Deutscher Journalisten-Verband Gewerkschaft der Journalistinnen und Journalisten

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Pressefreiheit

Serbische Journalisten suchen Schutz im Ausland

21.03.2024

"Die Bedrohungen gegenüber meiner Person haben ein unerträgliches Maß erreicht", berichtete eine Journalistin aus Serbien am 18. März  auf einer Onlineveranstaltung der Europäischen Journalisten-Föderation (EJF). "Ich denke, dass es notwendig wird, Serbien in den nächsten Wochen zu verlassen, um mich und meine Familie zu schützen!" Eine Situation, die andere journalistisch Berufstätige sowie Medienexperten aus Serbien bestätigten. Drohungen über Social Media und Mail haben demnach sehr stark zugenommen. Dabei sprechen nach ihrer Meinung offenbar alle Umstände dafür, dass diese Kampagne politisch gesteuert ist und direkt aus dem Präsidentenpalast kommt, meinten die Teilnehmenden aus Serbien.

Anlass für das Meeting der EJF war eigentlich gar nicht die aktuelle Bedrohungssituation gewesen, sondern das unrühmliche Ende eines jahrelangen Prozesses gegen Personen, die wegen des Mordes an einem Journalisten angeklagt waren. Freispruch statt Strafe, und auch hier die Meinung der Prozessbeobachtung, dass die gerichtliche Entscheidung von der Staatsspitze beeinflusst wurde. Konkret ging es um den Prozess wegen der Ermordung des serbischen Journalisten Slavko Ćuruvija. Dieser war am 11. April 1999 vor seiner Wohnung in Belgrad niedergeschossen worden. Der Fall hatte erst 2019 zu einer Verurteilung von vier Personen geführt. Diese Entscheidung wurde auch im Berufungsverfahren 2020 bestätigt. Doch 2022 wurde das Verfahren erneut aufgenommen und endete nunmehr am 2. Februar 2024 mit einem Freispruch der vier Tatverdächtigen.

Slavko Ćuruvija war ein Journalist, der eigentlich enge persönliche Verbindungen zum Milošević-Regime gehabt haben soll. Nachdem er aber im NATO-Krieg gegen Serbien auf Distanz zum Regime ging, soll ihm Verrat vorgeworfen worden sein. Der Verdacht, dass sein Tod die direkte Folge seiner politischen Überzeugungen war, liegt nach Meinung der serbischen Journalisten mehr als nahe. Der plötzliche Freispruch, nachdem zwei Gerichte die Schuld der Angeklagten bejaht hatte, wird von den Medienleuten auf eine Einflussnahme des serbischen Präsidenten zurückgeführt. Dessen Motiv dafür könnte sein, die verschiedenen Fraktionen im Machtgefüge des Staates zusammenzuhalten und durch den Freispruch ein Signal an die immer noch vorhandenen Anhänger der Milošević-Politik zu senden. Ein Zusammenhang mit dem Präsidenten oder seinem Umfeld soll nach Auffassung der serbischen Medienleute auch daran zu sehen sein, dass die Kritiker des Freispruchs mit einer Social-Media-Kampagne konfrontiert wurden, deren Quelle sie wiederum auf Regierungskreise zurückführen zu können meinen.

Nun stellt sich die Frage, wie den von Hass und Hetze betroffenen Journalisten konkret geholfen werden kann. Gibt es Möglichkeiten, sie temporär im Ausland aufzunehmen oder zumindest eine Auszeit zu ermöglichen? Darüber zerbrechen sich die Mitarbeitenden der Europäischen Journalisten-Föderation und auch des Deutschen Journalisten-Verbandes jetzt die Köpfe. Medieninitiativen, gemeinnützige Einrichtungen und Stiftungen sind gefragt, hier zu helfen (Kontakt: djv@djv.de).

Natürlich fragt sich auch, was die Europäische Union, mit der sich Serbien in Beitrittsgesprächen befindet und von der Serbien zur Vorbereitung des Beitritts regelmäßig Millionenzahlungen erhält, angesichts solcher Angriffe auf die Medienfreiheit unternehmen wird. Seit 2007 erhält Serbien von der EU im Rahmen von Unterstützungsleistungen in Hinblick auf einen Beitritt jährlich rund 170 Millionen Euro, wie die EU-Rechnungsprüfung im Jahr 2014 dokumentierte. Im Zeitraum 2014-2020 waren es insgesamt 1,539 Milliarden Euro. Im Moment sollen die Zahlungen bei über 200 Millionen Euro im Jahr liegen. Ebenso stellt sich die Frage, wie die deutsche Politik die drastische Verschlechterung der Pressefreiheit kommentieren will.

Die Überzeugung der serbischen Journalisten ist klar: Die aktuelle Regierung wird ihre Angriffe gegen Journalisten nur zurückfahren, wenn diese im Ausland registriert werden. Ein Grund genug für die EJF und andere, das Wort zu ergreifen.

Im Blog der EJF finden sich weitere Details zum Sachstand.

Red.

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