Arbeitszeiterfassung in Redaktionen
Seit vielen Jahren setzt sich der DJV dafür ein, dass in den Redaktionen von Tageszeitungen und Zeitschriften die tägliche Arbeitszeit von Journalistinnen und Journalisten erfasst wird. Lange mit eher durchwachsenem Erfolg, denn auch wenn in den letzten Jahren weitere Verlage eine Arbeitszeiterfassung eingeführt haben, gibt es nach wie vor eine erschreckend große Anzahl an Medienhäusern und Unternehmen, die sich weiterhin beharrlich weigern. Die Erfassung der Arbeitszeit beeinträchtige den Quellenschutz und unterminiere damit die Pressefreiheit, argumentieren die einen, andere definieren den Job aufgrund seiner Besonderheiten als nicht erfassbar und wieder andere verweisen darauf, dass sie das alles noch nichts angehe, da die Vorgaben des EuGH aus der sogenannten Stechuhr-Entscheidung vom Mai 2019 erst der Umsetzung in nationales Recht bedürfen.
Man mag trefflich darüber streiten, welches Verständnis von Verantwortung für die eigenen Beschäftigten aus einer solch beharrlichen Verweigerungshaltung spricht, aufrechtzuerhalten ist sie jedenfalls spätestens seit der Entscheidung des BAG vom 13.09.2022 – 1ABR 22/21 – nicht weiter. Dies deshalb, weil das Bundesarbeitsgericht in dieser Entscheidung zu dem Ergebnis gelangt, dass § 3 Arbeitsschutzgesetz bei unionsrechtskonformer Auslegung unter anderem auch die Verpflichtung des Arbeitgebers beinhaltet, zum Schutz der Arbeitnehmer deren Arbeitszeit zu erfassen. Spielraum bestehe insoweit lediglich hinsichtlich der Frage, wie man eine solche Erfassung konkret auszugestalten beabsichtigt; hier bieten sich Spielräume für eine konkretisierende Regelung durch den nationalen Gesetzgeber sowie ggf. auf betrieblicher Ebene durch die Betriebsräte.
Konkret bedeutet das, dass formal bereits vor der Entscheidung des BAG, jedenfalls aber spätestens mit dem Bekanntwerden des Richterspruchs eine grundsätzliche Pflicht zur Arbeitszeiterfassung besteht. Für die Betriebsräte in Unternehmen, die noch keine Zeiterfassung haben, ergeben sich hieraus zwei Möglichkeiten des Vorgehens: Sie können zum einen über ihre allgemeine Kontrollverpflichtung zur Einhaltung geltenden Rechts die Verletzung von § 3 Arbeitsschutzgesetz monieren und im Weigerungsfall bei der zuständigen Aufsichtsbehörde zur Anzeige bringen. Darüber hinaus haben sie aber vor allem die Möglichkeit, den Arbeitgeber durch einen Initiativantrag, gerichtet auf eine Beteiligung bei der Ausgestaltung einer entsprechenden Regelung, in Verhandlungen und schlussendlich in ein verbindliches Einigungsstellenverfahren über eine entsprechende Betriebsvereinbarung zu zwingen. Streitgegenstand ist dann „nicht mehr ob, sondern nur noch wie“.
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Praxisbeispiel: Bremer Tageszeitungen AG
Arbeitszeiterfassung Redakteure bei der Bremer Tageszeitungen AG
Bei der Bremer Tageszeitungen AG (BTAG), die Weser-Kurier und Bremer Nachrichten herausgibt, erfassen die Redakteurinnen und Redakteure auf der Grundlage einer Betriebsvereinbarung täglich ihre Arbeitszeit. Dies geschieht über eine persönliche Excel-Tabelle, in die jede(r) Redakteur(in) täglich Anfang und Ende der Arbeitszeit sowie Pausenzeiten einträgt. Am Monatsende wird die Überstundenzahl ausgewiesen, die dann automatisch auf den nächsten Monat übertragen wird. Das Monatsblatt druckt jede(r) Redakteur(in) aus, unterschreibt es und legt es seinem Vorgesetzten zur Unterschrift vor. Der Ausdruck geht dann in die Personalabteilung, die anhand der Aufzeichnungen die Sonntagszuschläge berechnet. In der Personalabteilung werden die Monatszettel schließlich archiviert. Der Betriebsrat kann jederzeit die Aufzeichnungen einsehen und so Kenntnis über die Überstundenzahl der Kollegen und Kolleginnen erhalten.
Diese schon recht bequeme (und für den Betriebsrat übersichtliche) Art der Arbeitszeiterfassung musste allerdings über Monate erstritten werden. Begonnen hatte es im Jahre 2012, als der Betriebsrat – nach wiederholten Beschwerden von Redakteurinnen und Redakteuren über immense Überstunden – vom Arbeitgeber einen Nachweis über die Zahl dieser Überstunden verlangte. Da der Arbeitgeber dies nicht konnte und auch eine Arbeitszeiterfassung für Redakteurinnen und Redakteure ablehnte, wurde am Ende mit Hilfe des Arbeitsgerichts eine Einigungsstelle eingesetzt. In der Einigungsstelle musste sich der Vorstand belehren lassen, dass er aufgrund des Arbeitszeitgesetzes die Arbeitszeit zu erfassen habe, um Überstunden dokumentieren zu können.
Um diesem Anspruch nachzukommen, gleichzeitig aber die Redakteurinnen und Redakteure von einer Arbeitszeiterfassung doch noch abzubringen, verlangte der Vorstand daraufhin von jeder(m) Redakteur(in), täglich einen Arbeitszettel auszufüllen – auch für Urlaubs-, Krankheits- und freie Tage. Die Redakteurinnen und Redakteure ließen sich durch diese umständliche Arbeitszeiterfassung allerdings nicht zermürben. Täglich wanderten 100 Zettel auf diese Weise in die Personalabteilung, die mit dem Wust an Papier total überfordert war. Die Arbeitszettel wurden wahllos in Kartons geworfen. Als der Betriebsrat erneut den Nachweis über mögliche Überstunden einforderte, war dies wiederum nicht möglich. Das nächste Beschlussverfahren vor dem Arbeitsgericht drohte.
Bevor es soweit kam, hatte es im Vorstand personelle Veränderungen gegeben. Die neuen Verantwortlichen zeigten sich einsichtig, wollten ein Gerichtsverfahren vermeiden, obwohl auch sie nicht wirklich erfreut sind über eine Arbeitszeiterfassung in der Redaktion. Die Arbeitszettel wurden abgeschafft und die Lösung einer Excel-Tabelle gefunden. Mit dieser Form der Erfassung sind die Redakteure und Redakteurinnen sehr zufrieden. Ein einfaches System, in dem keine Überstunde mehr verloren geht oder verschenkt wird.
Für Rückfragen steht beim Betriebsrat der BTAG die Betriebsratsvorsitzende Ruth Gerbracht (Tel. 0421/3671-2620; E-Mail: betriebsrat@weser-kurier.de) zur Verfügung.