Öffentlich-Rechtliche
Realitätsfern
Die Tarifverhandlungen mit den öffentlich-rechtlichen Sendern gestalten sich schwierig. In den Chefetagen der Sender schwindet das Verständnis dafür, dass journalistische Arbeit fair bezahlt werden muss.
Fünf Prozent mehr Gehalt bzw. Honorar. Auf den ersten Blick wirkt die Tarifforderung des DJV NRW für die Journalistinnen und Journalisten des WDR mutig. Zumal noch ein Inflationszuschlag hinzukommen soll. Denn fünf Prozent sind viel Geld. Sieben oder gar acht Prozent Inflationsrate sind noch mehr Geld. Wer regelmäßig einkaufen geht, weiß um die Notwendigkeit höherer Einkünfte.
Entweder gehen die Angehörigen der öffentlich-rechtlichen Chefetagen nicht selbst einkaufen oder sie legen zweierlei Maß an. Der Westdeutsche Rundfunk ging in die Tarifverhandlungen für seine Beschäftigten allen Ernstes mit dem "Angebot" von 2,25 Prozent ab Sommer 2023 für die Dauer von zwei Jahren. Für den Zeitraum bis zur Erhöhung könnte es eine Einmalzahlung geben, hieß es. In welcher Höhe, blieb offen. Bei anderen Anstalten kursiert die Frage, ob überhaupt mehr gezahlt werden könne. Schließlich steige der Rundfunkbeitrag ja nicht. Im Klartext heißt das: Herausragend gute journalistische Arbeit wird selbstverständlich erwartet, die Bereitschaft zu Überstunden und Spontaneinsätzen in Abhängigkeit von der Nachrichtenlage auch. Und wenn das Einkommen nicht reicht, muss man eben an die Ersparnisse ran.
Mit diesem kruden Verständnis von Tarifpolitik werden die öffentlich-rechtlichen Sender nicht durchkommen. Bereits am Montag legten Beschäftigte des Südwestrundfunks die Arbeit nieder, am morgigen Freitag läuft der nächste Warnstreik beim WDR. Der DJV NRW hofft auf rege Teilnahme.
Je mehr Journalisten streiken, desto deutlicher fällt die Antwort auf das 2,25-Prozent-Angebot aus.
Ein Kommentar von Hendrik Zörner