Deutscher Journalisten-Verband Gewerkschaft der Journalistinnen und Journalisten
Mehr zum Thema

Bildjournalisten

Bildermarkt

Mal richtig aufregen

10.03.2014

Es ist vollkommen richtig, dass Sie sich aufregen. Wirklich. Heute morgen haben Sie angerufen (wir waren ausnahmsweise mal in einer Sitzung). Wir dürfen Ihnen jetzt auf diesem Weg antworten.

Ein Mann sagt: Fuck you, Getty Images. Das Bild darf kostenlos auf Website eingebettet werden, sagt der Vermerk auf Englisch.

Per Blogeintrag antworten, ist manchmal einfacher. Denn Sie sind ja nicht allein. Hier draußen sind Dutzende, ja Hunderte, die aufgeregt sind. Wir würden tagelang telefonieren und zugleich immer nur das Gleiche sagen: Ja, wir sind uns einig. Wir sind uns völlig einig. (Abger das würde Sie nicht davon weiter abhalten, sich zu empören).

Natürlich wissen jetzt einige, Branchenfremde, gar nicht, wovon dieser Blogbeitrag handelt. Dazu genügt nur ein Wort: Getty. Vielleicht noch eines dazu: Getty Images.

Hat es immer noch nicht (sprichwörtlich) "Klick" gemacht? Die Rede ist von der Bildagentur, die jetzt einen großen Teil kostenlos bereitstellt, für Blogs und andere Webseiten.

Das regt Bildjournalisten, jedenfalls einen guten Teil von ihnen, mächtig auf. Denn die kostenlose Weitergabe von Bildmaterial zum Zweck der "Bildvermarktung", das verlangen ja seit einigen Jahren immer mehr Kunden.

"Wir würden gerne dieses Bild verwenden. Wir schreiben auch Ihren Namen darunter. Das ist doch Werbung für Sie", heißt es dann. Und zwar nicht von einem bloggenden Schüler der 5. Klasse, dessen Website ja vielleicht noch unterstützt werden könnte, sondern renommierten Kunstverlagen.

Das Leben eines Bildjournalisten als lebenslanges unbezahltes Praktikum: Erst kürzlich erzählte ein Brancheninsider, dass eine deutsche Zeitschrift zu einem  guten Teil auf den Ankauf von Bildern verzichtet, weil die Studenten eines Bildstudiengangs ihr Bildmaterial dort (kostenlos) unterbringen möchten, ja geradezu müssen.

Regen Sie sich auf. Über die Zeitschrift, über Getty Images (eine Agentur, von der wir kürzlich hörten, dass der Inhaber einer kleineren Bildagentur, der sich gerne über solche Dumpingmethoden aufregte, sein gesamtes Bildarchiv eben an diese Riesenagentur verkaufte - vielleicht gehören jetzt seine Bilder auch zum Kostenlos-Fundus für Webseiten).

Bei aller Aufregung: Machen Sie sich auch noch klar, dass Sie neben dem Schaden auch noch den Spott haben. Denn in den Medien gibt es nicht wenige, die diese Entscheidung von Getty Images für einen klugen Schachzug halten. Lieber eigenes Material kostenlos verbreiten und damit einen Rest-Werbe-Effekt erhalten, als gänzlich dem ständig expandierenden Kostenlosmarkt der Laien und gar nicht so laienhaften Wikimedia-Produzenten zuzuschauen (die erst kürzlich wieder durch Spenden Zigtausende von Euro für die Produktion von Bildern bekommen haben, die professionell angefertigt und anschließend zur kostenlosen Nutzung bereit gestellt werden).

Spott über den Bildjournalisten und diejenige Bildagentur, die immer noch meinen, dass Bildnutzungen kostenpflichtig sein müssten.

In Süddeutschland gibt es jetzt in einer Zeitung einen Wochenbeilage mit Vereinsberichterstattung, deren Inhalte (Texte und Bilder) alleine oder vor allem von den Vereinen selbst geliefert werden.

Es geht also im Zweifel sogar gänzlich ohne Getty.

Regen Sie sich dennoch auf. Sie tun es völlig zu Recht. Ja, selbst wenn die Spötter Sie für einen Dinosaurier halten - wer sagt denn, dass die letzten Dinosaurier der Urzeit nicht auch zu Recht aufgeregt waren, bevor sie in den Sümpfen versanken? Wer wollte es ihnen verdenken, dass sie noch ein letztes Mal aufheulten?

Natürlich sind Menschen keine urzeitlichen Echsen - sie können die (geschäftliche) Evolution ein Stück weit beeinflussen. Was das heißt? Unterlassungsklage mit dem Wettbewerbsrecht, wegen "Verramschung", gegen Getty? Das wäre mal eine Idee.

Wenn schon Wettbewerbsrecht, wäre vielleicht ein anderer Ansatz sinnvoll: Unlauterer Wettbewerb wegen verdeckter Kosten. Das Angebot von Getty suggeriert Kostenfreiheit, bietet für den Nutzer aber einiges an Fußangeln, bis hin zur möglicherweise datenschutzwidrigen Erfassung der Nutzerdaten.

Aber was, wenn solche Argumente nicht weiterhelfen?

Erneut wird nur weiterhelfen, diesen Markt ein gutes Stück abzuschreiben. Vielleicht ohnehin kein allzu relevanter Markt, denn die meisten Blogger und Betreiber einfacher Websites investieren ohnehin kaum in kostenpflichtiges Material. Vielen potenziellen Kunden wird der klobige Getty-Viewer ohnehin ein optisches Graus sein. Und was, wenn es einmal bei Getty technische Probleme gibt? Dann könnte es sein, dass die Website voller peinlicher Löcher wäre.

Bildjournalisten und Bildagenturen sollten ihren Kunden in Zukunft klar machen, dass sie mehr bieten als Getty Images. Keinen klobigen Bildviewer - nein,  das Bild kann direkt genutzt werden, nur der Name des Fotografen und seiner Agentur gehört daran, das ist alles.

Ein Argument gegen Getty und für die eigenen Bilder könnte übrigens sein: Meine Bilder sorgen für Aufmerksamkeit, weil es diese  auf anderen Seite nicht oder kaum gibt. Nehmen Sie keine Getty-Bilder, denn die sind optisch verbraucht, weil sie auf endlos vielen Websites zu finden sind.

Anders, nicht beliebig und hundertfach benutzt, gesehen - das kann, das muss heute ein Argument sein. Ob dieses Argument immer zieht, kann nicht garantiert werden.

Aber eines ist klar: Sie müssen sich nicht nur aufregen. Sie dürfen vielleicht auch einmal hämisch lachen. Über Getty. Die Riesen-Bildagentur, die jetzt einem Ramschladen gleicht.

Auch wenn es nicht unbedingt lange anhalten wird, dieses Lachen - versuchen Sie es einmal.



MH
 

 

 

 

 

News-Übersicht für Bildjournalisten

"Hinterland"

Medien machen im Lokalen - der Journalismus erfindet sich neu

03.06.22

Was macht ein Ostfriese an der polnisch-ukrainischen Grenze? Was sich nach einem Ostfriesenwitz anhört, ist in Wirklichkeit ein Zeichen von neuen Richtungsentscheidungen in Lokalmedien. „Wir wollen weg vom Terminjournalismus, hin...

Olaf Scholz

Die Sache mit dem Fototermin

18.05.22

Der Bundeskanzler hat einen Begriff aus dem Politikbetrieb schlagzeilenträchtig gemacht: Fototermin. Dafür wolle er nicht nach Kiew reisen, sagte Scholz. Auch wir Journalisten würden in Politikerauftritten gern mehr sehen als...

Corona-Krise

Neustarthilfe April-Juni jetzt beantragen

14.04.22

Ab sofort können Anträge auf Neustarthilfe für den Förderzeitraum April bis Juni 2022 gestellt werden. Dabei werden Soloselbstständige, Kapitalgesellschaften, Genossenschaften, unständig Beschäftigte sowie kurz befristete...

Corona-Krise

Neustarthilfe Januar-März 2022 kann jetzt beantragt werden

20.01.22

Die Corona-Krise hat viele Freie hart getroffen - und dauert immer noch an. Daher wird das Programm der Neustarthilfe auch im Frühjahr 2022 fortgesetzt. Bis zu 4.500 Euro können in diesem Hilfsangebot beantragt werden. Für Freie...

Fotografen haben Namen

Drei Zeitungen gewinnen

17.12.21

Die drei Zeitungen Serbske Nowiny, Main-Post und Straubinger Tagblatt haben bei der Aktion „Fotografen haben Namen“ am besten abgeschnitten.

Fotorecht

Framing von Fotos kann verboten werden

09.09.21

In Verträgen kann festgelegt werden, dass Fotografien bei Nutzung im Internet gegen "Framing" im Internet geschützt werden müssen. Das hat der Bundesgerichtshof am 9. September 2021 entschieden. Im konkreten Fall stellte er fest,...

Corona-Krise

Neue Hilfen für Freie

21.07.21

Der DJV informiert in einem aktuellen "Tipps für Freie" über neue Hilfen für Freie angesichts fortdauernder wirtschaftlicher Schwierigkeiten in Zusammenhang mit der Corona-Krise. Link zum DJV-Tipps für Freie (PDF)

Corona-Krise

Arbeitsstipendien der Verwertungsgesellschaft Bild-Kunst

14.07.21

Mit Hilfe eines schmalen  Förderungsprogramms der Bundesregierung versucht die Verwertungsgesellschaft Bild-Kunst in der Corona-Krise zu helfen. Im Rahmen des Programms "Neustart Kultur" werden nach Antrag und...

Coronakrise

Update des Tipps für Freie zur Neustarthilfe und zur Überbrückungshilfe III

11.05.21

Die Informationen des DJV zum Thema Neustarthilfe und Überbrückungshilfe III wurden aktualisiert und sind auf DJV.de im Format PDF abrufbar.

News 19 bis 27 von 402
Newsletter

Cookie Einstellungen