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Bohren bis der Arzt kommt

14.07.2023

Wie das ist, wenn ein Journalist beharrlich auf eine Antwort drängt, aber keine bekommt, zeigt das NDR-Interview mit Philipp da Cunha, SPD-Landtagsabgeordneter in Mecklenburg-Vorpommern. Das Interview stürmt zu Recht die Social Media.

Philipp da Cunha: Zehn Mal nichts gesagt. Screenshot: NDR MV

Fast vier Minuten dauerte das Fernsehinterview, das ein NDR-Reporter mit dem SPD-Landtagsabgeordneten Philipp da Cunha führte. Thema war ein sogenannter Bürgerdialog, mit dem die Sozialdemokraten in Mecklenburg-Vorpommern das Gespräch mit den Wählern suchen. So weit, so uninteressant. Wohl auch für den Reporter, denn er fragte immer wieder nach den Kosten der Veranstaltung, die in einem Tagungshotel stattfand. Zehn Mal stellte er die gleiche Frage, zehn Mal bekam er die gleiche, nichtssagende Antwort. Und ebenfalls zehn Mal können die Zuschauer sehen, dass da Cunha bei seiner Dauerantwort nicht nur den Text, sondern auch seine Mimik beherrschte.
Warum das wichtig ist? Weil damit klar wird, dass der 35jährige Landespolitiker offenbar in den Genuss eines Medientrainings kam. Solche Veranstaltungen sind für Politiker nicht ungewöhnlich. Dort lernen sie vor allem, kritischen Journalistenfragen aus dem Weg zu gehen. Und sie lernen, dass Radio- und Fernsehjournalisten immer nur einen kurzen Zeitraum für O-Töne zur Verfügung haben. Wer ihn füllt, ohne an den Interviewklippen zu zerschellen, hat gewonnen.
Aus Sicht der Medientrainer hat da Cunha also alles richtig gemacht. Setzen, zwei. Hätte der NDR nicht das ganze Interview ausgestrahlt und so das absurde Theater vor dem Fernsehpublikum ausgebreitet. Setzen, sechs.
Sender sollten viel häufiger solche Interviews ausstrahlen. Journalisten sollten sich öfter trauen, ein und dieselbe Frage mehrfach zu stellen. Denn nur so lernen Politiker, dass sie mit nichtssagendem Geschwafel nicht durchkommen. Im Zweifel gilt das Motto: Bohren bis der Arzt kommt.
Ein Kommentar von Hendrik Zörner

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