AKK-Vorstoß
Redeverbot am Tag nach Wahl wäre sinnvoller
Foto: Laurence Chaperon
Annegret Kramp-Karrenbauer macht sich Gedanken um die Meinungsfreiheit im Internet. Sie meint, Youtuber dürften nicht zur Nicht-Wahl ihrer Partei aufrufen.
Zumindest nicht vor einer Wahl. Mit Verlaub, das ist nicht nur Nonsens, das verstößt gegen das Grundgesetz. Da sollten wir lieber ein Redeverbot für emotional aufgewühlte Parteivorsitzende am Tag nach einer Wahl diskutieren.
Was ist denn passiert? Ein Vertreter der jungen Generation, der manch einer nicht zugetraut hat, dass sie sich politisch einbringt, hat gegen die Union polemisiert. Das ist kein klassischer Journalismus, sondern eine eher künstlerische Stilform wie Glosse oder Kommentar. Und dass es immer wieder Künstler (wie Sänger oder Schriftsteller) gab, die sich für oder gegen Parteien engagiert haben, scheint die CDU-Chefin mal locker zu vergessen.
Sie trötet mit ihren Äußerungen in die Welt hinaus, dass sie im Internet nicht zu Hause ist. Sie mag das "Neuland" zwar betreten haben, hat sich hier aber noch nicht integriert. Teile unserer Parteien - auch der CDU - verhalten sich im Netz wie Parallelgesellschaften, die ihre eigene (Analog-)Heimatkultur mit aller Macht den andern aufdrängen wollen. So wird kein Diskurs funktionieren.
Und wenn Kramp-Karrenbauer argumentiert, es sei undenkbar, dass 70 Zeitungsredaktionen vor der Wahl ihre Partei heftig kritisieren und gar zur Nicht-Wahl aufrufen, dann braucht sie nur so weitermachen, um den Gegenbeweis zu erleben: Wer richtig schlechte Politik macht, dem droht auch ein solcher analoger Kritiksturm - das nennt man Pressefreiheit, auch so ein Grundrecht.
Die CDU-Chefin sollte ihre Ideen, Meinungs- und Pressefreiheit zu schleifen, schnell entsorgen. Dann ist auch Platz im Kopf für ein Nachdenken über den Umgang mit der digitalen Welt. Es ist dringend nötig.
Ein Kommentar des DJV-Bundesvorsitzenden Frank Überall.