Bildjournalisten
Journalistenverband im Stasi-Knast
"Macht einer eine Reise und landet hinter Gittern", neue Erfahrung für DJV-Ehrenamtliche.
Der Bundesfachausschuss der Bildjournalisten, in dem sich Vertreter aus Landesverbänden des DJV regelmäßig treffen, war in Bautzen aus zwei Gründen: Einmal, um am 15. März den Preis für den besten Platz in der Auswertung „Fotografen haben Namen“ an die in Bautzen produzierte Tageszeitung „Serbske Nowiny“ (Sorbische Zeitung) zu überreichen, zum anderen, um seine turnusmäßige Sitzung durchzuführen. Hier wurde viel über die Urheberrechtsreform, das Berufsbild, die Teilnahme an der kommenden „Photokina“ und künftige Aktionen des DJV für Bildjournalisten diskutiert.
Der ungewöhnliche Sitzungsort wurde nach der Sitzung mit einer abendlichen Führung erkundet, die Zellen besucht, in denen Regimekritiker wie Rudolf Bahro und andere weniger Prominente sitzen mussten. Schicksale von Journalisten und ganz normalen Querköpfen, die für ihre Meinungsäußerung oder Fluchtversuche unter unmenschlichen Bedingungen untergebracht wurden. Ein Besuch, der jeden nachdenklich macht, wie auch der Museumsführer berichtete: „Manchmal haben wir feucht-fröhliche Reisegruppen, die nach einem Tag im Umland von Bautzen den Besuch des Gefängnisses als unterhaltsames Highlight einplanen. Nach dem Besuch sind sie dann oft still und leise.“
Die Nachdenklichkeit über die Staatssicherheit prägte auch so die Teilnehmer der DJV-Besuchergruppe. Einer hatte kürzlich gerade seine Stasi-Akte bekommen und darin zu seinem Erstaunen keine Überwachung festgestellt, obwohl er zu DDR-Zeiten einige Male mit Vertretern des DDR-Fotogeschäfts zusammengetroffen war. Offenbar war eben nicht jeder ein Zuträger der Stasi oder gar ein östlicher James Bond, auch wenn der Verdacht schnell in den Köpfen spukt. Mancher allerdings lehnt für sich auch weiterhin die Einholung der Auskunft ab. „Ich war vor 1989 im Rahmen einer Städtepartnerschaft öfters im Osten, aber ich will mir nicht die Illusionen eines normalen Besuches nehmen lassen“, so der Kommentar.
Der DJV-Gesamtvorstand hatte im Jahr 2015 eine Empfehlung ausgesprochen, dass die im DJV Aktiven eine Auskunft über Kontakte zur Staatssicherheit beim Beauftragten der Bundesregierung für die Staatssicherheit einholen sollten. Diese von manchen als „Persilschein“ bezeichnete Auskunft ist aber freiwillig. Inzwischen hat sich gezeigt, dass auch langjährig als Redakteure in der DDR tätige Kolleginnen und Kollegen eine solche Negativ-Auskunft bekommen haben, nur wenige Aktive waren tatsächlich mit dem Dienst verbunden und mussten daher ihre Ämter niederlegen. Öffentlich erhobene Anschuldigungen gegen den Vorsitzenden eines Landesverbandes über eine Mitarbeit wurden dagegen nicht hinreichend belegt, gegen die Verdachtsberichterstattung erhobene Unterlassungsverfahren waren erfolgreich.
So erscheint die Geschichte der Staatsicherheit nicht nur als eine Historie der Überwachung und Gefängnisse, sondern auch als eine der Instrumentalisierung in der Nachwendezeit, mit immer noch aktueller Auswirkung und offenem Ende. Die Staatssicherheit und erst recht das Thema der Überwachung durch Geheimdienste ist so oder so immer noch aktuell - ein Besuch in der Gedenkstätte kann auch deswegen empfohlen werden.
Michael Hirschler, hir@djv.de
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