Mitglied werden
Login Logout Mitglied werden
Warenkorb

Leinemasch

Pressefreiheit in Tümpeltown?

19.01.2024

Bei der Räumung der Waldbesetzung „Tümpeltown“ in der Leinemasch behinderte die Polizei die freie Berichterstattung. Saskia Meyer war live von vor Ort.

„Sie ist wieder LIVE gegangen“, sagt einer der Polizei-Beamten von der Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit, als ich wieder online gehe. Es ist Dienstag, der 16. Januar 2024 gegen 09:45 Uhr und ich befinde mich in der Waldbesetzung „Tümpeltown“, welche heute unter Leitung der Polizei Hannover geräumt werden soll. Seit dem 30. September 2022 setzen sich hier Klimagerechtigkeitsaktivisti nach eigenen Angaben für eine zeitgemäße und nachhaltige Mobilitätswende und eine hinreichende Verkehrs- und Klimapolitik ein. Der Boden ist aufgrund der Minusgrade der letzten Nacht kalt und als Konsequenz des Hochwassers, welches Hannover um Weihnachten herum heimgesucht hat, schlammig. Dass die Auswirkungen der Klimakrise mittlerweile auch bei uns in Deutschland zu spüren sind, ist hier offensichtlich.

Die Polizei Hannover hatte im Vorfeld eine Akkreditierung mit Frist 15. Dezember 2023 eingerichtet, die sie per Mailverteiler kommunizierte. Überregionale als auch freie Journalisti fühlten sich daher schon vorab durch diese Vorgehensweise beschnitten. Akkreditiert hatten ich und die mich begleitende Fotoperson uns nicht, da die Akkreditierung vorab nach Angaben der Polizei-Pressestelle - auf telefonische Nachfrage vom DJV Niedersachsen Anfang Januar - während einer Räumung nicht nötig sei. Die Akkreditierung beziehe sich auf den ausgewiesenen Sicherheitsbereich zum Zeitpunkt der Rodung. Rodung und Räumung würden nicht zeitgleich ablaufen.

Gegen 09:30 Uhr hatte mir eine Einsatzkraft der BFE-Einheit, nach Eindringen in das besetzte Waldstück, welche scheinbar über Funk mit der Pressestelle in Kontakt war, mitteilen lassen, dass wir uns während der Räumung innerhalb der Besetzung aufhalten und berichten dürften, solange keine Rodungsarbeiten durchgeführt werden. „Dann wird hier aber eh keiner mehr sein“ waren die Worte, welche ich auch mithilfe des Livestreams festhielt. Nach circa 10 Minuten kamen mehrere Einsatzkräfte auf mich zu und zwangen mich, den Livestream abzubrechen. Unter Ausschluss der Öffentlichkeit teilten sie mir mit, dass die Abmachung nicht mehr bestand und wir nun das Waldstück zu verlassen hätten.

Ich weigerte mich zu gehen, setze mich friedlich auf dem Boden, startete einen neuen Livestream, und mache mich für einen einfachen möglichen Abtransport durch die Beamten bereit. Als sie mich wegtragen, nachdem sie mir unnötigerweise den Einsatz von Schmerzgriffen angedroht haben, beginne ich mein Statement. Ich weise darauf hin, dass es sich bei dieser Räumung um ein Ereignis von öffentlichem Interesse handelt, weshalb ein Ausschluss der Presse gegen Artikel 5 Grundgesetz verstoße. Allein zur Großdemonstration am 1. Oktober 2023 waren bis zu 6.000 Menschen in die Leinemasch gekommen, beim letzten Waldspaziergang am 14. Januar 2024 waren bis zu 1.400 Menschen anwesend.

Die Tatsache, dass die Räumung von Lützerath, genau vor einem Jahr stattfand, ein Meilenstein im deutschen Klimaprotest, welcher dazu führte, dass 35.000 Menschen am 14. Januar 2023 zu einer Großdemo auf den Weg machten, dass internationale Presse berichtete, es das Wort „Lützerath“ auf Platz 5 der „Google-Suchtrends in Deutschland 2023: Schlagzeilen“ schaffte und auch Medienvertreter:innen in ihrer Vorberichterstattung immer wieder die Frage stellten, ob Tümpeltown das neue Lützerath sein könnte, macht diesen Fakt umso deutlicher. Der Ausschluss der Presse von der Räumung Tümpeltowns bedeutet somit einen Einschnitt in die Pressefreiheit seitens der Polizei. Auch während der Räumung von Lützerath kam es zu einer solchen Zäsur.

Die Polizei-Beamten tragen mich über die für diesen Einsatz am Hang gezimmerte Holztreppe auf den Südschnellweg und setzen mich auf diesem ab. Sie entlassen mich und meinen Hospitanten mit einem Platzverweis für den gesamten Bereich der anstehenden Rodungsarbeiten, einschließlich Tümpeltown bis 21. Januar 2024.

Zeitgleich zu unserer Entfernung aus Tümpeltown hatte das Verwaltungsgericht Hannover der Eilklage einer medienschaffenden Person stattgegeben, die eine Berichterstattung auch im Sicherheitsbereich zum Bestand hatte.

Ein Mensch der BFE-Einheit teilt uns mit, dass wir nun nicht wie die anderen Kolleg:innen dazu berechtigt seien, in den Bereich Tümpeltown zu gehen, da wir uns im Vorfeld nicht hätten akkreditieren lassen. Dass uns eine Akkreditierung nicht einmal angeboten wird, stellt aus unserer Sicht einen erneuten Einschnitt unserer Pressefreiheit dar.

Als wir das Gelände verlassen, hören wir eine Ansage der Polizei. Alle Medienvertreter:innen, welche sich seit ein paar Minuten innerhalb von Tümpeltown befinden, werden dazu aufgefordert, den Bereich Tümpeltown unverzüglich wieder zu verlassen, da Höhenarbeiten der Polizei begonnen werden. Stattdessen wurde eine Pressesammelstelle im Außenbereich des Waldstückes eingerichtet.

Ich kontaktiere Christiane Eickmann vom DJV Niedersachsen, welche mir per Mail diese Stellungnahme zukommen lässt: „Dass erst ein Journalist vors Verwaltungsgericht ziehen musste, um eine freie Berichterstattung über die Räumung zu ermöglichen, darf so nicht nochmal passieren. Journalist*innen müssen bei brisanten Lagen über das Verhalten von Polizei und Protestierenden berichten können – das war in Hannover über einen zu langen Zeitraum nicht möglich.“ (Christiane Eickmann, Geschäftsführerin DJV Niedersachsen).

Hoffen wir, dass es bei der nächsten Räumung anders laufen wird, werte Polizei!

Es lebe die Pressefreiheit!

Weitere Artikel im DJV-Blog

KI
KI

21.03.2025

Der größte Raub geistigen Eigentums in der Geschichte

Meta hat seine KI Llama 3 mit Millionen Büchern und Fachaufsätzen trainiert – ohne Wissen der Autor:innen. Denn für das Training hat der Mutterkonzern von Facebook, Instagram, WhatsApp und Threads ein …

Mehr
Internationaler Frauentag
Internationaler Frauentag

07.03.2025

Weniger Journalistinnen in Führungspositionen

Der Weltfrauentag feiert die bisher erlangte Gleichberechtigung der Frauen und macht gleichzeitig auf die noch bestehenden Ungleichheiten aufmerksam.

Mehr
Equal Pay Day
Equal Pay Day

07.03.2025

Warum wir noch immer über Gehaltsgerechtigkeit sprechen müssen

Jedes Jahr markiert der Equal Pay Day symbolisch die geschlechtsspezifische Lohnlücke in Deutschland. 2025 fällt er auf den 7. März – genau einen Tag vor dem Internationalen Frauentag. Doch was bedeut …

Mehr
Meinungsfreiheit ins Netz gegangen
Meinungsfreiheit ins Netz gegangen

06.03.2025

Wie Big Tech unser Denken und unseren Diskurs bestimmt

„In Europa verlieren sie gerade ihr wunderbares Recht auf freie Meinungsäußerung“, sagte Trump kürzlich.

Mehr
Anfrage
Anfrage

26.02.2025

551 Messerstiche ins Herz der Demokratie

Was Friedrich Merz von Menschen hält, die sich für unsere Demokratie und gegen rechte Kräfte einsetzen, hat er kurz vor der Wahl bewiesen. Als “Spinner”, die “nicht alle Tassen im Schrank” haben, besc …

Mehr
Gefährliche Heuchelei
Gefährliche Heuchelei

16.02.2025

JD Vance in München

Was stimmt nun von dem, was JD Vance bei der Sicherheitskonferenz in München sagt? Der US-Vizepräsident sagte: „Wenn Menschen ihre Meinung äußern und man dafür bestraft wird, dann wird die Trump-Regie …

Mehr
Unglaublich
Unglaublich

07.02.2025

Doch, Sam, du solltest wissen, wie ChatGPT funktioniert!

„Ihr entscheidet, wir werden die Regeln befolgen!“ Europa müsse schließlich selbst wissen, ob es Fortschritt oder Regulierungen bevorzuge und mit letzteren hinter den Rest der Welt zurückfalle. Zack,  …

Mehr
Satire?
Satire?

03.02.2025

Demokratiebildung mit Verfassungsgegnern?

“Ist das Satire?!”, war mein erster Gedanke, als ich las, wer einer der Hauptaussteller auf der diesjährigen didacta sein wird. Die AfD, Landesverband Baden-Württemberg, nutzt eine der wichtigsten Mes …

Mehr
Donald Trump
Donald Trump

22.01.2025

Ein lauter Knall

Donald Trump ist zurück im Weißen Haus. Was macht das mit den Medien, der vielfältigen Presselandschaft, was macht das mit unserer Demokratie? Das dicke Ende könnte noch kommen.

Mehr
Stoppschild
Stoppschild

07.01.2025

Keine freie Fahrt für Fake News

Und noch ein Milliardär, der vor Trump einknickt: Facebook gibt nun freie Fahrt für Fake News. Meta-Chef Mark Zuckerberg beendet in den USA die Faktenchecks auf Instagram und Facebook und geht auf Kus …

Mehr
Elon Musk
Elon Musk

02.01.2025

Was kommt als nächstes?

Die Wahlwerbung von Elon Musk für die AfD in der Welt am Sonntag war offenbar erst der Anfang. Musk pöbelt gegen den Kanzler, den Bundespräsidenten und den Spiegel. Wie verrückt ist er?

Mehr
Musk in der Welt
Musk in der Welt

30.12.2024

Die Sache mit der Gastfreundschaft

Die "Welt am Sonntag" hat bei Elon Musk einen Gastkommentar bestellt und mal wieder erfahren: Wo Populismus draufsteht, ist Populismus drin. Verantwortlich war für das Erscheinen redaktionell aber off …

Mehr
US-Medien
US-Medien

27.12.2024

Feigheit vor dem Feind

Der zum Disney-Konzern gehörende US-Fernsehsender ABC zahlt 16 Millionen Dollar für eine Falschaussage, um einer Klage des künftigen US-Präsidenten Donald Trump zu entgehen. Ein fatales Signal für and …

Mehr
Politik-Influencer Musk
Politik-Influencer Musk

19.12.2024

Das hat uns gerade noch gefehlt

In Großbritannien mischt sich Multimilliardär Elon Musk Berichten zufolge massiv in die Innenpolitik ein. Im deutschen Bundestagswahlkampf hat er sich auch schon bemerkbar gemacht.

Mehr
Wahlrunden
Wahlrunden

18.12.2024

Wer mit wem?

Um die Wahlrunden der Spitzenpolitiker in ARD und ZDF gibt es heftigen Streit. Die Grünen sind auf der Zinne und die AfD auch. Die Auseinandersetzung geht intensiv weiter.

Mehr
Getötete Journalisten
Getötete Journalisten

13.12.2024

Wie viele sind es denn?

Je nach Medienorganisation klaffen die Zahlen getöteter Journalisten deutlich auseinander. Das schadet dem berechtigten Anliegen, für mehr Schutz zu sorgen.

Mehr
Voice of America
Voice of America

12.12.2024

Lügnerin als Wahrheitschefin

Ausgerechnet die Wahlleugnerin Kari Lake soll neue Chefin des US-Auslandssenders Voice of America werden. Das ist so überflüssig wie ein Kropf.

Mehr
Austin Tice
Austin Tice

10.12.2024

Lasst ihn frei!

Der freie Journalist Austin Tice sitzt seit 12 Jahren in syrischer Haft. Höchste Zeit, dass er frei kommt.

Mehr
Bundespressekonferenz
Bundespressekonferenz

06.12.2024

Hape Kerkeling begnadigt

Die Bundespressekonferenz macht Entertainer Hape Kerkeling ein besonderes Geschenk zu dessen 60. Geburtstag: Das Hausverbot gegen ihn wird aufgehoben. Ob er bald in Berlin vorbeikommt?

Mehr
Künstliche Intelligenz
Künstliche Intelligenz

05.12.2024

Dämme schon gebrochen?

Im öffentlch-rechtlichen Rundfunk wird darüber gestritten, ob journalistische Inhalte den KI-Programmierern überlassen werden sollen. Und in Print-Redaktionen breiten sich die Roboter heimlich, still  …

Mehr