Bildjournalisten
Die (Un-)Kultur der Jedermannsfotografie-Ausbildung
Nicht nur das scharfe Bild, sondern auch der scharfe Text und Film könnten in Zukunft vermehrt Themen der Fortbildung werden
Für erheblichen Wirbel sorgt unter Bildjournalisten das aktuelle Seminarangebot eines rührigen Ortsvereines einer bekannten Journalistengewerkschaft. Eine theoretische und praktische Einführung in das gelungene Digitalfoto, durchgeführt durch einen ortsansässigen Fotostudio-Besitzer, alles an einem summa summarum halben Tag.
Zielgruppe: Der klassische Textjournalist, der nunmehr auch Bilder von der Reportage mitbringen will oder muss. Nicht wirklich die erste Veranstaltung ihrer Art: Schon früher sorgten vergleichbare Veranstaltungen in München oder Hamburg für Verdruss bei Teilen der Berufsgruppe. Wobei als Referenten dann mitunter auch einmal gestandene Bildjournalisten auftraten.
Handelt es sich bei der Kritik nur um einen Beißreflex von Besitzstandsverteidigern, die ihr schon allzu sehr gerupftes Territorium gegen die Invasion der eigenen Berufskollegen, der Textfraktion, schützen wollen? Geht es darum, dass zumindest die eigene Berufsorganisation die Aufgabe des eigenständigen Berufsbilds nicht vorantreiben sollte? Oder geht es darum, dass die Bildjournalisten wissen, dass eine solche Ausbildung an einem halben Tag nicht zu schaffen ist - und Bildqualität eben nicht einfach von Textern eben mal von Einsätzen "irgendwie mitgebracht" werden kann?
Gleichzeitig melden sich freie Rundfunkjournalisten und beschweren sich: Sie sollen von Einsätzen jetzt Bilder mitbringen, die dann pauschal mit 20 oder 25 Euro extra vergütet werden. Vom Bayerischen Rundfunk ist zu hören, dass dort aktuell versucht wird, die Lieferung von vier Bildern pro Dreh zur vertraglichen Pflicht zu machen, weil Bilder für Online gebraucht werden. Und an anderen Sendern berichten Freie, dass sie von ihren Auslandsreportagen zusätzlich zum Material für Hörfunk und Fernsehen auch noch eine Bildergalerie für Online mitbringen, und das für schlappe 100 Euro extra. Auf die Kritik an dieser Honorierung wägt dann der eine oder andere sogar ab und meint nachdenklich, im Rahmen der Gesamthonorierung sei die "nebenbei" fotografierte Bildergalerie doch "schon okay". Womit das nächste Thema angeschnitten wäre, das im Rundfunk immer virulenter wird, das der Pauschalhonorierung für Multimedia-Material oder -Fertigproduktionen. Hiergegen wendet sich der Protest von vielen "Rundfunk-Freien", denen bisher die genaue Abrechnung nach Werk und Leistung rationaler erschien.
Wer sich in Fotografenkreisen (die manchmal, aber nicht immer Wert auf die Abgrenzung zwischen Bildjournalisten und Fotografen legen) umhört, erfährt wiederum Erstaunliches. Da gibt es erfolgreiche Bildjournalisten, die als Fotografenmeister gestartet sind und manchmal immer noch das Fotostudio vor Ort betreiben. Umgekehrt das Fotostudio vor Ort, dessen Besitzer ganz selbstverständlich - und um das Salär aufzubessern - als Bildjournalist arbeitet. Als zusätzliches Einkommen bieten beide "Parteien" ganz selbstverständlich Kurse für Foto-Amateure an, in der Erwartung natürlich, dass diese Schulungen allenfalls - wenn überhaupt - zu besseren Privatfotos führen, nicht aber Konkurrenz heranzüchten. Mit dem gleichen Bewusstsein wiederum bieten manche Bildjournalisten auch ihren Textkollegen Schulungen an, weil sie annehmen, dass diese Kurzkurse eher Unterhaltungs-Charakter haben, nicht aber wirkliche Qualitätskonkurrenz hervorbringen können.
Womit wir wieder beim Thema wären: Ist die Ausbildung von Amateuren eine Gefahr fürs Bild? Oder ist sie wiederum so lächerlich, dass ein Berufsverband die Finger davon lassen sollte?
"Ich bin Ihnen in den letzten Monaten untreu gewesen, und jetzt kehre ich reumütig zurück", berichten einige Kunden, die versucht haben, aus Kostengründen ohne professionelle Bildjournalisten bzw. Fotografen zu arbeiten. "Die Bilder, die mir geliefert wurden, waren katastrophal. Jetzt möchte ich wieder zu Ihnen zurück!" Das hört man gerne, allerdings viel zu selten, weil viele Redaktionen glauben, dass Bilder keinen eigenen Informationswert haben, sondern im Zweifel in jeder Qualitätsstufe ins Blatt dürfen.
Wer professionelle Bilder haben will, Redaktionen von Zeitungen und Rundfunkanstalten, sollte nicht auf das "eben mal mitgebrachte" Bild setzen, sondern Profis beauftragen, die wissen, wie ein gutes Bild angefertigt wird.
Ansonsten stellt sich die Frage, ob man nicht auch Seminare anbieten sollte, die in etwa heißen "Der scharfe Text", in dem ein Deutschlehrer interessierten Bildjournalisten in zwei, drei Stunden Reportagejournalismus beibringt. Damit das Portfolio komplett wird, wäre dann noch das Seminar "Der scharfe Film" fällig, bei dem jemand vom lokalen Programmkino erläutert, wie erfolgreiche Dokumentarfilme anzufertigen sind.
Die Gefahr allerdings besteht, dass dieses Seminarangebot gut ankäme - und die daraus gefertigten Produkte auch noch die Zustimmung qualitätsnivellierter Redaktionen finden würden. Insofern kann es sein, dass das Thema der "Ad-hoc-Journalismusausbildung" in den nächsten Jahren noch richtig Karriere machen wird.
Etwa mit dem Kurs "Unter Drei", was in jenen, kommenden Jahren konkret heißen wird: "Lerne Journalismus in unter drei Stunden".
Michael Hirschler, hir@djv.de
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