Bildjournalisten
Mal richtig aufregen
Es ist vollkommen richtig, dass Sie sich aufregen. Wirklich. Heute morgen haben Sie angerufen (wir waren ausnahmsweise mal in einer Sitzung). Wir dürfen Ihnen jetzt auf diesem Weg antworten.
Natürlich wissen jetzt einige, Branchenfremde, gar nicht, wovon dieser Blogbeitrag handelt. Dazu genügt nur ein Wort: Getty. Vielleicht noch eines dazu: Getty Images.
Hat es immer noch nicht (sprichwörtlich) "Klick" gemacht? Die Rede ist von der Bildagentur, die jetzt einen großen Teil kostenlos bereitstellt, für Blogs und andere Webseiten.
Das regt Bildjournalisten, jedenfalls einen guten Teil von ihnen, mächtig auf. Denn die kostenlose Weitergabe von Bildmaterial zum Zweck der "Bildvermarktung", das verlangen ja seit einigen Jahren immer mehr Kunden.
"Wir würden gerne dieses Bild verwenden. Wir schreiben auch Ihren Namen darunter. Das ist doch Werbung für Sie", heißt es dann. Und zwar nicht von einem bloggenden Schüler der 5. Klasse, dessen Website ja vielleicht noch unterstützt werden könnte, sondern renommierten Kunstverlagen.
Das Leben eines Bildjournalisten als lebenslanges unbezahltes Praktikum: Erst kürzlich erzählte ein Brancheninsider, dass eine deutsche Zeitschrift zu einem guten Teil auf den Ankauf von Bildern verzichtet, weil die Studenten eines Bildstudiengangs ihr Bildmaterial dort (kostenlos) unterbringen möchten, ja geradezu müssen.
Regen Sie sich auf. Über die Zeitschrift, über Getty Images (eine Agentur, von der wir kürzlich hörten, dass der Inhaber einer kleineren Bildagentur, der sich gerne über solche Dumpingmethoden aufregte, sein gesamtes Bildarchiv eben an diese Riesenagentur verkaufte - vielleicht gehören jetzt seine Bilder auch zum Kostenlos-Fundus für Webseiten).
Bei aller Aufregung: Machen Sie sich auch noch klar, dass Sie neben dem Schaden auch noch den Spott haben. Denn in den Medien gibt es nicht wenige, die diese Entscheidung von Getty Images für einen klugen Schachzug halten. Lieber eigenes Material kostenlos verbreiten und damit einen Rest-Werbe-Effekt erhalten, als gänzlich dem ständig expandierenden Kostenlosmarkt der Laien und gar nicht so laienhaften Wikimedia-Produzenten zuzuschauen (die erst kürzlich wieder durch Spenden Zigtausende von Euro für die Produktion von Bildern bekommen haben, die professionell angefertigt und anschließend zur kostenlosen Nutzung bereit gestellt werden).
Spott über den Bildjournalisten und diejenige Bildagentur, die immer noch meinen, dass Bildnutzungen kostenpflichtig sein müssten.
In Süddeutschland gibt es jetzt in einer Zeitung einen Wochenbeilage mit Vereinsberichterstattung, deren Inhalte (Texte und Bilder) alleine oder vor allem von den Vereinen selbst geliefert werden.
Es geht also im Zweifel sogar gänzlich ohne Getty.
Regen Sie sich dennoch auf. Sie tun es völlig zu Recht. Ja, selbst wenn die Spötter Sie für einen Dinosaurier halten - wer sagt denn, dass die letzten Dinosaurier der Urzeit nicht auch zu Recht aufgeregt waren, bevor sie in den Sümpfen versanken? Wer wollte es ihnen verdenken, dass sie noch ein letztes Mal aufheulten?
Natürlich sind Menschen keine urzeitlichen Echsen - sie können die (geschäftliche) Evolution ein Stück weit beeinflussen. Was das heißt? Unterlassungsklage mit dem Wettbewerbsrecht, wegen "Verramschung", gegen Getty? Das wäre mal eine Idee.
Wenn schon Wettbewerbsrecht, wäre vielleicht ein anderer Ansatz sinnvoll: Unlauterer Wettbewerb wegen verdeckter Kosten. Das Angebot von Getty suggeriert Kostenfreiheit, bietet für den Nutzer aber einiges an Fußangeln, bis hin zur möglicherweise datenschutzwidrigen Erfassung der Nutzerdaten.
Aber was, wenn solche Argumente nicht weiterhelfen?
Erneut wird nur weiterhelfen, diesen Markt ein gutes Stück abzuschreiben. Vielleicht ohnehin kein allzu relevanter Markt, denn die meisten Blogger und Betreiber einfacher Websites investieren ohnehin kaum in kostenpflichtiges Material. Vielen potenziellen Kunden wird der klobige Getty-Viewer ohnehin ein optisches Graus sein. Und was, wenn es einmal bei Getty technische Probleme gibt? Dann könnte es sein, dass die Website voller peinlicher Löcher wäre.
Bildjournalisten und Bildagenturen sollten ihren Kunden in Zukunft klar machen, dass sie mehr bieten als Getty Images. Keinen klobigen Bildviewer - nein, das Bild kann direkt genutzt werden, nur der Name des Fotografen und seiner Agentur gehört daran, das ist alles.
Ein Argument gegen Getty und für die eigenen Bilder könnte übrigens sein: Meine Bilder sorgen für Aufmerksamkeit, weil es diese auf anderen Seite nicht oder kaum gibt. Nehmen Sie keine Getty-Bilder, denn die sind optisch verbraucht, weil sie auf endlos vielen Websites zu finden sind.
Anders, nicht beliebig und hundertfach benutzt, gesehen - das kann, das muss heute ein Argument sein. Ob dieses Argument immer zieht, kann nicht garantiert werden.
Aber eines ist klar: Sie müssen sich nicht nur aufregen. Sie dürfen vielleicht auch einmal hämisch lachen. Über Getty. Die Riesen-Bildagentur, die jetzt einem Ramschladen gleicht.
Auch wenn es nicht unbedingt lange anhalten wird, dieses Lachen - versuchen Sie es einmal.
MH
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