Fotojournalisten von Guns n' Roses Konzert ausgeschlossen
Keine Fotografen – oder das tyrannische Management

Hausrecht gewinnt vor Presserecht. Fotojournalisten werden vom Guns N’Roses Konzert am 20. Juni in München ausgeschlossen. Sie bekommen keine Akkreditierung. Beobachter mit ihren professionellen Kameras sind unerwünscht.
Und schon wieder ist es passiert. Fotojournalisten werden von Konzerten ausgeschlossen. Sie bekommen keine Akkreditierung. Warum auch? Guns N’Roses werden in München nur vor Fans auftreten. Beobachter mit ihren professionellen Kameras sind unerwünscht. Tausende Fans machen tausende von Handyfotos. Das stört das Management gar nicht. Im Gegenteil. Fans posten für Fans. Briefmarkengroße Fotos mit Weitwinkelobjektiv fotografiert überschwemmen das Netz. Geschenkt. Eigentlich sieht man sowieso nicht wirklich, was sich auf der Bühne abgespielt hat. Es sind nur Erinnerungen für die, die da waren oder gerne da gewesen wären.
Doch warum dürfen echte Fotografen und Fotojournalisten nicht fotografieren? Pressefreiheit gegen Hausrecht. Hausrecht gewinnt. Das Künstlermanagement von Guns N’Roses und vielen anderen hat eine ganz klare Idee: Kontrolle. Sie wollen die Kontrolle über den Auftritt haben, über die „Marke“ des Künstlers. Wir Fotografen mit unserem besonderen Blick und den starken Teleobjektiven wollen ja nicht huldigen, sondern berichten. Mit unseren Objektiven sind wir mitten auf der Bühne, machen Portraits, wo andere nur Farbschleier ablichten. Wir warten auf den besonderen Moment – und wir fragen niemals: Ist das im Sinne des Künstlers, der Marke, des Managements? Unser Foto hat etwas mit Realität zu tun, mit Tatsachen – jedenfalls ist das der Antrieb für ein gelungenes journalistisches Foto. Wir erzählen mit unserem Bild, wie es wirklich war – und manchmal schauen wir sogar ein wenig in die Seele derer, die wir portraitieren.
Doch warum ist das nicht gewünscht? Wenn ich ehrlich bin: Ich weiß es nicht. Der totale Kontrollwunsch ist komplett irrational. Als ob wir Fotografen und Fotografinnen nur ein einziges Ziel hätten: Jemanden mit unseren Fotos zu denunzieren. Doch warum sollten wir so etwas wollen oder gar tun?
Das Ringen mit den Künstleragenturen ist nicht neu. Es gab diesen Kampf immer schon – mal stärker, mal weniger. Meine Versuche, mit Agenturen über Lösungen zu sprechen, sind regelmäßig gescheitert. Im besten Fall gab es Knebelverträge, die mich verpflichten sollten, vor der Veröffentlichung die Erlaubnis der Agentur einzuholen und danach alle meine Fotos kostenfrei an die Agentur zu liefern – oder was es an absurden Ideen auch sonst noch gab.
Mit Verboten jedoch hat man mich noch nie beeindruckt. Sie erwecken in mir kindischen Trotz und ganz viel Fantasie. Knebelverträge unterschreibe ich kommentarlos – und denke nicht im Traum daran, mich daran zu halten. Sollen sie mich doch verklagen. Auf diesen Prozess freue ich mich schon jetzt, denn so viel Presse- und Öffentlichkeitsarbeit wie dafür habe ich selten gemacht.
Und auch bei nicht erteilten Akkreditierungen: Karte kaufen (ja, viel zu teuer), die kleinste Bridgekamera mit Maximalzoom reinschmuggeln, mitten in der Menge damit ganz viel fotografieren und dann selbstverständlich veröffentlichen. Wenn die Agentur sich beschwert, bekenne ich mich als Maximalfan, der der Zeitung seine Handyfotos angeboten hat. Ist das verboten? Nein.
Vielleicht würde ich auch mit einer kleinen Drohne (maximal 249 Gramm) schnell mal übers Stadiondach fliegen und drei oder vier Fotos machen. In drei Minuten bin ich dann wieder weg. Die Fotos spiele ich dann – huch – natürlich „anonym“ meinem Medium zu.
Das Prinzip ist jetzt klar? Subversiv-kreativer Ungehorsam.
Über das Konzert nicht zu berichten, ist für das Management keine Bedrohung, im Gegenteil. Damit erreichen sie genau das, was sie wollen: keine öffentlichen, also unkontrollierte Fotos.
Als Zeitung, als Fernsehsender oder welches Medium auch immer würde ich mit den Fotografen meines Vertrauens eine Guerillaaktion planen. Und dann genüsslich genau das erzählen, was ich erlebt haben: Ein großartiges Konzert, ein langweiliges, ein katastrophales – egal. Die Tatsachen halt. Doch wie ich zu meinen Fotos gekommen bin, das würde ich nicht verraten.
Und jetzt: Seid fantasievoll. Lasst euch nicht beeindrucken.
In diesem Sinne – fröhliches Schaffen wünscht Bernd Seydel (Fotograf und natürlich Mitglied im DJV – Vorsitzender des Fachausschuss Bildjournalismus)