Deutscher Journalisten-Verband Gewerkschaft der Journalistinnen und Journalisten

News für Freie

Diskriminierung von Freien

Vorwürfe müssen belegt werden

21.06.2013

Ehemalige freie Mitarbeiterin scheitert mit Antidiskriminierungsklage beim Bundesarbeitsgericht


Freie Mitarbeiter, die arbeitnehmerähnlich tätig sind, können vor den Arbeitsgerichten auf Schadensersatz klagen, wenn ihnen wegen ihrer (vermuteten) Weltanschauung gekündigt wird. Allerdings müssen diesbezügliche Indizien vorgetragen und bewiesen werden. Mit diesen Kernsätzen wies das Bundesarbeitsgericht mit Urteil vom Urteil vom 20. Juni 2013 die Klage einer Freien ab (Aktenzeichen 8 AZR 482/12).

Konkret ging es um eine freie Mitarbeiterin der China-Redaktion der Deutschen Welle, deren befristete Mitarbeit 2010 nicht verlängert wurde. Im Vorfeld hatte es im und um den Sender herum Kritik an vermeintlich zu "chinafreundlicher" Themenwahl und Semantik gegeben. Mit den Hintergründen setzte sich - mit Übernahme der Sichtweise der "Nichtverlängerten"/Gekündigten - vor allem die "Neue Rheinzeitung" auseinander, weiterhin ein aktueller Beitrag zum Thema in der "Freitag-Community". In der übrigen Medienwelt wurde und wird der Fall kaum behandelt.

An Rundfunkanstalten werden viele Mitarbeiter nur noch als "freie" Mitarbeiter beschäftigt, denen allenfalls ein "arbeitnehmerähnliches Rechtsverhältnis" zuerkannt wird. Dieses wird wiederum nur befristet abgeschlossen. Damit kann eine Mitarbeit auch ohne Angabe von Gründen beendet werden, was den Nachweis einer Diskriminierung erschwert. Darüber hinaus können allerdings auch unbefristete Mitarbeiterverträge ohne Angabe von Gründen und ohne Beachtung von sozialen Kriterien beendet werden.

An der Deutschen Welle konnten allerdings vor Jahren immerhin soziale Ausgleichsregelungen vereinbart werden, die ausscheidenden freien Mitarbeitern nach längerer Mitarbeit abfindungsähnliche Ansprüche geben. Diese ändern nichts am Tatbestand der Beendigung, sollen sie allerdings sozial abfedern. Ein Teil der Freien der Deutschen Welle wird zudem in der Arbeitslosenversicherung versichert, was ihnen in solchen Fällen weitere Ansprüche gibt.

Eine Mitbestimmung des Personalrats ist an der Deutschen Welle, aber auch einigen Rundfunkanstalten wie dem rbb ausgeschlossen. Verschiedene Reformbemühungen des DJV sind bisher an der Politik gescheitert. Allerdings kann selbst in Rundfunkanstalten, an denen eine Mitbestimmung besteht, bei Kündigungsfällen vom Personalrat nur wenig rechtlich wirksamer Einfluss genommen werden. Gegen die Nichtverlängerung von Befristungen arbeitnehmerähnlicher Personen ist erst recht kaum eine rechtliche Gegenwehr des Personalrats möglich, meistens nicht einmal bei Angestellten.

MH


O-Ton (PM BAG 43/13):

Benachteiligung wegen der Weltanschauung

Wird ein Arbeitnehmer wegen seiner Weltanschauung oder wegen bei ihm vermuteter Weltanschauung benachteiligt, kann dies Entschädigungs- und Schadensersatzansprüche nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) auslösen. Voraussetzung in beiden Fällen ist, dass Indizien vorgetragen und bewiesen werden, die auf die Benachteiligung wegen einer (vermuteten) Weltanschauung hindeuten. Persönliche Einstellungen, Sympathien oder Haltungen sind keine „Weltanschauung“.

Die Klägerin hat u.a. an der Pekinger Fremdsprachenuniversität Germanistik studiert. Mitglied einer politischen Partei war und ist sie nicht. Seit 1987 ist sie für die beklagte Rundfunkanstalt als arbeitnehmerähnliche Person in der China-Redaktion beschäftigt, wobei der letzte Honorarrahmenvertrag bis zum 31. Dezember 2010 befristet war. Die Klägerin bearbeitete als Redakteurin vorwiegend nicht-politische Themen.

Im April 2010 bewarb sie sich erfolglos für eine Festanstellung. Ende Juni 2010 teilte die Beklagte mit, dass sie über das Jahresende 2010 hinaus den befristeten Honorarrahmenvertrag nicht mehr verlängern werde. Die Klägerin erhielt die in diesem Fall vorgesehenen tariflichen Leistungen. Sie macht geltend, sie sei von der Beklagten benachteiligt worden, weil ihr diese - unzutreffend - eine Weltanschauung unterstellt habe. Die Beklagte habe bei ihr „Sympathie für die Volksrepublik China“ vermutet und „damit Unterstützung für die KP China“. Ihre Entlassung sei darauf zurückzuführen, dass die Beklagte angenommen habe, „sie sei gegenüber der Volksrepublik China zu regierungsfreundlich“. Die Beklagte habe sie daher wegen einer unterstellten, in der Sache aber nicht gegebenen Weltanschauung diskriminiert.

Die Klage blieb in allen drei Instanzen ohne Erfolg. Es kann dahinstehen, ob und wo heute noch eine „kommunistische Weltanschauung“ o.ä. existiert. Unbestritten lehnt die Klägerin derartiges für sich ab und ist auch nicht Mitglied der KP China. Sofern sie der beklagten Rundfunkanstalt vorhält, diese sei davon ausgegangen, sie hege Sympathie für die Volksrepublik China und berichte freundlich über deren Regierung, trägt sie keine Tatsachen vor, die den Schluss darauf zulassen, sie sei wegen einer ihr unterstellten Weltanschauung benachteiligt worden. Selbst wenn die Beklagte im Rahmen der ihr grundrechtlich garantierten Rundfunkfreiheit eine stärkere journalistische Distanz zu der Regierung in Peking durchsetzen wollte und deswegen die Zusammenarbeit mit der Klägerin beendet hätte, indizierte dies nicht, dass die Beklagte der Klägerin eine Weltanschauung unterstellt hätte. Im Übrigen bedeutet Sympathie für ein Land nicht Sympathie für eine die Regierung tragende Partei; schon gar nicht kann nach der Lebenserfahrung angenommen werden, dass deren weltanschauliche Fundierung, so sie eine hat, vom Sympathisanten geteilt wird. Der Senat hat daher wie die Vorinstanzen die Klage als unschlüssig abgewiesen.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 20. Juni 2013 - 8 AZR 482/12 -
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Köln, Urteil vom 13. Februar 2012 - 2 Sa 768/11 -


News für Freie

Nach Tagesspiegel-Urteil

Auskunftsgesetz muss her

09.06.22

Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg gegen den Tagesspiegel unterstreicht aus Sicht des Deutschen Journalisten-Verbands die Notwendigkeit eines Presseauskunftsgesetzes auf Bundesebene.

ADAC-Fotos

Konkurrenz für Freie

07.06.22

Der Deutsche Journalisten-Verband sieht in der Vermarktung von Fotos der ADAC Luftrettung eine unzulässige Konkurrenz mit freien Bildjournalisten.

"Hinterland"

Medien machen im Lokalen - der Journalismus erfindet sich neu

03.06.22

Was macht ein Ostfriese an der polnisch-ukrainischen Grenze? Was sich nach einem Ostfriesenwitz anhört, ist in Wirklichkeit ein Zeichen von neuen Richtungsentscheidungen in Lokalmedien. „Wir wollen weg vom Terminjournalismus, hin...

Corona-Krise

Neustarthilfe April-Juni jetzt beantragen

14.04.22

Ab sofort können Anträge auf Neustarthilfe für den Förderzeitraum April bis Juni 2022 gestellt werden. Dabei werden Soloselbstständige, Kapitalgesellschaften, Genossenschaften, unständig Beschäftigte sowie kurz befristete...

Freie

Honorare müssen endlich steigen

28.03.22

Der Deutsche Journalisten-Verband fordert die Zeitungsverleger auf, die Honorare der freien Journalistinnen und Journalisten endlich auf ein angemessenes Niveau anzuheben.

Presseauskünfte

Corona-Expertenrat kein Geheimzirkel

24.03.22

Der Deutsche Journalisten-Verband fordert die Bundesregierung auf, Medienanfragen über die Arbeit des Corona-Expertenrats zu beantworten.

Freie

DJV startet „Journalismus im Hinterland“

04.03.22

Über den Journalismus in Frankreichs Regionen und dem deutschen Hinterland-Manifest der Zeitschrift „hinterlands magazine“ ging es am 2. März 2022 in einer Onlinekonferenz. Mit einem Kick-off-Workshop startete der DJV die...

Ukraine

Wir sind solidarisch

25.02.22

Solidarität mit der Ukraine ist das Gebot der Stunde.

Ukraine

DJV ruft zu äußerster Vorsicht auf

24.02.22

Nach dem Beginn der Kampfhandlungen in der Ukraine ruft der Deutsche Journalisten-Verband die Korrespondenten vor Ort zu äußerster Vorsicht auf.

BDZV

Geheimniskrämerei contra Transparenz

14.02.22

Zu den neuen Vorwürfen der Financial Times in der Reichelt-Affäre schweigt sich Springer beharrlich aus. Wie passt das Schweigegelübde zur Transparenzforderung des Verlegerverbands an die Politik?

Corona-Krise

Neustarthilfe Januar-März 2022 kann jetzt beantragt werden

20.01.22

Die Corona-Krise hat viele Freie hart getroffen - und dauert immer noch an. Daher wird das Programm der Neustarthilfe auch im Frühjahr 2022 fortgesetzt. Bis zu 4.500 Euro können in diesem Hilfsangebot beantragt werden. Für Freie...

Kritische Infrastruktur

Journalisten gehören dazu

06.01.22

Der Deutsche Journalisten-Verband stellt gegenüber Bund und Ländern klar, dass Journalistinnen und Journalisten Teil der kritischen Infrastruktur sind.

News 37 bis 48 von 855

Schon gewusst?Der DJV vertritt seine Mitglieder in zahlreichen Gremien und Einrichtungen der Medien. Rundfunkräte, Medienanstalten, Pressevversorgungswerk, VG WORT, VG BILD KUNST, Künstlersozialkasse

In den Aufsichtsgremien vieler Rundfunkanstalten der ARD sitzen nicht nur Politiker. Foto: Hirschler

Schon gewusst?Der DJV vertritt seine Mitglieder in zahlreichen Gremien und Einrichtungen der Medien. Rundfunkräte, Medienanstalten, Pressevversorgungswerk, VG WORT, VG BILD KUNST, Künstlersozialkasse

Weitere interessante Themen

Newsletter

Cookie Einstellungen