Deutscher Journalisten-Verband Gewerkschaft der Journalistinnen und Journalisten

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Auslandsberichterstattung

Frontline Freelance Register will Freien in Konfliktgebieten helfen

28.06.2013

Eine Gründung mit (erster) Zielrichtung auf britische und US-Medien sollte auch in Deutschland für etwas Bewegung sorgen.


Die britische Journalistenforum „Frontline Club“ hat jetzt das „Frontline Freelance Register“ (FFR) ins Leben gerufen. Die neue Pressure Group soll die Probleme freier Journalisten in Konfliktgebieten angehen, so die Ankündigung. Grundsätzlich ist sie vor allem auf britische und US-Medien ausgerichtet, so fanden zwei Gründungsveranstaltungen auch in London und New York statt. Doch auch für Deutschland bzw. deutsche Konfliktberichterstatter stellt sich die Frage, was getan werden kann.

Der DJV stellt seit Jahren diverse Informations- und Versicherungspakete für Freie bereit (online im Skript des DJV-Versicherungsmaklers sowie im DJV-Handbuch für Freie), sucht aber ebenso den Kontakt zu engagierten Kollegen, um seinen Service für Kollegen auszubauen (interessierte DJV-Mitglieder und andere, die zusammen mit dem DJV entsprechende Initiativen für Freie in Deutschland aufbauen wollen, werden gebeten, sich an das DJV-Referat Freie zu wenden – das gilt auch für Kollegen, die sich direkt in der neuen FFR engagieren wollen, zwecks Informationsaustausch). Die Berufsgenossenschaft ETEM bietet zudem mehrfach im Jahr einwöchige Trainings für Journalisten an – auf dem Truppenübungsplatz Hammelburg, Entführungstraining (oft) inklusive. Versicherungen wie die der Presseversorgungswerk GmbH versprechen zudem, auch bei Berufsunfähigkeit oder Tod in Kriegs- und Krisengebieten zu leisten.

Was die (bislang vor allem) britische Initiative angeht, so wird deutlich: Der Anspruch geht ein gutes Stück über reine Sicherheitsinformationen und Rahmenvereinbarungen mit Auftraggeber hinaus. Die Mitglieder der Initiative zielen ein Stück weit auch darauf, eine Art „Berufsstand der Konflikt- und Kriegsreporter“ aufzubauen, der mit professioneller Arbeit für sich wirbt und dahher unter Umständen bei Auftragsvergabe bevorzugt bedient werden könnte.  Ein Vorhaben, das allerdings nach Einschätzung einiger deutscher freier Journalisten allerdings eher fragwürdig sein könnte.

Denn einige Freie sind aus den Konflikten der letzten Jahrzehnte schwer traumatisiert zurückgekehrt und lehnen ein Berufsbild des Konfliktreporters ab. Ein freier Kollege, der im Jugoslawien-Krieg für das ZDF tätig war, bezeichnet seine Tätigkeit vollkommen desillusioniert als „Akteur in einem reinen Wirtschaftskrieg“ und ist selbst arbeitsunfähig, wird von Depressionen und Angst-Attacken verfolgt. Eine Versicherung für diese Arbeitsunfähigkeit, die ihm im Sender suggeriert worden sein soll, gab es am Ende nicht einmal. Genau wie ein Kollege, der in ganz Nahost für Sender unterwegs war, in Gaza beinahe von der Menge gelyncht wurde und dennoch als namensloser „Stringer“ nie in den Nachrichten erwähnt wurde. Depressionen und Hartz IV als Folge von Konflikt-Berichterstattung, das ist kein Einzelfall. Kann ein "Berufsbild Konfliktreporter" daher überhaupt ein - dauerhaftes - Ziel sein?

Die Frage ist natürlich auch, wie sehr sich – trotz aller Trainings – überhaupt sichere Berichterstattung möglich ist. Denn gerade im freien Journalismus tummeln sich viele Berufseinsteiger, die den gefährlichen Job als Bewährungsprobe oder Herausforderung ansehen und sich über diese Einsätze ein Image aufbauen wollen, zugleich aber kein Geld für Ausrüstung und Trainings ausgeben können (oder auch wollen). Und weil es im Krieg keine Regeln gibt, sind auch erfahrende Berichterstatter an jedem Tag genauso verwundbar wie Berufseinsteiger. So starb der Robert Capa, der berühmte Fotograf und Berichterstatter aus dem Spanischen Bürgerkrieg, Gründer der Bildagentur Magnum, 1954, fast zwanzig Jahre nach seinen ersten Kriegsreportagen in Vietnam, als er auf eine Mine trat.

Umgekehrt wäre es aber fatal, aus diesen Problemen den Schluss zu ziehen, dass sich nichts verbessern ließe. Deswegen fragte der DJV die Freien vom FFR, was sie verbessern wollen und wie sie bisherigen Ansätze einstufen.


FFR - das Interview


DJV-Freie: Sie versprechen „institutionelle Unterstützung und finanzielle Mittel, um die Herausforderungen des Aufenthalts in gefährlichen Gebieten langfristig in den Griff zu bekommen“. Ist es nicht die Aufgabe von Medienunternehmen, ausreichende Honorare zu zahlen sowie Freie auszubilden und zu versichern?

FFR: Wir haben die Notwendigkeit dessen, was wir tun, festgestellt, sonst würden wir es nicht tun. Wir sind Journalisten, die in der echten Welt leben und arbeiten, die zusammen arbeiten, um Probleme zu klären, die wir alle erfahren haben. Wessen Verantwortung es ist, für diese Dinge zu zahlen, werden wir noch diskutieren. Unser Hauptziel besteht darin zu gewährleisten, dass Freie das bekommen können, was sie benötigen, um sicher und professionell arbeiten zu können, was derzeit nicht immer möglich ist.

DJV-Freie: DJV-Gibt es irgendein Kriterium, um in FFR aufgenommen zu werden, etwa wie beim Internationalen Presseausweis? Ist es nur für britischen Journalisten offen, oder auch für „den Rest von uns“?

FFR:  FFR ist offen für aktiv tätige Freie, Konflikt- und ausländische Journalisten, Fotografen, Videofilmer und Autoren (jedweder Nationalität), die entschlossen sind, unseren Kodex über ethisches und sicheres Verhalten einzuhalten und die relevante praktische Erfahrungen haben, um das im Antrag zu dokumentieren.


DJV-Freie: FFR hat eine Datenbank für Freie. Es wirkt damit eher wie eine der vielen tausend Freien-Datenbankprojekte, die Freie für jeden Job vermarkten wollen. Wenn das Ziel die freie Tätigkeit unter verantwortungsvollen Bedingungen ist, stellt es wirklich eine gute Idee dar, Freie direkt auf dem rücksichtslosen Medienmarkt zu vermarkten, wo es doch keine Kontrolle gibt, wer die Datenbank nutzt?

FFR:  Wir sind eine Vertretung für Freie. Einige Mitglieder machen ihren Anspruch auf sichere und professionelle freie Mitarbeit vielleicht dadurch deutlich, dass sie auf ihr Profil auf unserer Seite verlinken. Wir sind aber kein Marketingportal.


DJV-Freie: Was benötigen Freie, um die Herausforderung zu meistern, in gefährlichen Umgebungen zu arbeiten?

FFR:  Unser Kodex für sicheres Verhalten ermöglicht einen Eindruck von denjenigen Aktivitäten, die Freie entfalten sollten, um sich sicher vor Ort zu bewegen (https://frontlinefreelance.org/code). Wir glauben, dass Freie eine angemessene Ausbildung und Ausrüstung für Sicherheit und Erste Hilfe haben sollten (einschließlich Schutzausrüstung und Medizin, wenn es erforderlich ist). Sie sollten Kenntnisse über die Risiken in der Gegend haben, in der sie arbeiten und angemessene Versicherungen für den Fall, dass irgendetwas schiefgeht. Wir arbeiten daran, Freien zu helfen, an diese Sachen zu gelangen.

DJV-Freie: Erst vor einigen Tagen gab es den Fall eines Freien in Deutschland, der keinerlei Arabisch spricht, keinerlei Ausbildung für Berichterstattung in Krisengebieten hat und keine besonderen Versicherungen - und der dennoch nach Syrien reist, um in jedem Fall von dort aus zu berichten, obwohl ihm klar mitgeteilt wurde, das er diese Art von Vorbereitungsmaßnahmen haben sollte. Also trotz allen organisatorischen Bemühungen. Glauben Sie nicht, dass es immer diese Abenteurer geben wird, und ist es falsch zu sagen, dass die meisten Freien mit dieser Form der Abenteurerei gestartet sind, weil sie nicht genug Geld hatten, und vielleicht einfach auch nur „keine Lust“ auf aufwändige Ausbildungen hatten, die ja auch ziemlich zeitraubend sein können und manchmal auch nur demoralisierend wirken können (wenn man daran denkt, dass Journalisten bei manchen Ausbildungen „lernen, entführt zu werden“)?

FFR:  Unsere Organisation befasst sich mit dem Wohlergehen praktisch arbeitender freier Journalisten. Wir können jüngeren Journalisten, die ins Feld gehen wollen, Rat geben, in der Hoffnung, dass sie sich sicher verhalten. Wir nehmen zur Kenntnis, dass einige Leute in Konfliktgebieten keine Journalisten sind. Sie sehen hier keine Zuständigkeit.

DJV-Freie: Wie würden Sie Ihr „Alleinstellungsmerkmal“ bezeichnen - im Vergleich zu anderen gut bekannten Organisationen wie der britischen Journalistengewerkschaft (National Union of Journalists, NUJ), die auch Freiengruppen hat, der Internationalen Journalistenföderation (IFJ), Organisationen wie @Newssafety oder dem Rory Peck Trust? Gibt es ein Gefühl, dass die Bildung kleiner Interessengruppen für ein spezielles Thema mehr Erfolg verspricht als die Arbeit innerhalb größerer Organisationen?

FFR:   Wir bewundern und schätzen die Arbeit aller erwähnten Organisationen und möchten mit ihnen zusammenarbeiten. Wir glauben aber, dass es eine spezielle Form von Aufgaben gibt, denen sich Freie gegenüber sehen, die einem körperlichen Risiko bei der Berichterstattung ausgesetzt sind, - und wir befassen uns ausschließlich mit diesen. Unser Alleinstellungsmerkmal besteht darin, dass FFR von diesen Leuten betrieben wird und dass FFR ihre Meinungen vertritt.

DJV-Freie: Glauben Sie, dass die Europäische Union eine Richtlinie über die Sicherheit von Freien erlassen sollte, oder ist es die Aufgabe der Zivilgesellschaft und Vereinen, Dienstleistungsangebote zu schaffen?

FFR:   Wir haben wirklich keine Linie oder Meinung darüber, was die EU tun sollte, weil wir in erster Linie mit aktiven, berufstätigen Freien und mit Medienbetrieben beschäftigt sind, um einen Dialog darüber zu aufzunehmen, wie die Arbeitsbedingungen für Freie in einem Miteinander verbessert werden können.

DJV-Freie: Kürzlich haben einige britische Zeitungen angekündigt, kein Material mehr von Freien zu kaufen, die aus Syrien berichten, um Freie davon abzuhalten, nach Syrien zu gehen. Was halten Sie davon?

FFR:   Wir möchten unsere verbandspolitischen Positionen demnächst mit unseren Mitgliedern debattieren und werden daher in der Lage sein, in Zukunft mehr dazu zu sagen. Wir können nachvollziehen, warum einige Organisationen diese Entscheidung getroffen haben, aber wir glauben, dass es eine rücksichtslose und kontraproduktive Methode ist, die Sicherheit von Journalisten zu unterstützen. Ein mögliches Resultat unserer Gründung besteht darin, dass Medienhäuser einen Pool geprüfter, engagierter Journalisten haben werden, mit denen sie einen Dialog über diese Fragen haben können und hoffentlich zu Lösungen kommen, die für alle Beteiligten positiv ausfallen.

DJV-Freie: Könnten Sie ein wenig über die Gründer des vorläufigen Vorstands sagen, welcher konkrete Vorfall oder welche Erfahrungen haben sie dazu angetrieben, FFR zu gründen?

FFR:  Wir sind alle berufstätige Auslands- und Konfliktreporter, die in allen Medien arbeiten. Was uns zusammengebracht hat, war das gemeinsame Bedürfnis, die Professionalität und die Sicherheit von freien Journalisten voranzubringen. Der Weg hierher war für jeden von uns unterschiedlich.

Vaughan war ein langjähriger Unterstützer des unabhängigen Journalismus durch seine eigene Arbeit als Videofilmer und im Frontline Club (frontlineclub.com). Ayman war motiviert „Occupy Photojournalism“ zu gründen, nachdem er enttäuscht war mit der Situation von freien Journalisten, die in Syrien arbeiten. Ed ist mehrfach knapp erwischt worden während der Berichterstattung, so wie Aris. Emma und Balint waren befasst mit verschiedenen Aspekten von gefährlichen Vorfällen innerhalb Syriens, mit Balint, der selbst entführt wurde und  Emma, die am Fall eines verschwundenen jungen Mannes saß, und sie haben dann begonnen, Freie zu unterstützen, die in der Gegend tätig waren. Anna Day hat sich viel für freie Journalisten in Nahost und Nordafrika und in Lateinamerika eingesetzt. Alle sind aktive Teilnehmer journalistischer Communities und hatten bzw. haben das Bedürfnis, ihre Freunde und Kollegen zu unterstützen.





Das Interview wurde in englischer Sprache und per E-Mail geführt, Fragen und Übersetzung der Antworten von Michael Hirschler, DJV (hir@djv.de)


Siehe auch unsere Spezialseite Europa/Internationales mit weiteren Links

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