Deutscher Journalisten-Verband Gewerkschaft der Journalistinnen und Journalisten

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Affäre Aiwanger

Zuviel des Guten

31.08.2023

Aufforderung zum Journalistenmord? Der Bruder des stellvertretenden Ministerpräsidenten von Bayern hat entweder einen kruden Humor oder versucht, Journalisten ins Visier zu nehmen. Das würde passen - vom jugendlichen Hetzblattschreiber hat er sich zum Waffenhändler gemausert.

Aiwanger-Plakat: Journalisten im Visier. Screenshot: DJV

Werden hier Journalisten ins Visier genommen? Helmut Aiwanger, Waffenhändler, verteidigt seinen Bruder Hubert, den stellvertretenden Ministerpräsidenten Bayerns, mit einem - man kann es sich nicht ausdenken - Flugblatt, das er laut „Bild“ in der Schaufensterscheibe seines Geschäfts aufgehängt hat. Dort empfiehlt er laut Bericht das Buch von Heinrich Böll "Die verlorene Ehre der Katherina Blum". Darüber ist das Logo des Waffenhändlers mit einem Gewehr abgebildet. In dem Roman aus dem Jahr 1974 wird ein Journalist getötet. Dass Aiwanger weiß, welche Assoziation er damit auslöst, macht er im Kleingedruckten unter dem "Buchtipp" deutlich: "Keine Sorge, nur Heinrich Bölls Prosa endet dramatisch."
Es ist erstaunlich, wie die Aiwangers sich aus der Affäre zu winden versuchen, indem sie ausgerechnet Journalist:innen attackieren. Gerade der Vorsitzende einer Regierungspartei eines großen Bundeslands hält es nicht für notwendig, auf Recherchen der Süddeutschen Zeitung, die ihm vorwerfen, in seiner Schulzeit ein antisemitisches Hetzblatt besessen zu haben, Juden-Witze und Hitler-Grüße gemacht zu haben, mit einer hinreichenden Erklärung zu antworten, sondern in den Gegenangriff überzugehen und jene zu attackieren, die überhaupt erst Licht ins Dunkel bringen wollen. Dass der Aiwanger-Bruder nun auch noch auf Gewalt anspielt, ist vor dem Hintergrund dieser Entwicklungen erschreckend.
Journalismus hat Interesse an der Wahrheit. Die Versuche, die Causa Aiwanger aufzuklären, sind gesellschaftlich relevant. Es geht weniger darum, dass Hubert Aiwanger als Jugendlicher widerwärtige Dinge getan haben soll, sondern darum, wie er als Erwachsener damit umgeht. Vor dem Hintergrund, dass Aiwangers Politik durchzogen ist von rechtspopulistischen Narrativen, sind seine bisherigen Erklärungsversuche, er sei "seit dem Erwachsenenalter" kein Antisemit und Rechtsextremist, nicht befriedigend. Gerade vor einer Wahl besteht ein großes Interesse daran zu wissen, welche Weltanschauung einen führenden Politiker antreibt.
Mag man noch als Wahlkämpfer das ganze als "Schmutzkampagne" abtun, so ist spätestens die jüngste Entwicklung des mit Waffen handelnden Bruders ein Schritt zu viel in die falsche Richtung - die falschen Leute könnten dies schnell als Aufforderung zum Handeln sehen, kritische Journalisten mundtot zu machen. Brandgefährlich.
Ein Kommentar von Mika Beuster

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