Deutscher Journalisten-Verband Gewerkschaft der Journalistinnen und Journalisten

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Freie Journalisten

Zuschussrente: Ein Vorteil für die freien Journalisten?

03.09.2012

Die gesetzliche Rente reicht nicht aus, die Zuschussrente muss her. So die Arbeitsministerin. Was gilt eigentlich für freie Journalisten?


Wer monatlich rund 2.500 Euro Monat verdient, kommt mit seinen Rentenansprüchen nach 35 Jahre gerade mal auf das Grundsicherungsniveau. So die Nachrichten in den Medien, die entsprechende Warnhinweise aus dem Arbeitsministerium gerne weiterleiten. Denn für Aufmerksamkeit ist gesorgt, weil niemand im Alter gerne noch hinzuverdienen möchte.

Hintergrund der plötzlichen Erkenntnisse ist der Plan der Arbeitsministerin von der Leyen, langjährig Versicherten durch Zuzahlungen den Gang zum Grundsicherungsamt ersparen zu wollen.

Freie Journalisten: Durchschnittlich rund 500 Euro monatlich


Was gilt eigentlich für freie Journalisten, die durchschnittlich noch viel weniger als Durchschnittsverdiener im Geldbeutel haben? Wer beispielsweise nur auf einen Gewinn von monatlich rund 1.000 Euro kommt und darauf Rentenbeiträge über die Künstlersozialkasse abführt, darf nach Berechnungen des DJV  mit rund 300 Euro monatlich im heutigen Realwert rechnen. Erst recht gilt das für Personen, die - weil es die Künstlersozialkasse bis 1981 in den alten Bundesländern nicht gab und ihr Bestand wegen Klagen der Verlegerverbände bis Mitte der 80er Jahre auch noch zweifelhaft war - vielleicht nur 25 bis 30 Jahre bei der Künstlersozialkasse versichert waren und dadurch nicht genug "Punkte" bei der Rentenversicherung sammeln konnten.

Der DJV geht davon aus, dass freie Journalisten, die wie der Durchschnitt jährlich rund 20.000 Euro als Arbeitseinkommen bei der Künstlersozialkasse angeben ("schätzen"), damit einen Anspruch auf Altersrente in Höhe von rund 500 Euro erwerben. Letztlich kann jeder Versicherte seinen zu erwartenden Anspruch auf der jährlichen Information der Gesetzlichen Rentenversicherung sehen.

Zuschussrente für freie Journalisten?

300, 400, 500 Euro - Rentenansprüche in dieser Größenordnung machen den Gang zum Grundsicherungsamt praktisch zwangsläufig. Anders könnte es sein, wenn die Freien mit dem Projekt Zuschussrente einen Zuschuss erhalten würden - unter besonderer Berücksichtigung der kürzeren Versicherungszeiten, weil die KSK eben erst spät eingeführt wurde, zudem inmitten einer juristischen Auseinandersetzung mit den Verlegern. Im Falle der Einführung der Zuschussrente wäre dieser Tatbestand gesondert zu berücksichtigen, indem die Jahresvoraussetzungen für den Anspruch auf Zuschussleistungen herabzusetzen wären.

Mit gigantischen Ansprüchen ist allerdings auch bei der geplanten Zuschussrente nicht zu rechnen. Das Arbeitsministerin spricht derzeit von 850 Euro als Rentenniveau, bis zu dem aufgefüllt werden soll, - ein Beitrag, der eher schaudern macht.

Kritik der Etablierten


So schön das Projekt für Freie mit geringen Rentenansprüchen klingt, so hart ist die Kritik der Etablierten und der Vertreter der Besserverdienenden. Diese möchten nicht, dass das System Einzahlung - Anspruch durch Umverteilung der Beiträge ins Wanken kommt. Die Rentenversicherung ist eigentlich beitragsorientiert, so das Argument, die Bezuschussung belaste die Deutsche Rentenversicherung und die Ansprüche und/oder Beitragshöhe der übrigen Versicherten. Die Rentenversicherung wird demnach zum Instrument einer - sehr relativen - Umverteilung, die andere benachteiligt. Die Illusion des nie versiegenden Sozialversicherungsfüllhorns führt aus dieser Warte Regie beim Projekt, und das in Zeiten einer stets wachsenden Zahl von Rentenbeziehern.

Nicht wirklich besser wird aus dieser Sicht das Projekt, wenn als Alternative die Finanzierung der Zuschussrente durch den Steuerzahler gefordert wird. Auch hier wird der Bundeshaushalt belastet, was mit hoher Wahrscheinlichkeit den Bestand anderer Sozialleistungen gefährdet oder aber die Steuerquote zu Lasten der Steuerzahler hoch hält. Ob eine Umverteilung über die Rentenversicherung oder den Steuerzahler abgewickelt wird, ist letztlich nur Augenwischerei für Leute, die nicht rechnen können oder wollen.

Die Rente lohnt sich, als Gegenargument

Umgekehrt sei es, so die Philosophie der Parteigänger der Arbeitsministerin. Nur wenn sich mehr als Grundsicherung als Rentenanspruch ergebe, würde das Zwangssystem Rentenversicherung überhaupt akzeptiert und der Flucht in anspruchslose Scheinselbständigkeit vorgesorgt. Wer langjährig einzahle, müsse mehr erhalten als der Antragsteller auf Grundsicherung. Die Zuschussrente ist demnach eine Art "Marketingprämie" der Rentenversicherung, um ihre Attraktivität zu untermauern.

Gerade freie Journalisten, die wenig verdient haben und daher wenig einzahlen konnten, können dieses Argument unterschreiben. Warum überhaupt sollten sie derzeit einzahlen, wenn am Ende dann doch praktisch "Hartz IV für Alte" angesagt ist? Rente muss sich doch lohnen, so ihr Argument.

Ein weiterer Punkt: Zudem ist das Rentensystem schon heute durch die Anerkennung von Erziehungs- und Ausbildungszeiten von Umverteilung geprägt, auch wenn diese zum Teil mit Zuschüssen aus dem Bundeshaushalt gerechtfertigt wird. Und letztlich ist das bestehende Umlageverfahren ohnehin ein gigantisches Umverteilungssystem - von der derzeitigen Arbeitsgeneration an die jetzigen Rentner. Warum also jetzt anlässlich der Zuschussrente eine Umverteilung kritisieren, die schon immer stattgefunden hat?

Ende offen


Noch scheint es nicht so, als würde die Arbeitsministerin das Projekt mit ihrer politischen Zukunft verknüpfen. Dass es ihr ernst ist, scheint dagegen unübersehbar.

Natürlich könnte man auch darauf hinweisen, dass am Ende alles den Bürger belastet. Ob Ältere ergänzende Grundsicherung oder aber eine Zuschussrente erhalten, ist in vielen Punkten für den Bürger nur ein formeller Unterschied. Wer kein Geld über die Zuschussrente erhält, wird am Ende oft genug Grundsicherung beantragen. Zusammen mit dem dafür notwendigen Verwaltungsaufwand verursacht die etwas geringere Grundsicherung damit vermutlich in etwa die gleichen Kosten wie die Zuschussrente. Der einzige Unterschied bei den Kosten ist damit die Herkunft der Gelder: Bei der Zuschussrente zahlt die Rentenversicherung und der Beitragszahler über seinen Beitrag, bei der Grundsicherung der Bundeshaushalt und damit derselbe Beitragszahler ebenfalls, nur eben über die Einkommensteuer oder zusätzliche Staatsschulden.

Wenn es um eine Steuerfinanzierung geht, haben freilich auch die Haushaltsexperten ihr Wörtlein mitzureden. Die Haushälter erscheinen dabei - im Zeitalter einer paneuropäischen Austeritätspolitik - als die eigentliche Opposition in Sachen steuerfinanzierte Zuschussrente. Was letztlich auch die ganze Vorgehensweise der Arbeitsministerin erklärt: Eine Regierung, die Sparpolitik europaweit als Devise ausgibt und im eigenen Land in jeder Weise umsetzt, hat kein Geld zum Spielen mehr. Die Kosten aber für die zur Regierungszeiten von Rot/Grün geschaffene Grundsicherung explodieren und sind über Steuerzahlungen in Zukunft immer schwerer zu finanzieren, wie der DJV schon zur Einführung dieser wunderschönen Sozialleistung prognostiziert hatte (und deswegen immer schon zu zusätzlicher privater Absicherung geraten hat, weil niemand sich auf die Grundsicherung verlassen sollte). Das schwarzgelbe Sparprojekt will im Grunde ein Stück weit aus der steuerfinanzierten Grundsicherung aussteigen und sucht dafür einen Ersatz.

Sich deswegen durch die Einführung der Zuschussrente bei der Deutschen Rentenversicherung zu bedienen, ist für die Bundesregierung relativ einfach, weil hier die Haushaltspolitiker eher nicht zuständig ist. Ob es allerdings eine gute Idee ist, zur Vermeidung politischer Auseinandersetzungen aus der Deutschen Rentenversicherung einen Schattenhaushalt für Sozialprojekte zu machen, darf durchaus gefragt werden.

Das Ende der Debatte scheint daher noch offen zu sein.

(Update 4.9.)

Michael Hirschler, hir@djv.de

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