föderation (EJF). "Ich denke,...
Verdientes Urteil
Das Magazin Cicero hat einen juristischen Sieg gegen das Bundeswirtschaftsministerium errungen: Das Ministerium muss die Akten zu einer möglichen Laufzeitverlängerung von Kernkraftwerken herausrücken.
Bund führt Mindesthonorare für Freie ein
Der Deutsche Journalisten-Verband begrüßt die Einführung von Mindesthonoraren für freie Journalistinnen und Journalisten bei Institutionen, die Fördermittel des Bundes erhalten.
Deal mit Open AI
Springer hat mit Open AI einen Vertrag über die Nutzung redaktioneller Inhalte aus mehreren seiner Medien für ChatGPT geschlossen. Es geht um einen zweistelligen Millionenbetrag. Vorbild für andere Medienhäuser?
Inflationsausgleich vereinbart
Die Redakteurinnen und Redakteure an Tageszeitungen erhalten ab Oktober eine monatliche Inflationsausgleichsprämie in Höhe von 120 Euro.
Mindesthonorare für Freie
Der Deutsche Journalisten-Verband fordert Kulturstaatsministerin Claudia Roth auf, bei der Definition einer Honoraruntergrenze für Künstlerinnen und Künstler die freien Journalisten nicht zu vergessen.
Politiker vor die Linse
Die bayerische Staatskanzlei gibt unter Markus Söder zehnmal soviel für Fotografen aus wie unter seinem Vorgänger Horst Seehofer. Gut für die Berufsfotografen. Das Vorbild von Robert Habeck macht in Bayern tatsächlich Schule....
Schlappe für Hamburger Polizei
Mit ihrer Blockadehaltung gegen eine Journalistin des Stern kam die Hamburger Polizei nicht durch. Das Gericht verurteilte die Behörde dazu, Auskunft zu erteilen. Gut so.
Abbuchung für Juli 2023 ist korrekt trotz irreführender Empfängerangabe
Wilhelmshaven, 10. Juli 2023 (fw/KSK, hir/DJV). In den letzten Tagen ist es bei der Abbuchung der Versicherungsbeiträge und der monatlichen Vorauszahlungen/Künstlersozialabgabe durch die Postbank zu einer Textänderung gekommen,...
Finanzministerium muss reden
Justitia hat gesprochen: Das Bundesfinanzministerium muss Pressefragen zu den Hintergründen eines Grußworts von Christian Lindner beantworten. Der Ressortchef hat bislang gemauert.
Schon gewusst?Wer arbeitet, macht Fehler. Wer viel arbeitet, viele Fehler. Das gilt auch für bestens ausgebildete Journalisten. Doch mit Training und Weiterbildung neben dem Job können auch Profis noch besser werden. Der DJV bietet daher zahlreiche Bildungsangebote, Seminare, Tagungen und auch Online-Kurse ("Webinare").
Schon gewusst?Wer arbeitet, macht Fehler. Wer viel arbeitet, viele Fehler. Das gilt auch für bestens ausgebildete Journalisten. Doch mit Training und Weiterbildung neben dem Job können auch Profis noch besser werden. Der DJV bietet daher zahlreiche Bildungsangebote, Seminare, Tagungen und auch Online-Kurse ("Webinare").
Weitere interessante Themen
Selbstverlag
Ihr eigenes Buch machen, also eBook oder Printexemplar, mit vonjournalisten.de
...mehr
DJV, Verband der Freien
Über 15.000 Freie sind Mitglied im DJV. Warum, steht in unserem Flyer.
...mehr