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Gendern in den medien

Keine Sprachverbote (II)

18.12.2023

CDU und SPD in Hessen wollen dem Hessischen Rundfunk das Gendern verbieten. Das steht im Koalitionsvertrag, der am Wochenende beschlossen wurde. Bis auf die Jusos waren alle dafür.

Jetzt ist es also passiert: In Hessen haben CDU und SPD am vergangenen Samstag ihrem Koalitionsvertrag zugestimmt – und planen den Verfassungsbruch mit Ansage: Schließlich wollen sie den Kolleg*innen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk vorschreiben, wie die in Zukunft Geschlechtervielfalt abbilden sollen. Sonderzeichen wollen die Koalitionär*innen dabei nicht mehr sehen.
Warum das weder freiheitlich noch verfassungstreu ist, hat meine Kollegin Mariana Friedrich an dieser Stelle bereits dargelegt, als die ersten Meldungen über das Vorhaben publik wurden.
Während die hessische CDU auf ihrem Parteitag fast einstimmig für den Koalitionsvertrag stimmte, gab es bei den Sozialdemokrat*innen im Vorfeld laute Kritik von den Jusos, die in dem Sonderzeichenverbot eine „rechtspopulistische Forderung“ aufgegriffen sahen. Dennoch stimmten auch bei der SPD knapp 82 Prozent der Delegierten auf dem Parteitag für den Koalitionsvertrag – und damit auch für das verfassungswidrige Sprachverbot.
Bereits im ersten Kapitel ihres sogenannten „Hessenvertrages“ formulieren CDU und SPD das Genderverbot mit Sonderzeichen für Schulen. Für wen das alles noch gelten soll, findet sich dann ausgerechnet unter dem Punkt „bürgernahe Verwaltung“, versteckt hinter dem Bekenntnis zu „mobilen Bürgerbüros“:
„Wir werden festschreiben, dass in der öffentlichen Verwaltung sowie weiteren staatlichen und öffentlich-rechtlichen Institutionen (wie Schulen, Universitäten, Rundfunk) auf das Gendern mit Sonderzeichen verzichtet wird“, steht da. Stattdessen solle das gelten, was der Rat für deutsche Rechtschreibung empfiehlt. Begründet wird das damit, dass Sprache verständlich sein müsse – dabei soll sie den „allgemeinen Regeln der deutschen Sprache“ folgen.
Praktischerweise meldete sich eben dieser Rat am Sonntag zu Wort und bekräftigte seine Ablehnung von Sonderzeichen wie Genderstern, Unterstrich oder Doppelpunkt, die Vielfalt sprachlich verdeutlichen können.
Hessens CDU und SPD konterkarieren mit ihrer Haltung zum Gendern allerdings ihren eigenen „Hessenvertrag“, in dem doch gleich auf der ersten Seite steht, dass man eine „mutige Koalition“ sein wolle, die „Debatten in die Mitte holt und sie führt“ und dabei „andere Meinungen anhört und ernst nimmt, auch wenn sie unangenehm sind“ – eben „Eine für alle“.
Diese „mutige Koalition“ hat im „Hessenvertrag“ zwar einen eigenen Abschnitt zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk untergebracht, dort wird das geplante Sprachverbot aber (bewusst?) nicht erneut erwähnt.
Wenn es den Koalitionär*innen tatsächlich um Verständlichkeit und „korrekte“ deutsche Sprache ginge, könnten sie mit ihrem eigenen Koalitionsvertrag beginnen.
Schließlich ist der voll von Begriffen, die „den allgemeinen Regeln der deutschen Sprache folgen“, wie „Childhood-Häuser“, „House of Digital Transformation“, „CyberCompetenceCenter“ oder „INFORMATION HUB 110“ – aber bei denen geht’s ja schließlich nicht ums Gendern.
Auch mit Sonderzeichen scheinen die Koalitionär*innen eigentlich keine Probleme zu haben, solange sie nichts mit Gendern zu tun haben. Was der Rechtschreibrat zu Projektnamen wie „Deine Zukunft #REAL:DIGITAL“ oder „Di@-Lotsen“  zu sagen hat, wäre in der Tat interessant. Da wirkt das Bekenntnis zur „Barrierearmut der Sprache“ und zur „Leichten Sprache“ wenig überzeugend
Zwar wollen CDU und SPD auf die „Verwendung der sog. Gendersprache“ in Zukunft „landesweit“ verzichten, für ihren Koalitionsvertrag nutzen sie diese dennoch. Denn im „Hessenvertrag“ wird munter gegendert – nur eben ohne Sonderzeichen.
Und da zeigt sich das eigentliche Problem: Während sich beide Parteien die Freiheit nehmen, so zu gendern, wie sie das wollen, soll genau diese Freiheit für all jene nicht gelten, die bewusst von Wähler*innen, Bürger:innen oder Kritiker_innen schreiben und sprechen wollen.
Das muss wohl dieser „neue Stil“ sein, von dem zu Beginn des „Hessenvertrages“ die Rede ist.

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