Deutscher Journalisten-Verband Gewerkschaft der Journalistinnen und Journalisten

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Fleischkongress

Fleischlobby bleibt lieber unter sich

21.11.2023

Über den Deutschen Fleisch Kongress zu berichten ist leichter gesagt als getan. Akkreditiert werden scheinbar nur "gewogene" Medienvertreter. Hier der Kommentar einer Journalistin, die kritisch auf die Branche schaut - und deshalb draußen bleiben muss.

Fleisch: Bei Kritik hört der Spaß auf. Foto: Fleischerei Olyschläger

"Gemeinsam stark! Für eine nachhaltig erfolgreiche Zukunft", lautet das diesjährige Motto der zweitägigen Veranstaltung, welche als "Branchen-Highlight des Jahres" auf der Website der Veranstalter:innen, der dfv Mediengruppe, im großen Stil beworben wird.
Was die Veranstalter:innen mit dem Wort "Gemeinsam" im Motto, dem Anschein nach, wirklich meinen, ist die Elite der Deutschen Fleischwirtschaft. So zählen zu den Redner:innen vor Ort Vertreter:innen fleischverarbeitender Großkonzerne wie Westfleisch, Tönnies und Neuland sowie der Supermarktriesen Aldi Süd und Edeka, hautsächlich männlich vertreten.
Als Journalist:in und Ernährungswissenschaftler:in mit den Schwerpunkthemen "Ernährung", "Gesundheit" und "Nachhaltigkeit" war es mir daher ein wichtiges Anliegen, als Pressevertreter:in diesem Event beizuwohnen, um im Nachgang besser darüber berichten zu können. Anscheinend sieht das die "Crème de la Crème" der Fleischlobby jedoch etwas anders.
Nachdem auf mehrfache telefonische Nachfrage mit der Bitte um Akkreditierung nicht reagiert wurde, wendete ich mich per E-Mail an die Verantwortlichen des Presseteams der Veranstaltung (dfv Mediengruppe). Die Antwort war schockierend und ernüchternd zugleich: "…in der Regel lassen wir auf unseren Veranstaltungen nur eigene Journalistinnen und Journalisten - also von der dfv Mediengruppe - zu. Nur in Ausnahmefällen akkreditieren wir Pressevertreter:innen von anderen Häusern bzw. Freie. Wir bitten Sie um Verständnis, dass wir in diesem Fall keine solche Ausnahme mehr machen können." (E-Mail Presseteam dfv, Freitag 17.11.23, 15:28 Uhr)
Eine Erklärung, worum es sich bei diesen sogenannten "Ausnahmefällen" handelt, gab es seitens der Pressestelle zudem nicht.
Neben dem Einschnitt in die Pressefreiheit ist hier ein Aspekt klar zu benennen: Essen ist weder eine Sache der Industrie, noch eine private Angelegenheit! Essen ist politisch und sollte daher nicht im Geheimen, hinter verschlossenen Türen durch Ticketpreise von bis zu 2.000 Euro und mit ausgewähltem Pressezugang diskutiert werden! Das Cem Özdemir, unser Minister für Ernährung und Landwirtschaft, am heutigen Abend auf der Veranstaltung eine Keynote (Impulsvortrag) halten wird, macht das Politikum umso deutlicher.
Die Konferenz stand bereits im Vorfeld in der Kritik, wie die Allgemeine Zeitung am 14.11. berichtete.
Ein breites Bündnis aus Umweltschutzorganisationen und Gruppen der Klimagerechtigkeitsbewegung wie BUND, Greenpeace, Students for Future, Kolibri Kollektiv, Christians for Future sowie Tierschutz- und Tierrechtsorganisationen hatte bereits im August eine Petition gegen das Treffen der "Fleischriesen" gestartet, die mittlerweile von fast 24.000 Menschen unterzeichnet wurde. Der Fleischkongress zelebriere eine Industrie, welche auf der Ausbeutung von Mensch, Tier und Umwelt beruhe, und befeuere zudem die Klimakatastrophe, Biodiversitätskrise und Umweltzerstörung. Die Initiator:innen hatten Wirtschaftsdezernentin Manuela Matz (CDU) und Nino Haase, Oberbürgermeister der Stadt Mainz (parteilos), dazu aufgefordert, ihrer lokalen und globalen Verantwortung gerecht zu werden, indem sie dem Deutschen Fleisch Kongress die Plattform zur Ausrichtung der Veranstaltung entziehen. Sie berufen sich damit auch auf den Umstand, dass die Stadt Mainz im September 2019 den Klimanotstand ausgerufen hat.
Aus diesem Grund veranstalten die Aktiven, ebenfalls zum heutigen Tag, eine Protestveranstaltung, bestehend aus einer  Demonstration und einer Kundgebung mit Redebeiträgen, welche vor der Rheingoldhalle, dem Veranstaltungsort des Fleisch Kongresses, stattfinden wird. Die Protestveranstaltung startet um 17:00 und soll gegen 23:00 Uhr enden. Gegen 18:00 Uhr soll zudem die Petition an Manuela Matz übergeben werden, welche ihre Anwesenheit laut Angaben der Protestorganisator:innen zu diesem Termin zugesichert hat.
Zum Protestauftakt hat Greenpeace bereits heute Morgen mit Hilfe von Kletteraktivisti ein riesiges Banner mit der Aufschrift "Zukunft nicht Verwursten" an der Außenseite der Rheingoldhalle aufgespannt. Neben dem Schriftzug befindet sich ein Symbolbild, auf welchem die Erde abgebildet ist, die gerade durch einen Fleischwolf gedreht wird.
Ich selber bin als Redner:in auf die Protestveranstaltung geladen und werde mir somit tiefere Gedanken machen müssen, welche tagesaktuellen Inhalte ich nun in meine Rede bringe. Neuigkeiten aus der Konferenz werden es wohl, aufgrund des verwehrten Zugangs, nicht sein!
Ein Kommentar von Saskia Meyer

Zur Autorin:

Die studierte Ernährungswissenschaftlerin (M.Sc.) Saskia Meyer war bis Anfang 2019 als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Bonn tätig, wo sie eine Pilotstudie im Bereich ernährungsbedingte Erkrankungen und Immunsystem durchführte. Seit 2017 arbeitet sie in der Ernährungsbildung und begann 2019, sich auch aktiv für die Ernährungswende, Bildungswende und Gesundheitswende stark zu machen. 2019 startete sie auf den Social-Media-Plattformen Facebook und Instagram sowie dem Videoportal YouTube damit, über den Zusammenhang von Ernährung, Gesundheit und Klimakrise sowie der Aufgabe von Gesellschaft, Politik und Wirtschaft zum Erreichen der ökosozialen Transformation zu berichten. Seit Februar 2023 ist sie Mitglied im DJV und macht sich für die Themen Gleichstellung, Inklusion und Diversität stark.

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