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"Julia Redas Kampagne wegen Panoramafreiheit zielt in Wirklichkeit gegen das Urheberrecht"

02.07.2015

„Weniger Emotionen notwendig“: VG BILD-KUNST äußert scharfe Kritik an Europapolitikerin

Die Verwertungsgesellschaft BILD-KUNST nimmt mit einem Sonder-Newsletter Stellung zur Debatte um die Panoramafreiheit auf europäischer Ebene. Dabei äußert die Verwertungsgesellschaft deutliche Kritik gegenüber der Europapolitikerin der Piratenpartei Julia Reda. Deren Absicht bestehe nicht vornehmlich darin, die Panoramafreiheit zu verteidigen, sondern das gesamte Positionspapier des Europäischen Parlaments zum Urheberrecht wieder in Frage zu stellen.

„Julia Reda will mit der Kampagne bewirken, dass das Europäische Parlament den ausgewogenen Bericht des Rechtsausschusses wieder aufmacht und ihr somit doch noch eine Chance gibt, ihre ursprünglichen, teils deutlich urheberfeindlichen Positionen durchzusetzen. Oder mit anderen Worten: die Panoramafreiheit wird hier wohl als Vehikel benutzt, erneut eine Stimmung gegen das Urheberrecht zu erzeugen.“

Die Verwertungsgesellschaft vertritt dabei die Ansicht, dass durch das Papier derzeit kein Grund zur Aufregung besteht:

„Der Bericht des Rechtsausschusses verlangt nicht, dass die Mitgliedsstaaten ihre bestehenden Vorschriften ändern. Der Report hebt nur hervor, dass kommerzielle Nutzungen nicht ohne Zustimmung der Urheberrinnen und Urheber erfolgen sollen. Im Übrigen hat das EU-Parlament keine Gesetzgebungskompetenz. Gesetze initiieren kann nur die EU-Kommission und die interessiert sich für das Thema nicht.“

Die Verwertungsgesellschaft BILD-KUNST betont in ihrer Stellungnahme, dass es ihr allein darum gehe, neuerliche Angriffe auf das Urheberrecht abzuwehren. Eine Stellungnahme zur Frage, ob die Forderung nach Verbot oder Erlaubnis der gewerblichen Panoramafotografie sinnvoll wäre, will die Verwertungsgesellschaft allerdings nicht abgeben.

Die Erklärung für diese zurückhaltende Position ist in der Mitgliederstruktur der VG BILD-KUNST zu finden. Zwar vertritt sie Fotografen, Fotojournalisten, Filmurheber und Dokumentarfilmproduzenten, von denen die meisten für die uneingeschränkte, also auch gewerbliche Panoramafreiheit eintreten dürften.

Doch unter ihren Mitgliedern ist auch die „andere Seite“ zu finden, bildende Künstler und Architekten, die Urheber von öffentlich sichtbaren Kunstwerken, Denkmälern und Hausbauten. In dieser Gruppe gibt es durchaus einige Urheber, die gerne eine Beteiligung an der Nutzung ihrer Werke sehen würden, - vielleicht nicht so sehr von den Fotografen selbst, wohl aber von den finanziell gut ausgestatteten Medienhäusern und großen, kommerziellen Internetplattformen.

Der Hintergrund: Das „Reda-Papier“


Die Ursprungsfassung des jetzt strittigen Papiers war von Julia Reda selbst verfasst worden. Der relativ kurze Entwurfstext war für die zuständigen Parlamentsausschüsse so unakzeptabel, dass dazu weit über 500 Änderungsanträge gestellt wurden. Damit wurde der „Reda-Bericht“, der von einigen der Piratenpartei nahestehenden Netzpolitikern geradezu gefeiert wurde, weitgehend in sein Gegenteil verkehrt.

Das Positionspapier tritt jetzt für die Sicherung der Rechte der Urheber ein. Da auch die Urheber von Bauwerken und Denkmäler in einigen EU-Staaten Rechte gegenüber Fotografen haben, wurde die von Julia Reda politisch an dieser  Stelle sehr ungeschickt platzierte Forderung nach der Ausdehnung der Panoramafreiheit auf ganz Europa vom Parlamentsausschuss in das Gegenteil verkehrt, das Papier fordert jetzt die Abschaffung der Panoramafreiheit in Europa, soweit es um gewerbliche Nutzungen der Fotos urheberrechtlich geschützter Werke geht.

Die ganze Geschichte dieses Positionspapiers zeigt, dass Julia Reda die denkbar schlechteste Wahl für einen Bericht zur Zukunft des Urheberrechtes war. Statt von vornherein Wege auszuloten, die für das Parlament akzeptabel wären und Themen auszulassen, die nach hinten losgehen könnten, war Julia Reda von Anfang an auf Krawall aus. Schon vor ihrer Bestellung warnten Urheberverbände wie der Berufsverband medienmusik davor, sie zur Berichterstatterin im Parlament zu ernennen. Auch im Internet gab es dann auf den von ihr zum Thema eingerichteten Seiten erhebliche, von ihr nicht erwartete Auseinandersetzungen und Kritik. Dabei soll Berichten zufolge Julia Reda kritische Stellungnahmen sogar unterdrückt haben. Vor allem in Frankreich formierte sich der Widerstand. Kein Wunder also, dass ihr Bericht im Parlament komplett zerpflückt und umgekehrt wurde, mit der nunmehr bekannten Nebenfolge der Forderung zur Abschaffung der Panoramafreiheit für gewerbliche Nutzungen.

Warum der Rechtsausschuss des Europäischen Parlaments überhaupt die Politikerin einer Splitterpartei mit der Erarbeitung des Berichts beauftragt hatte, wo absehbar war, dass es erhebliche Widerstände geben würde, ist ein offenes Geheimnis: Teile des europäischen Establishments schauen mit Neid auf die US-Wirtschaft, wo ein rücksichtsloser Umgang mit dem Urheberrecht für erhebliche Profite und damit Wirtschaftswachstum zu sorgen scheint.

Die Digitalagenda von EU-Kommissionspräsident Juncker zielt daher darauf, die europäische Wirtschaft für den digitalen Wettbewerb flottzumachen und vermeintliche Hinternisse im Urheberrecht beiseite zu räumen. Manche sehen daher auch in der Bestellung von Julia Reda zur Berichterstatterin im Parlament auch direkt die Handschrift von Juncker, siehe dazu auch die F.A.Z.

Die Beauftragung von Reda war in jedem Fall ein deutliches Zeichen an die europäische Internetwirtschaft, dass Teile der europäischen Politik bereit sind, ihr entgegenzukommen. 

Das Parlament hat dieses Spiel vorläufig nicht mitgespielt, allerdings gilt auch hier wie in jedem politischen Spiel höherer Ordnung, eine erste (nicht einmal unbedingt unbeabsichtigte) Niederlage bereitet meist nur die nächste Initiative vor, - Hauptsache das Ballspiel drängt sich immer weiter hin in Richtung Tor-Bereich. Dabei ist klar, dass die Europäische Kommission und ihre Unterstützer im Parlament das Urheberrecht nicht nur über Richtlinien zum Urheberrecht aushebeln könnten. Auch andere europäische Richtlinien und internationale Abkommen über Investitionsschutz wie das TTIP können bei diesem uneingestandenen Ziel helfen. Für diejenigen, die sich für eine angemessene Beteiligung an der Verwertung ihrer Urheberrechte einsetzen, bleibt es also in jedem Fall spannend.

Wer übrigens den auf der Seite pro-panoramafreiheit.de veröffentlichten DJV-Appell "Pro Panoramafreiheit" unterzeichnet, muss sich keine Sorgen machen, dass die Unterzeichnung als Mittel gegen das Urheberrecht eingesetzt wird. Der DJV setzt sich einerseits voll für das Urheberrechte der Fotografen und Fotojournalisten ein, andererseits auch uneingeschränkt für die Panoramafreiheit.


M. Hirschler, hir@djv.de
(Update 3.7.2015)

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