Deutscher Journalisten-Verband Gewerkschaft der Journalistinnen und Journalisten

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US-Wahl

Vorsicht vor "alternativen Fakten"

04.11.2020

Mitten in der Auszählung der Stimmen zur US-Wahl tat Präsident Trump heute Morgen, was er immer tut: eigene Fakten schaffen – zur Not alternative.

Obwohl noch viele Stimmen ausgezählt werden müssen, erklärt sich US-Präsident Trump fälschlich schon mal zum Wahlsieger. Foto: Evan Vucci/AP/dpa

Ohne Rücksicht auf die tatsächliche Zählung der Stimmen, von denen viele wichtige Regionen noch offen sind und dementsprechend ohne demokratische Grundlage, erklärte sich Donald Trump schon mal zum Sieger, sprach erneut von Wahlbetrug und wollte die weitere Auszählung der Stimmen stoppen lassen. Weiter kündigte er an, das Oberste Gericht der USA einzuschalten.

Wen dieses Verhalten noch wundert, der hat anscheinend die letzten vier Jahre geschlafen. Allerdings übernahmen einige Medien in ihrer Wahlberichterstattung dieses von Trump gesetzte Narrativ, ohne zumindest in der Überschrift, im Teaser oder Twitter-Text auf die Problematik hinzuweisen und Trumps Falschbehauptung auf den ersten Blick erkennbar als solche einzuordnen. Eine reine Meldung wie bei der Stuttgarter Zeitung „Donald Trump spricht im Weißen Haus: ‚Wir haben diese Wahl gewonnen‘“ oder von der tagesschau mit "Trump zur Präsidentenwahl: 'Wir haben gewonnen'" ist da zu wenig.

Ebenfalls auf Twitter wurde diese Praxis scharf kritisiert. So schrieb Daniel Drepper beispielsweise an seine Kolleg*innen den Hinweis „Genau so wie bei meinen US-Kollegen unten sollte die aktuelle Berichterstattung über Trumps Lügen von heute Morgen aussehen. cc @faznet @welt @tagesschau“. Dazu zitierte er einen Tweet von BuzzFeed „BREAKING: There is no winner of the 2020 election yet: Votes are still being counted, and Donald Trump is lying about the state of the race.“ Auch andere ärgerten sich, so twitterte Sebastian Erb „Das ist leider schlechter Journalismus. Es fehlt die Einordnung, dass Trumps Aussage keine Grundlage hat und dass er lügt. #USWahlen2020“, dazu zitierte er Tweets zweier deutscher Zeitungen, die mit „++ EIL ++“ und „BREAKING“ Trumps Behauptungen ohne weitere Erklärungen wiedergaben.

Bei aller gebotenen Aktualität bei den sich überschlagenden Ereignissen rund um die US-Wahl darf die Genauigkeit nicht auf der Strecke bleiben. Gerade bei der Flut und Schnelligkeit der eintreffenden Meldungen müssen diese auf den ersten Blick einzuordnen sein. Problematische Behauptungen, Falschaussagen und Lügen, die erst im Fließtext als solche benannt werden, könnten sonst zu oft als reine Meldungen missverstanden werden. Also bitte Vorsicht vor "alternativen Fakten".

Ein Kommentar von Paul Eschenhagen


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