News für Freie
Klare Zahlen zum Statusfeststellungsverfahren
Selbständig oder nicht? Diese Frage beantwortet auf Wunsch die Clearingstelle der Rentenversicherung. Zu ihrer Arbeit liefert die Bundesregierung jetzt Zahlen.
Manche Freie wiederum finden die Sozialversicherungsfreiheit positiv, denn dadurch werden sie von den hohen Kosten der solidarischen Sozialversicherung verschont, und mancher denkt sich zudem, dass er weder krank werden wird und eine gesetzliche Rente nicht braucht, weil das Geld lieber privat investiert wird. Andere wiederum verdienen in ihrer kargen Selbständigkeit so wenig, dass sie Abgaben zur Sozialversicherung um jeden Preis vermeiden müssen, um noch über die Runden zu kommen.
Die Frage, ob die freie Mitarbeit bei der Sozialversicherung gemeldet werden muss, kann auf Antrag auch von der Clearingstelle der Rentenversicherung entschieden werden.
Für die meisten freien Journalisten stellt sich dieses Problem im Prinzip überhaupt nicht. Freie Journalisten sind eigentlich immer sozialversicherungspflichtig. Entweder über den Arbeitgeber (gerade im Rundfunkbereich gibt es viele sozialversicherte Freie) oder über die Künstlersozialkasse. Wenn jemand bei der Künstlersozialkasse den Antrag stellt, wird dort automatisch auch die Selbständigkeit mit überprüft. Freie Journalisten haben daher kaum einen Grund, zur Clearingstelle zu gehen.
Es kommen allenfalls solche Freien in Betracht, deren Arbeitgeber ihnen bereits Sozialversicherungsbeiträge abziehen, und die das geändert sehen möchten. Außerdem gibt es noch Freie, die aktuell als selbständig gelten und in der Künstlersozialkasse versichert sind, aber befürchten, dass ihr Arbeitgeber ihnen vielleicht demnächst ihren Status von Selbständigkeit auf Unselbständigkeit umstellen könnte. Eine Rolle kann dabei auch die Überlegung spielen, dass bei der Sozialversicherung über den Arbeitgeber das Bruttoeinkommen sozialversicherungspflichtig ist, bei der Künstlersozialversicherung dagegen nur der Gewinn.
Verfahren
Freie Mitarbeiter oder auch der Arbeitgeber können den Antrag bei der Clearingstelle stellen. Oft genug sind es Personen, die bereits sozialversicherungspflichtig beschäftigt werden. Sie stellen den Antrag, weil sie auf Grund ihrer persönlichen Kostenrechnung die Selbständigkeit bevorzugen und hoffen, dass die Clearingstelle für die Selbständigkeit entscheidet. Oft macht auch der Arbeitgeber Druck: Freie werden nur dann weiterbeschäftigt, wenn keine Sozialversicherungsbeiträge mehr anfallen. Deswegen sollen sie den Antrag stellen, oder ihr Arbeitgeber stellt ihn auch selbst.
Die - geschäftsführende - Bundesregierung hat jetzt Zahlen zum Antragsverfahren geliefert. Normalerweise dauert das Antragsverfahren bis zur Entscheidung 84 Tage, 60 Prozent derjenigen, die geprüft werden, werden als selbständig eingestuft. Die hohe Zahl der Selbständigkeits-Einstufungen überrascht nicht wirklich. Normalerweise melden sich eben nur Personen bei der Clearingstelle, die das Ziel haben, ihre Selbständigkeit zu erreichen. Daher stellen sie die Umstände ihrer Arbeit oft genug so dar, dass sie selbständig wirkt. Der Arbeitgeber bestätigt das gerne, denn er spart dadurch Sozialversicherungsbeiträge und andere Kosten.
Wer sozialversichert sein will, kann im Gegensatz dazu oft nicht zur Clearingstelle gehen, weil zu Recht befürchtet wird, dass der Arbeitgeber die Kündigung der freien Mitarbeit mitteilt, sobald der Mitarbeiter im Verfahren Fakten vorträgt, die gegen die Selbständigkeit sprechen.
Daher kann das Clearingstellen-Verfahren schon heute als ein System der organisierten Flucht aus der Sozialversicherung angesehen werden, über das die Politik gerne hinwegschaut, weil man damit die ärgsten Gegner der Sozialversicherung befriedigen kann, frei nach dem Motto: "Reisende soll man nicht aufhalten". Immerhin geht dieses Verfahren dann immer noch bei 40 Prozent anders aus. Richtig durchwinken, das macht die Rentenversicherung am Ende dann doch noch nicht.
Reform gefordert
Dennoch gibt es immer noch Lobbyisten, denen das Verfahren zu kompliziert ist. Sie wollen noch mehr Befreiungen vom Sozialversicherungssystem, am besten im Schnellverfahren. Die Bundestagsfraktion der GRÜNEN hat sich seit einiger Zeit zu den Fürsprechern dieser Position gemacht und wirbt dafür, Selbständigkeit noch einfacher zu machen und das Prüfungsverfahren so auszugestalten, dass am Ende möglichst viele zu ihrer Selbständigkeit gelangen. Die GRÜNEN waren es auch, die jetzt mit der "Kleinen Anfrage" im Bundestag dafür sorgten, dass die Bundesregierung nun Zahlen vorlegte.
Wie aus einem Bericht des "Handelsblatt" hervorgeht, fordern die GRÜNEN die Feststellung der Selbständigkeit schon dann, wenn Freie ein "Einkommen erzielen, die oberhalb des Einkommens eines vergleichbaren Angestellten liegen". Wer einen Freienstatus hat und ein "überdurchschnittliches Einkommen" hat, soll demnach als frei gelten. Dabei berufen sich die GRÜNEN auf ein Urteil des Bundessozialgerichts. Das Gericht hatte zwar ein hohes Einkommen nur als eines von vielen anderen Kriterien angesehen, die für eine Selbständigkeit sprechen können, - bei den GRÜNEN soll es jetzt offenbar als einziges Kriterium gelten.
Die Forderung der GRÜNEN widerspricht freilich allen Grundsätzen, die für die Einstufung von Arbeitnehmern im Europäischen Recht und im deutschen Arbeitsrecht gelten. Nach wie vor ist juristisch entscheidend der Grad der Eingliederung in den Betrieb des Arbeitgebers bzw. dessen Weisungsberechtigung.
Automatische Selbständigkeit für Personen mit höherem Einkommen?
Sollte tatsächlich die Höhe der Zahlung eine Rolle spielen, gäbe es beispielsweise im Journalismus in Zukunft jede Menge Redakteure, die ab einer bestimmten Einkommensstufe in die Freiberuflichkeit hinauskomplimentiert würden. Und dann nach paar Jahren natürlich einfacher gekündigt werden könnten, da für sie wegen der freien Mitarbeit das Kündigungsschutzgesetz nicht gelten würde, ebenso nicht das Betriebsverfassungsschutzgesetz etc.
Das heißt: wer in Redaktionen aufsteigt oder gleich hoch einsteigt, wäre frei, und so gäbe es im Journalismus erst recht "Hire and Fire", nun auch und gerade in den höheren Rängen.
So könnten die Arbeitgeber dann die Redaktionen gezielt verjüngen und damit natürlich auch Kosten kräftig senken.
Eine Einmal-Entscheidung der Rentenversicherung ist weder juristisch vertretbar noch erscheint sie praktisch sinnvoll. Es muss bei der Entscheidung über den Status immer auf die konkrete Beschäftigung gehen. Und eine Entscheidungsstelle, bei der es kein Risiko gibt, dass sie gegen den eigenen Antrag entscheidet, also nicht auch einmal eine Sozialversicherungspflicht feststellt, wäre auch keine Entscheidungsstelle mehr, sondern eine Selbständigkeitsdurchwinke-Maschinerie.
Selbständigkeitslobby in Aktion
Was die GRÜNEN in Wirklichkeit reitet, ist Fachleuten schon längere Zeit bekannt. Seit längerem haben sie sich zum Vehikel eiiner kleinen Selbständigkeitslobby gemacht, die so tut, als sei die Arbeit ohne Sozialversicherung bzw. im Status der Selbständigkeit immer von Vorteil. Bei ihrem Lobbyismus für mehr Selbständigkeit machen sich die GRÜNEN aber bei diesen Lobbygruppen auch nicht wirklich beliebt, denn gleichzeitig sind die GRÜNEN ihren Verlautbarungen zufolge der Meinung, dass Selbständige zumindest auch in die Rentenversicherung einzahlen sollten. Das wiederum sorgt bei der Selbständigkeitslobby für wenig Sympathie. Denn wenn es nach dieser geht, soll Selbständigkeit auch Rentenversicherungsfreiheit bedeuten. Wozu sonst die Verfahren bei der Clearingstelle?
Worauf das Lobbying der GRÜNEN eines Tages hinauslaufen könnte, falls sie doch einmal an die Regierung kommen, ist relativ absehbar: Selbständigkeit würde in Zukunft einfacher zu bekommen sein, und diese Selbständigen würden dann eventuell nach einigen Freistellungsjahren wegen Existenzgründung doch noch einen (vermutlich nur kleinen) Betrag in die Rentenversicherung einzahlen, in jedem Fall aber deutlich weniger als die Angestellten, und vor allem ohne Zuschuss der Arbeitgeber.
Für die Arbeitgeber wäre es dann sehr günstig, mit diesen Freien zusammenzuarbeiten, und das auch sehr rechtssicher, weil die GRÜNEN-Clearingstelle die Absolution von der Sozialversicherung für alle Zeiten erklären würde. Die befreiten Selbständigen würden unter den GRÜNEN-Sozialabgaben nicht wirklich leiden, weil sie nur gering ausfallen würden. Natürlich würden sie daraus zwar keine vernünftige Altersversorgung bekommen, aber dafür würde es am Ende wiederum den Steuerzahler geben, der den Freien dann die Grundsicherungsrente oder das eventuell auch geplante bedingungslose Grundeinkommen zahlen würde. Oder es gäbe vielleicht auch gar nichts, - das würde dann mit "Selbstverantwortung von Selbständigen" politisch gerechtfertigt.
Natürlich könnte alternativ auch über ein System wie die Künstlersozialversicherung diskutiert werden: eine Selbständigen-Sozialversicherung, die über eine Selbständigen-Sozialabgabe der Auftraggeber finanziert wird, so dass Selbständige nur die Hälfte der Sozialversicherungskosten zu leisten hätte. Doch bis ein solches System kommt, dürfte es noch lange dauern. Warum die GRÜNEN allerdings jetzt schon noch mehr Menschen in die Selbständigkeit bringen wollen, wo es derzeit keine Mitfinanzierung der Sozialversicherung der Selbständigen gibt (soweit sie nicht in die Künstlersozialversicherung kommen können), und wo viele dieser neuen Selbständigen Rentenversicherungsbeiträge in ausreichender Höhe alleine gar nicht finanzieren könnten, bleibt die Frage.
Bislang, das zeigt die Antwort der Bundesregierung, ist die bedingungslose Selbständigkeitsmaschinerie noch nicht angeworfen. Die - geschäftsführende - Bundesregierung, so die Antwort, hält die Arbeit der Clearingstelle für zufriedenstellend und verweist für Überlegungen zur Reform auf die kommende Regierung.
Michael Hirschler, hir@djv.de
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