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VW-Chef übernimmt "Welt"

Ein PR-Coup zulasten aller Medien

10.05.2019

Eine ganze Ausgabe der "Welt" darf VW-Chef Herbert Diess mitgestalten. Die Übernahme durch Wolfsburg schadet nicht nur dem Ruf der Zeitung sondern der ganzen Branche.

Foto: Jürgen Mörs

Vor nicht allzu langer Zeit waren die Springer-Zeitungen nicht unwesentlich daran beteiligt, dass Christian Wulffs Amtszeit als Bundespräsident ein vorzeitiges Ende nahm. "Bild"-Politikchef Nikolaus Blome rechtfertigt den auch von anderen Medien mit auf den Weg gebrachten Abtritt heute in etwa so: Wulff habe sich durch Distanzlosigkeit zu einflussreichen Unternehmern, die ihn für ihre Zwecke einspannen wollten, und seinen unaufrichtigen Umgang damit für den höchsten Posten der Bundesrepublik diskreditiert. Man kann diesem Urteil zustimmen, kann diesen Maßstab aber auch bei der Bewertung eines auf den ersten Blick ganz anderen Falls anlegen. Die Dienstag-Ausgabe der "Welt" mit dem VW-Konzernchef Diess als Gast-Chefredakteur war nicht weniger als ein Corporate-Publishing-Blatt im Gewand einer traditionsreichen Tageszeitung. Das ganze Ausmaß von offener und versteckter Werbung hat Stefan Niggemeier ausführlich dargelegt. Der Umgang von "Welt"-Chefredakteur Ulf Poschardt mit Diess ist von Distanzlosigkeit geprägt. Zugleich wird der Leser nicht über Zustandekommen und Werbewert der Aktion aufgeklärt. Nun ist das Amt des Chefredakteurs einer noch so großen Tageszeitung nicht mit dem des Bundespräsidenten vergleichbar. Die Parallele ist, dass ein herausgehobener Vertreter einer für die Demokratie fundamentalen Institution den Eindruck erweckt, mit Wirtschaftseliten zu klüngeln. Es ist dieser Eindruck, mit dem Wulff das Vertrauen in die Unabhängigkeit der Politik beschädigt hat. Und genauso verhält es sich mit Poschardts VW-"Welt" und dem (ohnehin schon beschädigten) Ansehen der unabhängigen Medien in Deutschland. Ein Kommentar von Sebastian Huld.

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