Deutscher Journalisten-Verband Gewerkschaft der Journalistinnen und Journalisten

News für Freie

Netzfreiheit

Kein Quellenschutz für Forenbeiträge?

19.02.2013

Wer in Internetforen Kritik übt, muss damit rechnen, dass die kritisierte Person oder Firma die Offenlegung seiner Daten verlangen kann.


Die Forenbetreiber können sich nicht damit wehren, dass sie den Besuchern ihres Forums Quellenschutz zugesagt haben. Das gilt jedenfalls dann, wenn die Betreiber die Forenbeiträge nicht individuell bewerten und nach einer Auswahl oder Kürzung online stellen, wie es beispielsweise bei Leserbriefen an Zeitungen der Fall ist. Das hat das Landgericht Duisburg am 16. November 2012 in einem jetzt auf openjur.de veröffentlichten Urteil entschieden (openJur 2013, 4761).

Konkret ging es um die Bewertung einer Klinik auf dem Portal klinikbewertungen.de. Wegen einer besonders kritischen Beurteilung wurde Strafanzeige wegen übler Nachrede erhoben und daraufhin ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Der zuständige Onlineredakteur verweigerte jedoch gegenüber der Staatsanwaltschaft die Herausgabe der Daten des Nutzers. Das Amtsgericht Duisburg setzte daraufhin gegen den Onlineredakteur ein Ordnungsgeld fest, gegen das sich der Betroffene vor dem Landgericht vergeblich zur Wehr setzte.

Das Landgericht Duisburg vertrat die Meinung, dass ein Zeugnisverweigerungsrecht nach § 53 Absatz 1 Satz StPO zwar grundsätzlich auch für redaktionelle Beiträge in einem Bewertungsportal gelten könne. Ein Forenbeitrag, der ohne Redaktion vom Nutzer selbst ins Netz gestellt wird, sei jedoch kein Beitrag zum redaktionellen Teil des Informationsdienstes. Das gelte auch dann, wenn es im Forum Regeln für die Zulässigkeit von Beiträgen gibt und die Redaktion die Beiträge im Nachhinein nach diesen Maßstäben überprüfe. Die Pflicht zur Herausgabe der Daten gelte selbst dann, wenn der Redakteur den inkriminierten Beitrag gelöscht hat.

Das Urteil macht deutlich, dass die an  manchen Orten noch beschworene „Freiheit des Internets“ kaum existiert. Nachdem das unbefangene Agieren im Netz wegen zahlreicher Titel-, Marken-, Wettbewerbsrechtsauseinandersetzungen allenfalls noch Volljuristen möglich zu sein scheint, kann jetzt nicht einmal mehr ein Forumsbeitrag unbefangen anonym gepostet werden, jedenfalls nicht ohne Kontrolle und eventuelle Bearbeitung durch eine Redaktion. Das Anonymitätsversprechen vieler Forenbetreiber wird damit geradezu zum „Honigtopf“, der Nutzer in die Falle tapsen lässt. Damit sind Anonymitätszusagen von Forenbetreibern wegen der Irreführung der Nutzer vermutlich selbst als rechtswidrig einzustufen, beispielsweise wegen Verstoßes gegen Verbraucherschutz- und Wettbewerbsrecht.

Solange die Rechtsprechung höherer Gerichte nicht zu anderen Ergebnissen kommt, bleibt Forenbetreibern und Redaktionen von Internetplattformen nur zu raten, ihre Nutzer deutlich auf ihre Pflicht zur Offenlegung der Daten aufmerksam zu machen oder Beiträge nur noch redaktioneller Prüfung frei zu schalten. Allerdings wäre dabei ratsam, alle Fälle zu dokumentieren, in denen Beiträge gekürzt oder gar nicht veröffentlicht wurde. Denn eine „Schein-Redaktion“, also ständige Freigabe aller Nutzerbeiträge, würde das Zeugnisverweigerungsrecht vermutlich erneut in Frage stellen.

Aus politisch-gesellschaftlicher Sicht wirft das Urteil die Frage nach dem angemessenen Verhältnis von Anonymität, Meinungs-/Pressefreiheit und Strafrecht auf. Natürlich: So wenig Bürger, Berufstätige oder Firmen hinnehmen müssen, dass sie mit grundlosen, gravierenden Vor- und Anwürfen von anonymer Seite konfrontiert werden, so problematisch erscheint es, wenn die Rechtsprechung sogar Forenbeiträge und erst recht Beiträge auf Bewertungsplattformen mit dem Schwert des Strafrechts sanktioniert. Denn ein Beitrag unter dem Kennzeichen „Bewertungsplattform“ bringt bereits zum Ausdruck, dass Nutzer ihre subjektive Sicht einbringen sollen, die sich dann - in Zusammenschau mit Beiträgen anderer Nutzer - relativiert. Das ist auch vielen von Kritik Betroffenen klar und recht. So weist ja auch die Plattform klinikbewertungen.de darauf hin: "Die meisten Kliniken gehen sehr positiv mit den Erfahrungsberichten und der Seite um."

Kann es also sein, dass sich die Mehrheit der eher gelassenen Nutzer die Meinungsfreiheit von einer Minderheit von Internet-Nichtverstehern nehmen lassen muss? Dass wegen des Strafbedürfnisses einer Minderheit ganze Plattformen nicht mehr funktioneren können?

Wenn die Rechtsprechung des Landgerichts ernst genommen wird, bedeutet das etwa für Hotelreservierungssysteme, dass Hotelgäste, die heftige Kritik in deren Bewertungsforen üben, in Zukunft vom Hotel verklagt werden. Denn kritische Aussagen wie etwa, ein Zimmer sei nicht gut gewesen, das Bett hätte eine schlechte Matratze, der Service sei unhöflich gewesen, sind oft genug nicht zu beweisen. 

Machen wir den Sprung aber von den Hotelreservierungssystemen zu Politik- und Parteiplattformen oder Lebensmittelforen, wird die Dimension des Urteils vielleicht erst richtig deutlich: Kritik war gestern.


Michael Hirschler, hir@djv.de

News für Freie

Umfrage

Teilnahmefrist ein letztes Mal verlängert - jetzt 17. März

27.02.14

Bitte noch teilnehmen an großer DJV-Umfrage Freie

Mobilität

Das rollende Büro - der Fernbus als Arbeitsmittel für freie Journalisten

27.02.14

Das ständig wachsende Netz der Fernbus-Linien bietet sich dem Journalisten als preiswerte Alternative für Fahrten in Deutschland an – und gut arbeiten lässt sich in den modernen Fahrzeugen auch noch.

Umfrage

Endspurt: Bitte noch an großer DJV-Umfrage Freie teilnehmen !

25.02.14

Am 5. März ist endgültig Schluss

DJV-Freien-Tipp

Wenn freie Journalisten auf Recherchereise gehen

21.02.14

Fahrt-, Reise- und Verpflegungskosten, die bei Recherchereisen anfallen, können freie Journalisten beim Finanzamt geltend machen. Freien-Experte Michael Hirschler vom DJV erklärt, was zu beachten ist.

Berufsinformationen

Newsletter für freie Journalisten vom 20. Februar 2014 ist jetzt auch online

20.02.14

Informationen rund um die freie Tätigkeit

Freie Journalisten

Sprechen wir übers Geschäft (4)

18.02.14

Volker Thies ist Lokaljournalist im Rhein-Main-Gebiet. Er schreibt vor allem über Kommunalpolitik – das härteste Brot, das ein freier Journalist kauen kann.

Urheberrecht

Werbung mit Rezension verletzt Urheberrecht

17.02.14

F.A.Z. gewinnt gegen buch.de, aber was gewinnen damit schon die Urheber?

Urheberrecht

Auflistung von Links auf Internetseite zulässig, entscheidet der Europäische Gerichtshof

17.02.14

Aus für das Leistungsschutzrecht der Presseverleger?

Urheberrecht

FAZ und Springer versenden Vertragstexte an Freie

14.02.14

Der Jahresanfang als Beginn der neuen Vertrags-Saison

journalist.de

Faire Honorare für freie Journalisten

13.02.14

DJV-Freien-Experte Michael Hirschler über die DJV-Umfrage unter freien Journalisten, Vergütungsregeln und darüber, wie freie Journalisten heute überleben können.

Urheberrecht

Entscheidung zur Namensnennung von Bildurhebern sorgt für Aufregung

07.02.14

Auch im Netz haben Urheber Rechte. Das sorgt bei manchen für Verdruss. Was gilt?

DJV-news 339

Fairer Umgang, Tarifverhandlungen, Europatag, Bildung etc.

07.02.14

DJV-Leitfaden zum fairen Umgang | Tarifrunde Tageszeitungen | DJV lädt zum Europatag nach Brüssel ein | Volksstimme: Sozialplan durchgesetzt | Bauer expandiert nach Neuseeland | Soll Weiterbildung zertifiziert werden? | Gericht...

News 565 bis 576 von 858

Schon gewusst?Rund 60 Prozent aller Freien arbeiten aus Überzeugung hauptberuflich frei, 40 Prozent sind als Freie tätig, weil sie keine Anstellung finden (Quelle: DJV-Umfrage 2014).

Auch bei der EU in Brüssel sind viele Freie unterwegs - nicht immer freiwillig frei. Foto: Hirschler

Schon gewusst?Rund 60 Prozent aller Freien arbeiten aus Überzeugung hauptberuflich frei, 40 Prozent sind als Freie tätig, weil sie keine Anstellung finden (Quelle: DJV-Umfrage 2014).

freienblog

Weitere interessante Themen

Newsletter

Cookie Einstellungen