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Bildrecht

Foto in die Wohnung hinein: Persönlichkeitsrechte?

14.02.2014

"Die Harke" zeigt den Journalistenkollegen, was eine Harke ist. Zu Recht?


Im Heimatort des Kriegserotikers Ernst Jünger hat es eine Hausdurchsuchung gegeben. Darf darüber geschrieben werden, an welchem Ort, um wen es ging und welche Delikte im Raum stehen? Darf in die Wohnung hinein fotografiert werden? Oder handelt es sich dabei um gravierende Persönlichkeitsverletzungen?

Grundsätzlich gilt, dass Beschuldigte in Ermittlungsverfahren Rechte haben, die zu beachten sind. Dazu gehört insbesondere das Persönlichkeitsrecht. Wenn es allerdings um bekannte Personen geht, sind die Persönlichkeitsrechte abzuwägen mit dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit. Bei einer Person, die eine Region bundespolitisch vertritt und durch ein Wahlamt ständig im politischen Meinungskampf steht, dürfte außer Zweifel stehen, dass bei einem schwerwiegenden Delikt eine - sachlich gehaltene - Berichterstattung über Ermittlungen der Staatsanwaltschaft zulässig ist, zumal dann, wenn bereits Hausdurchsuchungsbeschlüsse mit Angabe des Grundes verteilt wurden.*

Was wäre die Alternative? Dass sich Gerüchte „unter der Hand“ verbreiten würden, dass in Internetforen und - natürlich - beim politischen Gegner schnell oder subtil mit den Vorwürfen hantiert würde, das ist klar. Dass sich politische Entscheidungen, etwa über das abrupte Ende der Karriere, nur in Hinterzimmern und bei den ganz Mächtigen (oder stets Informierten) erklären ließen. Das kann kaum im Sinne einer Demokratie sein. Was nicht heißen muss, dass auch Beschuldigungen über Beta-Prominente wie Popsängerinnen oder Wettermoderatoren noch vor Anklage in den öffentlichen Raum gehören.  Politiker, die im öffentlichen Meinungskampf stehen, müssen da - bei Beschuldigung mit schweren Delikten - wohl etwas anderes gegen sich gelten lassen.

Doch darf auch in eine Wohnung hinein fotografiert werden? Grundsätzlich dürfen Häuser und Wohnungen nur aus Passantenperspektive vom öffentlichen Straßenland fotografiert werden. Das ist die so genannte Panoramafreiheit, geregelt in § 59 Urheberrechtsgesetz. Die unbefugte**** Fotografie von Personen in einer Wohnung dagegen ist nach § 201a StGB strafrechtlich verboten.

Im konkreten Fall zeigt das Bild der Wohnung nicht den Bewohner, sondern (wohl) einen ermittelnden Beamten. Dieser wiederum ist nur von hinten zu sehen und nicht zu identifizieren. Eine Verletzung von Persönlichkeitsrechten scheidet daher in seinem Fall aus. Damit stellt sich die Frage, ob die Veröffentlichung des Fotos der Wohnung eine Persönlichkeitsrechtsverletzung sein kann.

Grundsätzlich gilt: Sachen haben keine Bildrechte**. Das erstaunt auch manchen Bürger, etwa wenn ein Handwerker nach getaner Arbeit ganz stolz sein Meisterwerk in der Wohnung auf seine Internetseite stellt. Faustformel: Solange niemand feststellen kann, wessen Wohnung das ist und nicht etwa auch Privatfotos zu sehen sind, ist die Veröffentlichung von Fotos der Gegenstände bis hin zu einer Gesamteinrichtung nicht ohne Weiteres eine Verletzung von Persönlichkeitsrechten.

Im Falle von (ungenehmigten) Fotos von Häusern aus der Luft gibt es die Gerichtsentscheidung, dass das bei "gewöhnlichen", architektur-/urheberrechtlich nicht besonderen Häusern zulässig sei, solange keine besonderen persönlichen Gegenstände zu sehen seien. Auch hier also: Sachen an sich, die Wohnung oder das Haus, haben "an sich" noch keine Rechte.

Im Fall des Schlosses Sanssouci wiederum wurde die ("gewerbliche") Fotografie wiederum untersagt, weil die Bilder auf dem Grund und Boden der Schlösserstiftung angefertigt wurden. Also nicht wegen eines "echten" Rechts am Bild der Sache.

Besondere Privilegierungen bei der Fotografie haben zudem auch "Fotos der Zeitgeschichte", die aktuelle Vorgänge zeigen. Hier müssen Persönlichkeitsrechte ein Stück weit zurückweichen. Eine Hausdurchsuchung bei einem bekannten Politiker ist ein solcher Vorgang, so dass auch aus diesem Grund die Veröffentlichung gerechtfertigt sein kann.

Im konkreten Fall ist auf dem Wohnungsfoto auf den ersten Blick kein Gegenstand zu sehen, der nach persönlicher Lebenssituation aussieht. Vielmehr erweckt das Bild den Eindruck einer Durchsuchungssituation, da zahlreiche Gegenstände wie vor einem Umzug oder eben bei einer Durchsuchung hingestellt erscheinen. Damit spricht das Bild eigentlich Bände, indem es den aktuellen Durchsuchungsvorgang zu zeigen scheint.

Einzig bedenklich erscheinen - auf den zweiten Blick - die Mitveröffentlichung der Kunstwerke, die an der Wand hängen. Sie könnten, zumindest bei Leuten mit recht gewöhnlichen Anschauungen, Rückschlüsse auf den Privatbereich des Beschuldigten zulassen. Allerdings stellt sich dabei wiederum die Frage, ob die Gesellschaft nicht eigentlich so fortgeschritten ist, dass das Ergebnis solcher Rückschlüsse doch als ganz normal gelten muss und mithin auch nicht geheimhaltenswert. Hier allerdings kann natürlich entgegengehalten werden, dass es immer noch Sache des Einzelnen, auch von bekannten Politikern, sein muss, sich insoweit zu öffnen oder den Privatbereich hier zu belassen.

Wiederum für die Veröffentlichung der Aufnahmen der Kunstwerke könnte sprechen, dass im konkreten Fall im Raum stehen soll, dass die (Internet-)Bestellung ähnlicher Darstellungen in fotografischer Form den Kern der Beschuldigungen ausmachen soll.

Nehmen wir einmal - bisher natürlich nur rein theoretisch - an, der bekannte Politiker würde (in Wirklichkeit) des Kannibalismus beschuldigt. Hier wäre es sicherlich zulässig, Bilder in der Wohnung, die kannibalistische Szenen zeigen, (mit) zu veröffentlichen, auch wenn es lange noch nicht heißt, dass jemand, der Bilder mit Kannibalenszenen bei sich aufhängt, zwangsläufig zum Kannibalen wird. Ebenso wenig wie ein Bücherregal mit Werken von Ernst Jünger heißen muss, dass ein Terrorverdacht gegen einen Politiker damit erhärtet würde. Gleichwohl würde ein großes Bild von Ernst Jünger in der Wohnung eines terrorverdächtigen Politikers doch recht aussagekräftig wirken können.

Im konkreten Fall wiederum könnte die Veröffentlichung der Kunstwerke unter Umständen sogar eine andere Bedeutung erlangen, zeigen die Werke doch auch, dass der beschuldigte Politiker sich für Kunst zu interessieren scheint. Im aktuellen Fall argumentierte der Politiker zuletzt, er habe Abbildungen bestellt, die seiner Ansicht nach noch legal seien. Wo Kunst endet und Kriminalität beginnt, ist damit auch ein Thema des aktuellen Falls. Die Kunstwerke zeigen unzweifelhaft legale Kunst und könnten damit indirekt sogar zu Gunsten des Politikers sprechen, weil sie seinen Kunstsinn zeigen. In jedem Fall aber symbolisiert das Bild mit der Abbildung der Kunstwerke durchaus den Kern der Debatte. Insofern hat das Foto in der Tat sehr starken Symbolgehalt für den aktuellen Fall und schon fast ikonographischen Charakter. In jedem Fall sorgt die Bildveröffentlichung nicht notwendig für eine Vorverurteilung des Politikers, sondern könnte ganz im Gegenteil wirken und im Übrigen die öffentliche Debatte über das Thema beeinflussen.

Darüber hinaus könnte auch argumentiert werden, dass die Kunstwerke in indirekter Weise als Symbol für die umstrittenen Fotos anzusehen sind. Weil deren Veröffentlichung im Rahmen der Berichterstattung aber unter Umständen nicht legal oder zumindest nicht angebracht erscheint (auch wenn manche Medien diese oder ähnliche Fotos unter Pixelung veröffentlichen), könnte das Bild mit den durchaus symbolhaften Kunstwerken als "milderes Mittel" gegenüber einer solchen Bildveröffentlichung einzustufen sein. Alle diese Punkte sprechen für die Zulässigkeit der (Mit-)Abbildung der Kunstwerke.***

Abgesehen davon ist die (Mit-)Veröffentlichung gewisser privater Gegenstände und Kunstwerken bei einem Foto der Zeitgeschichte und aktuellen Tagesereignissen ohnehin einfacher möglich als bei "Normalbildern". Das regeln der § 23 Kunst-Urhebergesetz und § 50 Urheberrechtsgesetz.

Insgesamt erscheint die Veröffentlichung der Wohnungsfotos daher als (noch) vertretbar, auch wenn die deutsche Gerichtsbarkeit in solchen Fragen immer wieder für Überraschungen sorgen kann.

"Die Harke", eine jener vielen deutschen Regionalzeitungen, in denen die vielen "namenslosen" Redakteure und freien Mitarbeiter/innen jeden Tag versuchen, jenseits der Metropolen Themen zu finden und Hintergründe zu recherchieren, verdient in jedem Fall eher keine Belehrungen von Theoretikern, sondern Respekt für ordentliche Arbeit.

Das Interview mit dem Redakteur des Blattes findet sich (derzeit noch) beim NDR.

Nachtrag 18.2.2014: Beim Fotografen Sascha Rheker gibt es eine engagierte Kritik an den Thesen dieses Beitrags.

Michael Hirschler, hir@djv.de
*Die Tatsache, dass der Politiker sein Amt aufgegeben hat,  spielt dabei (noch) keine Rolle, da es sich um eine extrem kurze Zeit zwischen Amtsaufgabe und Durchsuchung handelt. Entsprechend wurde in den Fällen die Veröffentlichung von Fotos von Heide Simonis und Joschka Fischer zugelassen, die am Tag nach dem Rücktritt (Simonis) oder einige Monate danach (Fischer) angefertigt wurden. Der Bundesgerichtshof vertritt die Meinung, dass das berechtigte Interesse der Öffentlichkeit nicht mit dem Tag der Amtsaufgabe endet, sondern noch einige Zeit nachwirken kann. (Ergänzung 16.2.2014)

**Soweit es sich um Markenprodukte handelt, kann eine Veröffentlichung des Produkts aber unter Umständen unzulässig sein. (Der Satz "Sachen haben keine Bildrechte" wurde am 16.2.2014 an Stelle der Aussage "Sachen haben keine Rechte" gesetzt, um das Argument auf den Punkt zu bringen.)

***(Absatz von "Im konkreten Fall..." bis "...Abbildung der Kunstwerke" wurde am 16.2.2014 als Ergänzung eingefügt.)

****Da jemand meinte, der Satz könne ohne Ergänzung durch "unbefugte" irreführend wirken, wurde das "unbefugte" am 18.2.2014 sicherheitshalber ergänzt (Kritik Sascha Rheker), auch wenn eigentlich wohl kein Leser ernsthaft auf die Idee kommen kann, dass der § 201a StGB jede Fotografie in der Wohnung verbietet.

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