News für Freie
Noch länger warten auf den Zahlungseingang?
Eine gut gemeinte EU-Richtlinie ist in deutsches Recht umzusetzen. Und kann zu Verschlechterungen für freie Journalisten führen. Die Details.
Auftraggeber, die dringend ordern, sich dann aber viel Zeit mit der Bezahlung lassen: Alltag für freie Journalisten. Brancheninsider wissen: So manches Medienhaus setzt auf den günstigsten aller Kredite - den Lieferantenkredit. Wer zu sehr mahnt, riskiert zudem, dass neue Aufträge Mangelware werden.
Beschleunigung durch 60-Tage-Gesetz?
Eine Europäische Richtlinie soll eigentlich eine Beschleunigung erreichen. Die deutsche Bundesregierung muss sie jetzt in deutsches Recht umsetzen, die Anhörung zum Gesetz findet am 30. Januar 2013 statt. Nach dem Regierungsentwurf sollen Verträge mit besonders langen Zahlungsfristen ungültig sein. Die Grenze wird dabei bei 60 Tagen gesehen. Außerdem soll die Abnahme nicht länger als 30 Tage dauern dürfen. Ein Überschreiten dieser Fristen soll nur möglich sein, „wenn sie ausdrücklich getroffen und für den Gläubiger nicht grob nachteilig ist.“
Es erscheint allerdings als notwendig, dass der Gesetzgeber das von der Richtlinie vorgegebene Höchstmaß von sechzig Tagen bei der Übernahme in deutsches Recht stark herabsetzt. Tatsächlich besteht die Gefahr, dass sich die regelmäßige Fälligkeitsfrist in geltenden, oft einseitig von Medienhäusern festgelegten Geschäftsbedingungen auf die Maximalfrist von sechzig Tagen ausdehnt. Gleichzeitig wird die Verhandlungsposition einzelner freier Journalisten sowie der Gewerkschaften im Fall von Tarif- oder Vergütungsverhandlungen verschlechtert, wenn der Gesetzgeber eine derart lange Frist zulässt.
Es erscheint sachgemäßer, zumindest im Bereich der wirtschaftlich besonders abhängigen selbständigen Einzelunternehmer eine Frist von maximal vierzehn Tagen nach Rechnungsstellung festzulegen, im Übrigen eine Frist von 30 Tagen.
Rechtslage im Bereich der freien Journalisten
Nach § 641 BGB ist eine Werkforderung nach der Abnahme fällig. Eine Frist für die Abnahme ist gesetzlich allerdings nicht geregelt. Im Übrigen gilt für andere Verträge nach § 271 BGB im Falle einer fehlenden Vereinbarung die Fälligkeit ab dem Zeitpunkt, in dem der Gläubiger die Leistung verlangt. In der Praxis beruhen Zahlungsfristen an Medienhäusern im Regelfall auf einseitig festgelegten Geschäftsbedingungen von Verlagshäusern. Funktionierende Tarifverträge mit wirksamen Fälligkeitsregelungen bestehen nur an Rundfunkanstalten. Vergütungsregeln, die mit den Tageszeitungen im Jahr 2010 vereinbart wurden, enthalten Fälligkeitsregelungen. Die Vergütungsregeln an Tageszeitungen sehen vor, dass unbestellte Beiträge einen Monat nach Veröffentlichung fällig sind. Bei bestellten Aufträgen gilt eine Frist von drei Monaten nach Ablieferung. Diese Fristen liegen also zum Teil unter, zum Teil über 60 Tagen. Wenn es klare gesetzliche Rahmenbedingungen für Fälligkeitsfristen geben würde, wäre der Abschluss von Vergütungsregeln mit kürzeren Fristen erheblich einfacher. Allerdings werden selbst diese für die Verlage in Hinblick auf die Fälligkeit bereits sehr günstigen Regelungen von fast allen Tageszeitungen in Deutschland trotz des Abschlusses durch den Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger ignoriert, statt dessen arbeiten die Tageszeitungen mit eigenen, einseitig festgelegten Fälligkeitsregelungen.
Weiterhin ist zu beachten, dass das Kammergericht Berlin in der Klage des DJV gegen die Geschäftsbedingungen des Axel Springer Verlags (abrufbar unter djv.de/medienpolitik) festgestellt hat, dass eine vertragliche Zahlungsfrist von sechs Wochen für die Ansprüche von freien Journalisten nicht rechtswidrig sei. Die Begründung lautete, dass dem Verlag eine Frist zur Überprüfung von Rechnung zustehe. Diese könne auch etwas länger ausfallen, denn es handele sich bei der Rechnungsabwicklung um ein „Massengeschäft“, zudem gebe es Stoßzeiten, und der Urlaub von Mitarbeitern sei auch noch zu berücksichtigen. Dabei verwies das Gericht auch darauf, dass Zeilenhonorare bei Zeitungen und Zeitschriften nur periodisch und erst nach der Veröffentlichung gezahlt würden. Diese Beurteilung wurde auch vom Bundesgerichtshof im Mai 2012 bestätigt.
Geplante Umsetzung der EU-Richtlinie
Nach dem auf der EU-Richtlinie beruhenden Regierungsentwurf sollen Verträge mit besonders langen Zahlungsfristen ungültig sein. Die Grenze wird dabei bei sechzig Tagen gesehen. Außerdem soll die Abnahme nicht länger als 30 Tage dauern dürfen. Ein Überschreiten dieser Fristen soll nur möglich sein, „wenn sie ausdrücklich getroffen und für den Gläubiger nicht grob nachteilig ist.“
Kürzere Fristen würden nur bei vertraglicher Vereinbarung gelten. Die Sperre für Zahlungsfristen von über 60 Tage erscheint auf den ersten Blick als Verbesserung. Ein Überschreiten dieser Frist wiederum soll nur möglich sein, wenn zwei weitere Kriterien erfüllt sind, die ausdrückliche Vereinbarung und keine grobe Benachteiligung vorliegen. Auch das erscheint formell erst einmal eine Verbesserung.
Gesetzgebung der 60 Tage kann negative Konsequenzen haben
Auch wenn die diversen Branchenregelungen derzeit - wegen fehlender Begrenzung durch den Gesetzgeber - mitunter recht lange Fristen aufweisen, so könnte eine kürzere gesetzliche Vorgabe grundsätzlich Anlass für Veränderungen dieser Bestimmungen sein. Umgekehrt besteht die Gefahr, dass die Vorgabe der sechzig Tage von vielen Auftraggebern zum Anlass genommen wird, die Zahlungsfristen, soweit sie bisher kürzer waren, auf dieses Maß zu verlängern. Ebenso besteht das Risiko, dass die Verhandlungsposition einzelner freier Journalisten, aber auch der Gewerkschaften selbst, durch die Ausweitung der Frist auf bis zu sechzig Tage, verschlechtert wird.
Kurze Fristen und Sonderfristen für Einzelunternehmer
Aus diesem Grund wäre es zielführend, wenn grundsätzlich kürzere Fristen gelten würden, insbesondere 30 Tage als Regelfall. Für den Personenkreis der wirtschaftlich besonders abhängigen Einzelunternehmer, die persönlich zum Lebensunterhalt auf den Mittelzufluss angewiesen sind, sollte die Frist noch kürzer ausgestaltet sein. Hier wäre ratsam, eine kurze Frist von vierzehn Tagen festzulegen.
Es ist hierbei darauf hinzuweisen, dass der Gesetzgeber auch in anderen Bereichen Sonderregelungen für wirtschaftlich abhängige Einzelunternehmer geschaffen hat. Dabei sollte aber nicht allein auf den Kreis der so genannten arbeitnehmerähnlichen Personen abgestellt werden, der im Bundesurlaubsgesetz, einigen Weiterbildungsgesetzen der Länder und im Tarifvertragsgesetz als besonders schützenswert angesehen wird. Als arbeitnehmerähnlich gelten nach diesen Regelungen und der hierauf bezogenen Rechtsprechung im Regelfall nur solche Personen, die wirtschaftlich von einem Auftraggeber abhängig sind und mindestens 1/3 ihres Umsatzes dort erwirtschaften. Wie der Gesetzgeber aber anlässlich der Einführung des Urhebervertragsrechts erkannt hat, gibt es auch andere Personengruppen, wie beispielsweise die für viele verschiedene Auftraggeber tätigen Urheber, die strukturellen Schutz benötigen. Es erscheint aber schwierig, die Fälligkeitsregelungen allein für Forderungen von Urhebern bzw. Künstlern und Publizisten in besonderer Form zu regeln. Aus diesem Grund erscheint es sachgemäßer, die kurzen Zahlungsfristen auf alle Einzelunternehmer auszudehnen.
Eine entsprechende Stellungnahme hat der DJV beim Bundestag eingereicht. Der Widerspruch gegen die 60-Tage-Regelung ist nicht nur ein deutsches Phänomen. Die Freelance Rights Expert Group (FREG), der Freien-Arbeitskreis der Europäischen Journalisten-Föderation, koordiniert den europaweiten Protest und Initiativen anlässlich der Umsetzung der Richtlinie in nationale Gesetzgebungen. Schlechtzahlung ist nicht nur ein deutsches Problem, sondern überall, für alle freien Journalisten in Europa.
Michael Hirschler, DJV
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