News für Freie
Willst Du berichten Mafia, braucht Du Paten oder Versicherung.
Allein gegen die Mafia, muss nicht sein
Einer der Gründe, warum über die Mafia wenig berichtet wird, dürften Fälle wie der von Petra Reski sein. Die Berichterstattung über kriminelle Zusammenhänge ist für viele Unternehmen geschäftsschädigend, da ihnen der Auftragsentzug durch öffentliche oder private Kunden droht. Daher führt auch nur der Hauch einer Andeutung zu Verfahren, bei denen sich der Streitwert und damit Rechtsanwalts- und Gerichtskosten nach dem möglichen Rufschaden für das Unternehmen richten. Teuer ist die Folge.
Petra Reski ist nicht die erste Journalistin, die für Berichte zum Thema Mafia mit erheblichen Kosten konfrontiert wird, für die dann das veröffentlichende Medium nicht aufkommen will. Schon vor Jahren erlebte ein freier Journalist bei einer großen Rundfunkanstalt, dass nach einem Urteil wegen eines "Mafia-Berichts" im Fernsehen eine fünfstellige Kostenrechnung von ihm allein bezahlt werden sollte. Argument: Zwar habe die Rundfunkanstalt den Beitrag abgenommen und ausgestrahlt, aber die Abnahme bedeute juristisch nur, dass sich im Haftungsfall die Beweislast umkehre. Könne die Rundfunkanstalt beweisen, dass die Inhalte der Sendung allein vom Journalisten verfasst wurden, treffe ihn halt allein die Haftung.
Die Situation liegt nach dieser Argumentation wie beim Hausbau, wenn der Bauherr bei Übergabe des Hausschlüssels das Abnahmeprotokoll unterzeichnet. Abnahme heißt nur, dass der Bauherr in Zukunft jeden Mangel im Haus erst beweisen muss, bevor er einen Anspruch geltend machen kann. Der Bauherr kann aber in jedem Falle Schadensersatz für Fehler erhalten, wenn er Mängel im Haus feststellt - wenn er es eben nur nachweist.
Auf den Fall des Fernsehberichts übertragen bedeutet das: Zwar hat der Redakteur den Fernsehbeitrag abgenommen, aber das heißt nicht, dass die Rundfunkanstalt damit für Kosten aufkommt, wenn sie wegen der Ausstrahlung verklagt wird. Die Abnahme bedeutet nur, dass sie beweisen muss, dass der Produzent des TV-Beitrags den Bericht verfasst hatte und nicht der Redakteur. Das aber war sehr einfach: der Lieferant hatte den Beitrag ohne vorherige Instruktionen oder redaktionelle Festlegungen der Rundfunkanstalt produziert.
Nun gibt es Experten für das Arbeitsrecht, die darauf verweisen, dass freie Journalisten von ihrer Arbeitswirklichkeit her bei realistischer Betrachtung als Arbeitnehmer anzusehen oder zumindest entsprechend zu behandeln sind. Wenn freie Journalisten daher nach Arbeitnehmerregeln behandelt würden, müsste der Verlag sie unter Umständen von Kosten freistellen. Hier gilt: Volle Haftung nur bei grober Fahrlässigkeit oder Vorsatz. Halbe Haftung für fahrlässige Fehler in der Berichterstattung. Keine Haftung, wenn es leicht fahrlässige Fehler waren.
Die Empörung über Arbeitgeber, die sich verantwortungslos geben, erscheint in jedem Fall gerechtfertigt. Große Verlage haben das Geld, gegen Haftungsansprüche vorzusorgen. Außerdem können Medienhäuser, wenn sie sich in Verfahren einschalten, oft genug bereits durch ihr Erscheinen vor Gericht dafür sorgen, dass sich die Gegenseite genau überlegt, ob sie den Streitfall nicht sein lässt oder zumindest auf niedriger Flamme fährt. Ein Medienhaus, dessen Herausgeber wie der "Freitag" lapidar mitteilt, dass es sich nicht für die Rechtsschutzversicherung für schlechte Recherche ansehe, lässt die eigenen Autoren nicht nur allein, sondern wirft sie damit Prozessgegnern zum Fraß vor.
Ob dabei im konkreten Fall eine gewisse Romantik über die Mafia, wie sie in den besseren Milieus und eventuell gerade bei (Verlags-)Kaufleuten in Hafenstädten verbreitet sein mag, mit eine Rolle spielt, mag dahinstehen. Vielleicht wäre eher von Sorglosigkeit zu sprechen; böse Zungen könnten andererseits behaupten, dass die Maßstäbe manches Medienunternehmers kaum anders seien als die von italienischen Großclans; andere würden vielleicht auch meinen, dass solche Clans von manchen Wirtschaftsführern und Medienverantwortlichen längst schon als Partner in einer zunehmend unsicheren Welt gesehen werden. Der eine oder andere erinnert sich schließlich an die immer wiederkehrenden Medienberichte darüber, dass es die Mafia eigentlich gar nicht mehr so gebe und deren Erben schon längst nur noch in legalen Investments unterwegs seien. Wirtschaft wie jede andere, weswegen, wenn ein Bericht zu diesem Thema nicht beweisbare Behauptungen aufweist, er zurückgezogen wird wie jeder andere Bericht zu einem beliebigen Thema, und der Autor allein gelassen wird wie bei jedem anderen fehlerhaften Report.
Vielleicht aber gibt es aber einen noch viel simpleren Grund für die Gleichgültigkeit eines Medienerbens: freie Journalisten stehen in der Freßhierarchie der Medienwelt halt ganz unten, und sie werden alleingelassen, "weil man es kann".
Freien Journalisten bleibt angesichts der Verantwortungslosigkeit ihrer Auftraggeber nur die Möglichkeit, eine Versicherung für Vermögenschäden abschließen. Das sind Schäden, die durch Persönlichkeitsrechtsverletzungen eintreten, wie etwa Rufschäden. Nach einer Umfrage unter den freien Journalisten im DJV machen das allerdings nur rund 11 Prozent aller "Freien". Wer eine solche Versicherung gegen Haftung aus Vermögenschäden abschließt, sollte dabei klar angeben, dass er sie für berufliche Aktivitäten braucht, weil die private Haftpflicht für berufliche Berichterstattung meist nicht zahlt oder Vermögenschäden eventuell ohnehin ausklammert.
DJV-Mitglieder sollten sich aus diesen Gründen um eine Vermögenschäden-Versicherung bemühen, wenn sie über mehr als nur Blümchen oder Pandabären schreiben sollten. Auch der Versicherungsmakler der DJV-Verlags- und Service-GmbH hat eine solche Versicherung im Angebot, deren Kosten sich nach dem versicherten Schaden richten und im Regelfall um die 200 Euro im Jahr kostet. Mitglieder können über das DJV-Intranet auch ein Webinar zum Thema Haftung abrufen, das vor wenigen Wochen veranstaltet wurde.
Klar ist allerdings auch, dass Versicherungen Grenzen haben. Ein fairer Verlag müsste daher nicht nur eine Rechtschutzversicherung für Freie sein, sondern mehr noch. Er müsste auch das übernehmen, was eine Versicherung nie machen kann: sich moralisch hinter den Journalisten stellen, ihn auch da rausholen, wo es echte Fehler gab. Denn auch für Journalisten gilt: Wer nichts macht, macht keine Fehler. Wer viel arbeitet, macht viele Fehler. Aufgabe eines Arbeitgebers ist es immer, die eigenen Mitarbeiter finanziell zu schützen und nicht, sie allein zu lassen.
PS: Es soll keine Schleichwerbung für die darbende Versicherungswirtschaft sein, hört sich aber dennoch so an: Wir vergaßen noch die Geschichte mit dem Fernsehbericht über die Mafia ganz zu Ende zu erzählen. Der freie TV-Journalist saß nun also da mit seiner Rechnung im höheren fünfstelligen Bereich, die ihn die Rundfunkanstalt geschickt hatte. In diesem Fall hatte ja der vermeintliche Mafiosi die Anstalt verklagt und gar nicht den Freien (gibt es auch). Die Rundfunkanstalt, die sparsam mit den Gebühren zu wirtschaften hat und die Regeln der Beweislast im Bürgerlichen Recht zur Anwendung brachte, hatte die Rechnung an den freien TV-Journalisten weitergereicht; er sollte halt zahlen.
Das "happy end" dieser wirklich wahren Geschichte: Der freie TV-Journalist hatte tatsächlich eine Vermögenschadenhaftpflichtversicherung, und die zahlte am Ende auch alles. Alles das ist alles andere als selbstverständlich, darf aber gerade deswegen immer wieder erzählt werden. Im statistisch gesehen wahren Leben haben eine solche Versicherung allerdings die wenigsten, weswegen es leider ein sehr ernstes Thema bleibt.
Michael Hirschler, hir@djv.de
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