Deutscher Journalisten-Verband Gewerkschaft der Journalistinnen und Journalisten

News für Freie

Bundessozialgericht

Hohes Honorar kann Indiz für Selbständigkeit sein

24.04.2017

Bekommen Freie jetzt mehr Geld, damit die Sozialversicherung sie für selbständig hält?

Auftraggeber, die ihren freien Mitarbeitern besonders hohe Honorare zahlen, können damit unter Umständen Haftungskosten bei der Sozialversicherung wegen Scheinselbständigkeit vermeiden. Das Honorar muss dafür allerdings „deutlich“ über dem Lohn vergleichbarer fest angestellter Mitarbeiter liegen, heißt es in einer Pressemitteilung des Bundessozialgerichts. Denn ein hohes Honorar spreche dafür, dass der Mitarbeiter Eigenvorsorge betreiben könne.

Das Gericht machte allerdings auch deutlich, dass das nur in solchen Fällen gilt, wenn der Mitarbeiter auch weitgehend weisungsfrei tätig ist, also im Wesentlichen selbst über Ort, Zeit und Methoden seiner Arbeitsleistung entscheiden kann. Im konkreten Fall ging es um einen Betreuer, der innerhalb einer Familie tätig wurde. Eine Tätigkeit, bei der bereits auf Grund der Umstände recht klar ist, dass der Betreuende sehr viel in eigener Verantwortung bestimmen muss.

Das Urteil betrifft lediglich die Frage der Versicherungspflicht in der allgemeinen Sozialversicherung der Beschäftigten und nicht Fragen des Arbeitsrechts. Der Fall kann auch nicht einfach auf alle Selbständigen und vor allem auch nicht auf freie Journalisten übertragen werden. Viele freie Journalisten üben klar definierte Aufgaben in Redaktionen aus, sei es durch Übernahme von Schichten in der Online-Redaktion oder als Chef/in vom Dienst in der Rundfunkanstalt. Bei diesen Tätigkeiten kann im Regelfall auf Grund der intensiven Einbindung in Redaktionsabläufe nicht von Weisungsfreiheit gesprochen werden.

Unter Umständen können Freie, die nur mittelmäßig oder - wie die meisten Freien - wenig verdienen, aus dem Urteil Honig saugen, wenn sie die Sozialversicherung durch ihren Auftraggeber durchsetzen wollen, eventuell auch noch nach der Beschäftigung, durch eine Klage auf Nachversicherung, was dann eine Aufbesserung beispielsweise bei der Rentenversicherung oder Ansprüche auf Arbeitslosengeld bringen könnte. Denn wenn das Bundessozialgericht die besondere Höhe des Einkommens als Indiz für die Selbständigkeit sieht, muss dann auch der Umkehrschluss erlaubt sein, dass mittlere und niedrige Honorare für den Status als sozialversicherungspflichtige Beschäftigte sprechen.

Es ist unwahrscheinlich, dass deutsche Medienhäuser das Urteil zum Anlass nehmen, die Honorare ihrer freien Mitarbeiter signifikant zu erhöhen. Nach einer Umfrage unter freien Journalisten im Jahr 2014 verdienen diese im Durchschnitt monatlich rund 2.180 Euro, während der durchschnittliche Redakteur nach Schätzungen monatlich auf rund 5.500 Euro kommt. Da die Kosten einer halbwegs ausreichenden Eigenvorsorge bei rund 30 Prozent des Einkommens liegen, müssten Freie – wenn jemand das Urteil überhaupt ernst nehmen sollte – dann praktisch rund 8.000 Euro bekommen, also fast das Vierfache des derzeitigen Honorars. Es  erscheint als klar, dass Medienhäuser lieber mit dem Risiko der Feststellung einer Scheinselbständigkeit und einer gewissen Nachzahlung von Sozialversicherungsbeiträgen leben werden als die Kosten für die Beschäftigung von Freien so stark hoch zu setzen.

Eine gewisse Rolle mag das Urteil noch bei Rundfunksendern spielen, an denen einige wenige Moderatoren vergleichsweise hohe Honorare erhalten. Allerdings wird bei solchen Vergleichen oft vergessen, dass die Angestellten oft noch eine zusätzliche Altersvorsorge des Senders haben und im Regelfall mit einer lebenslangen Beschäftigung rechnen können, während freie Moderatoren oft genug nach einigen „fetten“ Jahren „abgesenkt“ oder „eingeschränkt“ werden, so dass ein Vergleich von Honoraren freier Mitarbeiter mit denen angestellter Personen ohnehin nur begrenzt sinnvoll sein kann. Hier ist dann zusätzlich auch immer die Frage zu stellen, inwieweit die Moderatoren tatsächlich „weisungsfrei“ sind, weil sie in der Regel zu festen Zeiten antreten müssen, klar vorgegebene Formate (z.B. Frühstücksfernsehen) bedienen und auch inhaltlich stark an die Aktualität und von der Redaktion diesbezüglich klar definierter Sendungsinhalte gebunden sind. Freie Journalisten, die keine Moderatorentätigkeiten ausüben, werden an Rundfunksendern ohnehin nur mäßig bezahlt.

Der DJV empfiehlt allen Mitgliedern, bei Fragen zur Selbständigkeit und/oder der Haftung bei Sozialversicherung und Lohnsteuer haben, die Rechtsberatung des Verbandes in Anspruch zu nehmen. Der Verband setzt sich vor Sozialgerichten für die richtige Versicherung der freien Mitarbeiter ein, auch wenn Rundfunksender immer wieder versuchen, die oft genug sehr abhängig Beschäftigten zu Selbständigen zu erklären, um Kosten zu sparen.

Der Volltext der Entscheidung liegt bisher nicht vor, lediglich eine Pressemitteilung.

Aktenzeichen B 12 R 7/15 R, laut Pressemitteilung 14/2017 vom 31. März 2017


Michael Hirschler, hir@djv.de


(Update 25. April 2017)

News für Freie

Verlag Delius Klasing

Faires Miteinander gefordert

15.05.23

Der Deutsche Journalisten-Verband fordert den Verlag Delius Klasing zu einem fairen Miteinander mit den freien Journalistinnen und Journalisten auf.

KI im Journalismus

DJV fordert klare Regeln

24.04.23

Der Gesamtvorstand des Deutschen Journalisten-Verbands fordert dazu auf, die Auswirkungen von Künstlicher Intelligenz auf Gesellschaft und Journalismus in den Blick zu nehmen.

Katie Melua-Konzerte

Knebelverträge stoppen

21.04.23

Der Deutsche Journalisten-Verband ruft das Management der Künstlerin Katie Melua zu fairen Akkreditierungsbedingungen für Pressefotografinnen und -fotografen auf.

Steuern

Betriebsausgabenpauschale für journalistische Arbeit erhöht

13.04.23

Die Pauschale für den Betriebsausgabenabzug bei journalistischer Arbeit wird erhöht. Diese Regelung betrifft Einkünfte auf selbständiger Basis, das heißt Honorare für freie Arbeit. Die Neuregelung ist im Wesentlichen interessant...

Equal Pay Day

Gleiche Bezahlung für Journalistinnen

06.03.23

Aus Anlass des Equal Pay Day am 7. März fordert der Deutsche Journalisten-Verband gleiche Bezahlung für Männer und Frauen im Journalismus.

Transparenzregister

Reform dringend benötigt

27.02.23

Der Deutsche Journalisten-Verband fordert den Gesetzgeber auf, das Transparenzregister zügig zu reformieren.

Berichterstattung Türkei

Erdogans Schikanen schaden Erdbebenopfern

20.02.23

Der Deutsche Journalisten-Verband ruft die türkischen Behörden auf, Journalistinnen und Journalisten im Erdbebengebiet ungehindert ihre Berichterstattung fortsetzen zu lassen.

Journalistinnen im Iran

Baerbocks Einsatz gefordert

17.02.23

Der Deutsche Journalisten-Verband gehört zu den Unterzeichnern eines Offenen Briefs an Annalena Baerbock, der den Einsatz der Bundesaußenministerin für die inhaftierten Journalistinnen im Iran fordert.

dpa-Fotografen

Faire Honorare gefordert

13.02.23

Der Deutsche Journalisten-Verband unterstützt Aktivitäten von freien Fotografinnen und Fotografen der Deutschen Presse-Agentur, mit denen sie für höhere Honorare bei der dpa kämpfen.

Neue Regeln bei der Künstlersozialkasse

Mehr Zuverdienst möglich, Zuschüsse für freiwillig Versicherte

03.01.23

Neue Regeln bei der Künstlersozialkasse beim Zuverdienst und bei der freiwilligen Krankenversicherung: ein DJV-Tipps für Freie informiert über Änderungen (Download hier).

Klambt-Gruppe

Vertragsbedingungen unfair für Freie

22.12.22

"Aus unserer Sicht existenzgefährdend", kritisiert ein freier Journalist im Namen einer ganzen Gruppe von Freien die neuen Vertragsbedingungen der Klambt-Gruppe, die am 16. Dezember 2022 an frei Mitarbeitende der Mediengruppe...

Bundesregierung

Journalisten sind keine Bittsteller

21.12.22

Der Deutsche Journalisten-Verband fordert die Bundesregierung auf, ihr Verhältnis zu den Journalistinnen und Journalisten dringend zu verbessern.

News 13 bis 24 von 855

Weitere interessante Themen

Newsletter

Cookie Einstellungen